Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Nachruf auf Hans-Dieter Heyse


Erster Entwurf:

Nachruf auf Hans-Dieter Heyse

 

Franz Lindenmayr

 

An einem wintertrüben Frühnachmittag Anfang Januar 2017 begleitete eine Gruppe von 6 Höhlenforschern vom VHM die kleine Gruppe der Trauergäste hinter den hellen Sarg mit Dieter auf seinem letzten Weg im Alten Teil des Waldfriedhofs in München.

Der Pfarrer hatte eine klassische Traueransprache in der Aussegnungshalle vorher gehalten und uns einiges über ihn erzählt. Dieter wurde am 18. Oktober 1930 geboren, lebte anfangs in Königsberg, und wurde, kurz bevor die Stadt in der Endphase des 2. Weltkriegs zur „Festung“ erklärt wurde, zusammen mit dem Kinderchor, in dem er sang, nach Prag verfrachtet, als gerade 14jähriger, weit weg von den Vater und Mutter. Von dort ging die Zwangsreise weiter nach Oberbayern, nach Garmisch-Partenkirchen. 14 Jahre war er „wohnhaft gewesen im Schatten des Estergebirges“, so seine Worte aus der eigenen Kurzcharakteristik im „Estergebirgsband“.

Darin berichtet er auch darüber, was seine ersten Höhlen waren: zuerst die Frickenhöhle, dann das Angerlloch, „seither beim Hobby Höhle geblieben“.

Seine ersten Kontakte mit dem Angerlloch hat Dieter präzis beschrieben. 1948, in einem IRO-Wanderführer, stieß er in Walchensee erstmals auf den Namen der Höhle, aber es dauerte 10 Jahre ehe er erstmals, mit zwei Freunden, erstmals stand. Das hat er alles selber in seinem Höhlentourismusartikel beschrieben.

Nach einer wohl ziemlich verunglückten Tour in das Angerlloch, wo unter der „Führung eines Ortskundigen“ mindestens der Eingang gefunden wurde. „Glücklich und wohlbehalten“ erreichten sie mindestens wieder den Eingang – Dieter wurde klar, „daß in einer unbekannten Höhle darauf zu achten ist, die Orientierung zu behalten“.

Über Gustl Herein, der wohl den Vortrag gehalten hat, der in den Aufzeichnungen von Dieter erwähnt ist, kam er zum Höhlenverein und beteiligte sich damals rege an seinen Aktivitäten. So beteiligte er sich auch an den Forschungen in der Gumpenkarhöhle (im Höhlenkataster sind noch ein paar alte Schwarzweißaufnahmen vorhanden, die Dieter als „jungen Mann“ zeigen) und auf dem Zugspitzplatt.
„Um 1960“ war es tatsächlich noch möglich, eine Weihnachtsfeier im Angerlloch abzuhalten, und Dieter war dabei – nachweisbar durch ein Photo, das im „Estergebirgsband“ veröffentlicht ist – wie sich dort die Zeiten schnell ändern.
1963 war auch schon einmal eine „Regierungskrise“ im Verein für Höhlenkunde in München und Dieter übernahm nach dem Rücktritt der gesamten Vorstandschaft damals den Posten des Kassiers. Die Münchner Höhlengeschichte weiß zu berichten: „D. Heyse verschaffte dem Verein und seiner Kasse durch eine schriftliche Umfrage im Frühjahr 1963 eine aktuelle Mitgliederkartei, die seither konsequent fortgeführt wird.“ Dieses Amt gab er dann 1970 an seinen Nachfolger D. Pellert weiter, nach „mustergültiger und einwandfreier Kassenführung“. 1972 verließ er aus Protest gegen die Vorgänge um das Angerlochhappening den Verein, trat aber einige Jahre später wieder bei und blieb ihm bis zuletzt treu.
Ich hatte mit ihm während meiner Vorstandszeit einmal wegen einer Sache zu tun, die wegen ihrer „Größe“ zeigt, wie unwichtig am Ende eigentlich alles wird. Es ging um die Vereinfachung der Mitgliedsbeiträge beim Verein. Die Idee war, einen Vollmitgliedschaftsbeitrag zu erheben und einen „Ermäßigten.“ Da sollten dann alle anderen Gruppen darunterfallen. Ehefrauen, Arbeitslose usw. Dieter schrieb mir dann, daß er erwarte, daß für die „Rentner“ ein eigener Satz eingeführt werden müßte, kam aber am Ende mit dieser Idee nicht durch.
Für den „Estergebirgsband“, herausgegeben als “Das Estergebirge – Eine Karstlandschaft in den Bayerischen Voralpen, Schriftleitung Peter Hofmann, anlässlich der Tagung des Verbandes der Deutschen Höhlen- Karstforscher in Garmisch-Partenkirchen 1997, konnte Dieter als Autor für einen Artikel über „Höhlentourismus und Höhlenschutz“ gewonnen werden.

