Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Hundalm-Eishöhle / Hundsalm-Eishöhle, Tirol, A


"Was Schweigen heißt, kann man wohl in den Bergen erleben. Da ist es ganz (? - früher vielleicht) still. Kein Laut weithin. Und rauscht irgend ein Wasser, zwitschert einmal ein Vogel, rollt ein Stein, dann sinkt nachher die Stille nur umso tiefer in sich.

Romano Guardini, Ruhiges Strömen


Die Mär, daß es am Besten ist, wenn man alles weiß, natürlich im vornherein, und dann "optimale" Entscheidungen trifft, die glaub ich schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, so etwas verbaut uns oft die schönsten Ereignisse und schafft vollkommen standardisierte Pseudoerlebnisse. Wenn ich vorher gewußt hätte, daß die Hundalm-Eishöhle nördlich des Inntals zwischen Wörgl und Kufstein nur an Wochenenden im Sommer geöffnet hat, wäre ich dann einfach an einem Mittwoch im Juni 2007 da hinaufgelaufen? Diesen langen Weg, den besonders langen, den nämlich, wo an der Abzweigung der Straße Bayrischzell-Thiersee es heißt: "Eishöhle 4 1/2 Stunden"? Die Alternative wäre gewesen, da zu laufen, wo es einfach alle tun. Wird ja überall wärmstens empfohlen, auch im Internet. Der kürzeste Anstieg beginnt bei Embach bei Mariastein. Den laufen wohl (fast) alle, bis auf ein paar ausgekochte Individualisten, die sich zum Beispiel den Luxus leisten, nicht so viel zu arbeiten, wie es eigentlich möglich wäre, damit sich einen meist .

Ich gönnte mir den Luxus, wo anders anzufangen - und wurde reichlichst belohnt. Nach Riedenberg fuhr ich auf einem schmalen Teersträßlein. Es wand sich hinauf, dann durch eine flacher werdende Wald- und Wiesenlandschaft, vor der sich eine hohe Bergmauer auf der anderen Seite aufbaute. Ein kleines Wirtshaus ist da, ich glaube es heißt "Wastlwirt", ein kleiner Parkplatz ist da mit Christus-am-Kreuz-Darstellung, aber kein Geldschluckautomat, der gleich 3 EURO von einem will. Ich war noch ganz geschockt von dem Ekelerlebnis auf dem Parkplatz bei Scharnitz, das ich nach dem Besuch der Vorderkarhöhle gehabt hatte. Hier war die Welt noch wunderbar "normal", "natürlich", dort schon vom Geld vollkommen zerfressen.

Ein Wegweiser mit dem Hinweis auf die "Eishöhle" zeigte, daß es nun nur noch 3 Stunden dorthin waren. Immerhin. Sollte ich doch nicht lieber umkehren und den Schnellanstieg wählen? Ruckzuck, raufrunter und möglichst noch ein bißchen schneller als die "offizielle" Zeit. Wie viele Verblendete laufen heutzutage nicht rum, haben wahrscheinlich alle noch nicht Sten Nadolnys Buch von der Entdeckung der Langsamkeit gelesen, wo es an einer Schlüsselstelle einfach heißt, daß die wichtigen Dinge die langsamen seien.

