Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlenportal oberhalb von Oensingen, CH


Es gibt heute viele Wege, sich einer Höhle zu nähern. Sehr einfach ist es, wenn man eine Höhle sucht, deren GPS-Koordinaten auf einer elektronischen Karte eingetragen ist, und man durch einen Pfeil auf den gesuchten Eingang hingewiesen wird. Das funktioniert gut, aber auch nicht immer. Eine Schattenseite so eines Vorgehens ist, daß man sehr viel nur noch auf den Bildschirm schaut und viel weniger auf die Gegend, wo man sich gerade bewegt. Da übersieht man leicht vieles, was es gibt. Man kann auch in einem der vielen inzwischen veröffentlichten Katasterbücher nachblättern und versuchen aus deren Texten schlau zu werden. Auch das läuft nicht immer umweglos - aber das ist doch ein Teil des Reizes, der von der Höhlensuche ausgeht! Und gelegentlich finden wir dabei ja auch ganz neue Löcher!

Viele Male bin ich schon auf der Autobahn von Zürich in Richtung Bern bei Oensingen vorbei gekommen. Da ist eine langgezogene Kalkfelswand zu sehen, in der gerade noch über den Waldsaum hinausragend, ein Höhlenportal zu sehen ist. Ich dachte, daß sich dahinter vielleicht die Reste einer alten Höhlenburg verbergen würden. In der Literatur hatte ich dazu nichts gefunden, aber das mußte ja nicht viel besagen. 

Im August 2019, auf dem Rückweg von Sinterlaken 2019 in Interlaken machte ich einen kleinen Umweg über das Kunstmuseum Solthurn, den Weißenstein, Welschenrohr und kam genau in Oensingen wieder aus dem Jura heraus. Zeit war, um dieser alten Rätselstelle einmal auf den Zahn zu fühlen - ich machte mich auf, das Portal aufzusuchen.

Das artete zu einem Mikroabenteuer aus. Das beginnt schon mit dem Finden eines Parkplatzes. In der Schweiz ist das heute überhaupt nicht mehr einfach. Entweder gibt es überall Halteverbote, manchmal Bezahlparkplätze, viele Privatplätze, aber öffentlichen Parkraum, den muß man erst einmal mühsam suchen und vielleicht auch finden. Haben die Schweizer keine Gäste, die vielleicht auch einmal ihr Gefährt abstellen möchten. Schließlich gelang es mir tatsächlich eine blau markierte Fläche auf einer am Ortsrand gelegenen Straße auszumachen, die noch frei war. 
Oberhalb von mir mußte das Portal in der Felswand sein, aber durch den Wald war nichts mehr zu sehen, nichts von der Höhle und nichts von den Felsen. Bergwärts zog sich ein geteertes Sträßlein, das am Waldrand nach links zu einem Bauernhof abwinkelte und nach rechts als Schotterweg weiterführte. Ein Bauer verteilte gerade "seinen" Odel auf der südlich gelegenen Wiese und außer ihm und mir merkte niemand, wie es danach stank. Wie sollte ich weitergehen. Eine klare Kennzeichnung fehlte natürlich. Erst folgte ich der am meisten auffallenden Markierung, die horizontal bis leicht ansteigend dem Waldrand folgte. Sie blieb auf dieser Höhe und langsam wurde mir klar, daß ich da vielleicht in Solothurn herauskommen würde, aber nie bei der Höhle. Also zurück. Da war noch einmal eine Markierung. Die führte auf einem offenbar viel begangenen Pfad aufwärts. Langsam kamen Felsen in den Blick, aber dann auch wieder nicht mehr. Ich mußte wohl schon bald auf der Hochfläche herauskommen, aber von den gesuchten Felsen, da war nichts zu sehen. Also wieder zurück. Noch mehr zurück. Ich nahm an, daß ich sicherlich nicht der erste Mensch war, der sich für das Felsportal interessierte. Da mußte es doch irgendwo mindestens eine Pfadspur geben... geben... geben. Dann war sie tatsächlich da, sogar mit blauer Farbe markiert. Steil ging es hoch, sehr steil. Ich mußte mich mehrmals an Bäumen festhalten, um nicht wieder herunterzurutschen. Dann, da, tatsächlich die Felswand - und keine Höhlenöffnung. Noch höher ging es und dann wieder runter. Nichts Höhliges, absolut nichts. Ich war schon am endgültigen Aufgeben und plante schon den Abstieg. 

Natürlich - um die nächste Ecke herum: Da war endlich das Höhlenportal, klassisch schön geformt. Allerdings war dahinter "Nichts", aus der Sicht des Höhlenforschers. Tatsächlich bildete die Rückwand massiver Fels und machte alle Hoffnung auf eine Fortsetzung massiv zu nichte. Kleine Seitennischen taten sich noch links und rechts auf, aber die waren auch gleich wieder zu Ende. Jemand hat in die Höhlenwand eine Inschrift gemeißelt (H Walter Bettler). Seltsam war, was auf dem Höhlenboden lag: mehrere Tierfelle. Wer tut denn so etwas? Die Reste eines kleinen Lagerfeuers waren auch noch da. 

Ich folgte der Wand weiter auf dem gekennzeichneten Pfad. Das ging so lange, bis umgestürzte Bäume die Gegend wieder in eine ursprüngliche Wildnis verwandelt haben. Es galt nur noch den normalen Weg zu erreichen. Querfeldein ging es hinunter, das Abweichen vom Weg in die Wildnis war hier sachgeboten. Dieses Stück kannte ich schon vom Herumirren, als ich dort ankam. Hinunter zum Auto, ein tiefer Schluck aus der Apfelsaftflasche und weiter...

     
     

Literatur:

   

Links:

Landschaft und Höhlen im Schweizer Jura

 


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