Eine neue Phase der Begegnungen mit Dieter begann, als sich Klaus Vater, Eduard Rauscher und Dieter regelmäßig zu einem Höhlenforscherstammtisch im Hofbräuhaus zusammenfanden. Irgendwann stieß ich als „Küken“, weil fast 20 Jahre jünger, immer wieder zu ihnen. Oft war da vom Krieg die Rede, kein Wunder, hatten doch alle drei noch diese Zeit kennenlernen müssen. Dieter erzählte oft vom General Patton, einem amerikanischen General, der die Truppen von Italien her vor Kriegsende nach Norden führte und der Dieter schwer beeindruckt hatte. Die eingegangenen Befehle soll er öfters sehr eigenwillig interpretiert haben, so daß er eines Tags sein Kommando verlor. Oft erzählte er auch von seinem Sammeltrieb, insbesondere von seinen Jazzschallplatten, die einen bedeutsamen Raum in den Räumen der Familienwohnung im Hasenbergl einnahm. Auch ihn plagte das Problem, was denn damit wohl passiere, wenn man einmal „nicht mehr sei“.
Als wieder einmal die Preise im Hofbräuhaus angehoben wurden, da war es Zeit, sich nach einer neuen Gaststätte umzusehen. Sie wurde im „Zwingereck“ in der Nähe des Isartors gefunden, der wir seither immer treu geblieben sind. Dieter war immer zuverlässig und pünktlich da, darauf konnte sich jeder verlassen.
Dieter hatte auch ein lyrisches Talent, was er auch einmal unter Beweis stellte, als er noch einer meiner langen Reisen in die Welt, als ich deshalb länger am Stammtisch fehlte, mir mit einer kleinen mit bunten Bildern beklebten Karte zeigte. Ein Auszug:


„Der Franz ist durch die Welt gereist
Drum war im Zwingereck verwaist
Der Tisch (fast), wo die alten Weisen
Aus hehren Höhlenbärenkreisen
vergnügt auf ihren Plätzen sitzen
Um im Gespräch sich zu erhitzen
Und zwischenduch, unterdessen,
Gepflegt zu trinken und zu essen…“


Er nahm auch regelmäßig an unseren Wanderungen zum Kloster Andechs und an den Ausflügen auf die Wiesn teil. Dann setzte er sich vielleicht auch seinen Strohhut auf und rauchte einen dicke Zigarre – vive la vie.

Und dann ein schlimmer Unfall. Am Ende einer Fußgängerbrücke im Hasenbergl stürzte er unglücklich – und an den Folgen litt er dann viele Jahre hindurch. Alle Hilfsangebote von uns an ihn halfen nichts. Dieter kam nicht mehr zum Stammtisch. Einmal besuchten wir ihn zuhause im Hasenbergl, seine alten Stammtischbrüder. Wir wollten das wiederholen, aber es kam nicht mehr dazu.

Als Dieter in Garmisch-Partenkirchen eine Bleibe gefunden hatte, in einem Zimmer mit 3 anderen zusammen, in einem „Austrag“ in einem Bauernhof, meist ungeheizt, begann er mit einer kaufmännischen Lehre. 20 Mark im Monat bekam man, ein wenig legte die Gemeinde drauf, so war wenigstens ein Überleben möglich. Später wechselte Dieter zu OSRAM, dann zu AGFA, als „kaufm. Angestellter“. Er fand eine Frau, die ihm auch eine Tochter schenkte.

Sie waren beide da, und hörten wie wir anderen, gegen Ende der Trauerveranstaltung, die Musik von Louis Armstrong. Dieter liebte sie.

Eine kleine Passage aus seinem Artikel über den Höhlentourismus… und seine Auswüchse könnte nicht deutlicher ausdrücken, wofür der „Dieter“ stand:

„Sehr vielen Mitmenschen gebricht es bereits an den primitivsten Anstandsregeln, entsprechendes Denk- und Urteilsvermögen ist solchen Leuten fremd. Ihr Umgang mit ihrer lebenden oder leblosen Umwelt gestaltet sich entsprechend….Die Bereitschaft zu Rücksichtnahme, Zurückhaltung, Selbstdisziplin geht dem Menschen mehr und mehr vorloren..“

Er verfügte, wohl, darüber.

 

Literatur:

Heyse Dieter (1997): Höhlentourismus und Höhlenschutz: Gedanken zu einem sensiblen Thema. – In: Hofmann, Peter (Schriftleitung), (1997) Das Estergebirge, Karst und Höhle 1996/97, München: 225-229

Cramer Klaus (1982): Vergangenheit und Gegenwart. – In: Triller, Adolf (Schriftleitung), (1982): Münchner Höhlengeschichte, München: 7-24

Heyse Dieter (1989): Höhlenbuch aus dem Angerloch, DER SCHLAZ 59 1989, 24-28



Links:

http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv00/0400ob20.htm

http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv02/2102ob37.htm

Nachrufe auf Höhlenforscher


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]