Kein Wunder also, daß ich auf dem größten Teil des Weges vollkommen alleine war - was für ein Erlebnis! Ein Geschenk. Tja, der Weg führt zuerst bergab und dann wieder bergauf. Ich behielt das im Hinterkopf, denn für den Rückweg, wenn man vielleicht schon etwas müde ist, dann ist das kein gar nicht mehr unwichtiges Detail. Als ich den tiefsten Punkt erst einmal erreicht hatte am Grunde eines querfließenden Baches, da blickte ich auf einmal auf so etwas wie eine Höhlenöffnung. Ein klassisches Dreiecksportal! Führt mitten hinein in den Fels. Leider nicht weit. 2 Meter. Danach ist glatter Fels. Klassischer Fruster für den Höhlenforscher. Wer trotzdem noch in die schmalen Spalten blickt: da zeigten sich die typischen Kokons von Höhlenspinnen. Die kümmern sich nicht um unsere menschlichen Maße. Gottseidank.
Der Weg war noch nicht an seinem tiefsten Punkt angekommen. Erst führte er hinauf, dann wieder hinunter. The ups and downs of life. Die Engländer. Die haben einfach gute Sprüche drauf. Aber dann war es, vorerst einmal, geschafft, es ging nur noch bergauf. Dann kam eine Kreuzung - alle möglichen Schilder. Ein Mountainbikerweg scheint da durchzuführen, dahin zeigten die Schilder, dorthin, von der Eishöhle war hier nichts mehr zu lesen. Wohin sollte ich? Bifurkationen - ein Lieblingsthema von mir, aus dem Bauch heraus entscheiden, geradeaus, da, dieser Abbieger noch links? war nicht gekennzeichnet, woher sollte ich wissen, wohin der führte? Ich ging weiter, bergauf, geradeaus, bergab, bergauf, bergab, flott, machte ein Bild, dachte mich auf dem besten Weg - und dann, wie so oft im Leben - ein Schild "Eishöhle", allerdings mit der Hinweisrichtung zurück. Das war ein wunderbarer Weg gewesen, ich habe es genossen, so etwas zu denken wie "powered by Alpine Air", gehört hab ich nur ein paar Vögelchen und ein paar hoch oben fliegende Flieger, gesehen habe ich einen von Westen kommenden Bach, der sich in kleinen Kaskaden unüberhörbar tiefer "ergoß", aber am Ende war das alles ziemlich ernüchternd. Failure. Umkehren und neu anfangen. An der unbezeichneten Stelle winkelte ich nach rechts ab, dann kam da ein kleines Schildchen, wo auch "Buchacker" draufstand, dem folgte ich, genoss es wieder, ein altes Steigerl, verfallend, früher wohl eine viel größere Bedeutung habend, gehen, auf dem, was noch da ist. Dann vereinigte sich dieses kleine Relikt mit der Forststraße, die inzwischen die Wegfunktion übernommen hat. Ich war inzwischen Stunden schon unterwegs und noch überhaupt niemand war mir begegnet. Wo gibt es so etwas noch? Ein paar Kühen begegnete ich unterwegs. Manche von ihnen blickten mich verwundert an. Ich schloß daraus, daß die noch nicht sehr gewöhnt an den Anblick von vorbeieilenden Menschen sind. Ich wollte keine "küssen", es gab ja inzwischen schon seltsamste Berichte in den Medien, wo die Begegnung "Kuh-Mensch" als durchaus problematisch dargestellt worden ist. Ich setzte, wirklich, auf Geschwindigkeit. Let's go. Ich schraubte mich hoch. Auf einmal "Menschen".
Natürlich, die waren alle auf dem "Schnellweg" unterwegs. Ich konnte sie zählen. 6 waren es, ein Paar mit großem Hund. Sonst war da nichts. Kaiserschmarrn auf der Buchackerhütte, ein Radler, draußen schüttete es. Ich hatte Zeit. Das Wetter war wechselhaft, gab mir eine Chance. Ich nützte sie. Höhleneingang, leicht zugemacht - an der versperrten Türe probierte ich nur, ob sie auch wirklich zu war. Aber der Moment, wo ich da war, war perfekt. Hätte nicht besser sein können. Die Mittagssonne schien direkt in den Eingangsschacht. Die Strahlen spalteten sich in Strähnen, sichtbar durch den Luftnebel, der in dieser Höhlenregion offenbar herrscht. Das passiert wohl sehr sehr oft - aber keiner sieht es. Die Menschen sind nicht da, sie bleiben zuhause, können es sich nicht "leisten", haben was "anderes" zu tun, oft was "Besseres (was soll das sein? GELD?), wurden auch nicht von ihren "Lehrern" darauf aufmerksam gemacht... und und und....
Ich war ganz alleine - und war, fast, froh, daß es so war. Wirklich "tiefe" Erlebnisse" lassen sich nicht multipizieren. "Bottomless pits" ist er beste Ausdruck aus der englischen Sprache, der mich "Höhlen" beschreiben läßt. Und diese paar Sonnenstrahlen haben da, ganz profan, "hineingeschienen".

Die Höhle ist heute sehr gut auf einem Steig erreichbar, der nur durch ziemlich unwegsames Gelände führt. Jenseits der Hütte führt er weiter, aber nur noch in einem weit bescheideneren Umfang. Es lohnt sich trotzdem, dort den Weg fortzusetzen und einen Rundweg zu machen. Denn auf einmal ist da links vom Weg ein Stacheldrahtzaun. "Stacheldraht", damit schützen heute Bauern ihre Wiesen vor unliebsamen Touristen..... damit werden ganz andere Ungeheuerlichkeiten heute "geschützt". Braucht unsere "Natur" wirklich heute Stacheldraht? Ein "Loch" öffnet sich vor einem, wenn man ihn übersteigt, ganz vorsichtig, um nicht wesentliche Teile von einem zu verletzen. Wer mit aufmerksamen Augen noch durch die Gegend streift, der wird noch mehr sehen. Karrenformen..., ein Bach verschwindet auf einmal, Holzteile wurden da eingekeilt, Stacheldraht schon wieder. Keine zwei Meter davon ein Loch unter einem Baun, vollkommen abgewehrt gegen alles, eine Stacheldrahlrolle liegt drin.

"Höhlen"eingänge am Weg
  Wer diese Wiese sieht, der ist "falsch" gelaufen!
Wenn er den "direkten" Weg für den "richtigen"
ansieht - ansonsten gilt: "Der Umweg ist der Weg."
Höchst erfolgreich! In the long run. So kommts mir vor.
Hoch über dem Inntal
  Ein erster Blick Richtung "Hundalm"
  Große Karrensteine tauchen auf einmal auf
  Vertiefungen in Wiesen, die mit Ästen abgedeckt sind
  Der "Pepi Kruckenhauser-Steig" kurz vor der Höhle
-deutlich gekennzeichnet mit einer Metalltafel
Kurz vor und gleich bei der Höhle
Die Eingangsregion ist eigentlich immer offen...
   
 
  Ab hier versperrt eine Tür den Weiterweg, außer zu
den Öffnungszeiten der Schauhöhle und wenn halt im
Winter die Natur ohnehin diese Region vollkommen mit
Schnee in ihrem Besitz nimmt
   
   

Auch die Umgebung steckt voller "Löcher". Man muß
nur seine Augen öffnen!
Karrenformen in den Wiesen
  Blick in Richtung zu einem richtigen "Höhlenstein"!

Ein klassischer Ponor - voller Stacheldraht und Holz
Wo fließt bloß dieser Bach hin?
   

Der "Schlund" aus der Karte

"Entforscht" wurde die Höhle ermals 1921 von Otto Engelbrecht. Der Eingang selber war wohl schon immer den Hirten und Jägern der Umgebung bekannt. Sie wurde 1956 unter Naturschutz gestellt und dient seit 1967 als Schauhöhle. Zugang und Rückanstieg erfolgen über 122 Stufen. Der 25 m lange "Eisdom ist der größte Raum der Höhle. Der markanteste Tropfstein in der "Tropfsteinhalle" ist der "Christuskopf". Der tiefste Punkt liegt bei der "Unteren Randkluft". Eine Gesamtganglänge von 144 m wird genannt und ein Gesamthöhenunterschied von 35 m.

Im Juli 1975 war ich schon einmal dort oben. Ein Tagesausflug von München aus mit meiner Frau Norma. Nichts Besonderes. Auch Höhlenfotographisches. Nur halt da gewesen.

Mai 2011 Eine kleine Tagestour über Mariastein.. (leider war auf einmal der Akku der Digitalkamera leer und mit einem zweiten Blitz zu arbeiten, das ist bei drei anderen Blitzern, die auch dauerd Aufnahmen während der Führung machen, praktisch unsinnig)

 


"Höhlenstein" steht auf einem Wanderweghinweiser, der in Langkampfen in der Nähe von Kufstein steht. In rund 2 Stunden steilem Anstieg erklimmt man die Inntalflanke, die nach Osten zu zum Pendling führt und nach Westen zur Hundsalm. Der Name ist einfach suggestiv. In der Karte ist tatsächlich ein Höhlenzeichen eingetragen......

 

Aus einem Email von Christoph Kurten an mich: "Der Weg zu einer der beiden Höhlen, dem Nixloch, ist vom Höhlensteinhaus sogar ausgeschildert. Die Höhle ist tatsächlich ziemlich beeindruckend, hinter einem flachen Eingangsloch tut sich eine geräumige Halle von ca. 40m Länge mit ein paar Höhenstufen auf.   In jedem Fall ein faszinierendes Erlebnis !" (2008)

Von der Naunspitze/Zahmer Kaiser Richtung Pendling, Höhlenstein


Literatur:

Auferbauer, Günter und Luise "Expedition Österreich" - Geheimtip Thierseer Berge, BERGSTEIGER, 2004, Novemberheft, S. 36
Trimmel, Dr. Hubert Hundalm-Eishöhle, ???
Feldkircher, Helmut Die Hundalm Eis- und Tropfsteinhöhle Lage - Beschreibung - Erschließung ???
Freistetter, Florian, Jungwirth, Helmut Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen, Hanser, München 2021
Kuntscher, Herbert Höhlen - Bergwerke - Heilquellen in Tirol und Vorarlberg, Steiger Verlag, Berwang 1986
Bouchal, Robert, Wirth, Josef Österreichs faszinierende Höhlenwelt, Pichler-Verlag, Wien 2000
Rittig, Partricia Geologie und Karst-Geomorphologie im Gebiet der Hundsalm-Angerberg/Tirol, in: Höhlenkundliche Mitteilungen Landesverein für Höhlenkunde in Tirol, Jahrgang 51, 2012, S. 13ff.
Spötl, Christoph Die Entdeckungsgeschichte und der ursprüngliche Zustand der Hundsalm Eis- und Tropfsteinhöhle, in: Höhlenkundliche Mitteilungen Landesverein für Höhlenkunde in Tirol, Jahrgang 51, 2012, S. 22ff.

Links:

 


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