Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Dollesenloch 


"Kleine Höhle, kleiner Forscher,
große Höhle, großer Forscher."

Ist unsere (Höhlen)Welt so einfach strukturiert? Dann dürfte man auf die Fränkische Alb nur selten sich sehen lassen. Aber schon bei der Frage, was denn eine "große" Höhle ist, käme man hoffentlich ins Grübeln. Läßt sich "Größe" nur mit "Länge" oder "Tiefe" beschreiben? Vielleicht auch "Hohlraumvolumen"? Oder Zahl der Tropfsteine oder Knochenvorkommen? Oder Aragonitmenge? Das Fixiertsein auf sog. "Fakten" führt in einen Dschungel aus Zahlen, Wörtern, "geraden Sätzen" (F. Hölderlin), Texten, aus denen herauszufinden ziemlich schwierig ist, wenn das überhaupt gelingt.

Wer sich auch einmal auf eine vollkommen "ausgeforschte" Höhle einlassen will, der kann ja ins gerade 13 m lange Dollesenloch einlassen. Eine Fortsetzung wird da sicherlich nicht mehr finden. Es ist bestens erkundet, beschrieben und plangezeichnet. "R.G. Spöcker 184.1931, 1: 200". In der Huber-Veröffentlichung über das Katastergebiet A ist sie gründlichst beschrieben: " Geo.: FrDo, dickbankig. DoSand. - Mo.: Druckleitung m/Fazettenbildung. Anl. a. nicht erkennbarer Kl. 85° v. N. Ellipsenprofil..." usw. Wen der volle Text interessiert, der kann ihn ja dort nachlesen.

Mein Interesse war hauptsächlich ästhetischer Natur. Das Titelbild des 7. Jahresheftes - 1966 des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. München, Band 1, schmückt ein sehr gelungenes Schwarz-Weiß-Photo des Eingangs von Fritz Huber. So etwas sieht man nur selten. In einer Felspartie, die man wirklich als "quaint" bezeichnen kann. schaut einen ein schwarzes schrägovales Nichts im unteren Teil an. Ein umgefallener dünner Baumstamm liegt davor. Kein Mensch ist auf dem Bild im Nachmittagslicht zu sehen.

Im Winter 2020 versuchte ist erstmals dorthin zu kommen. Der Weg von Funkenreuth in Richtung Maximiliansgrotte ist da ab einer bestimmten Stelle im Winter gesperrt. Ich mußte also den im Sommer befahrbaren Weg laufen. Ich hatte da eine Karte, eine Höhleneinzeichnung, eine Angabe aus dem Buch: "1600 m nw. d. OM. v. Funkenreuth, 20 m n. Grenzstein Nr. 17 d. StF.". Ich versuchte es und scheiterte. Nirgends war auch nur ein Ansätzchen einer Höhle zu finden, obwohl ich mich mühsam bis zur höchsten Anhöhe durch den Mischwald hinaufrang. Wiederkommen hieß es. 

Es wurde Mai. Die Coronalahmlegung des gesamten Erdenlebens. Fast zwei Monate Aufenthalt im Heim, das Größerwerden des Bauchumfangs verdauen, Bewegung auf Waldspaziergängen suchen. Dann ging es endlich wieder. Neulesen aller Quellen, Auch MAPS.Me war keine Hilfe, da es keine Eintragung gibt (Hoffentlich bleibt das so!). Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß man uns Menschen wirklich hilft, wenn man alle Steine auf unseren Wegen vorher beiseite räumt. Das ist nicht freundlich in Bezug auf all die "Leitfadenersteller" in unserer Gesellschaft, die ja alles schneller und sicherer und sonst etwas machen wollen, aber für ich ist das wahr. Ich glaube daran. Je mehr wir uns abmühen, etwas zu erreichen, und dann tatsächlich schaffen, eine Aufgabe zu "meistern", desto mehr freuen wir uns doch, das Ziel tatsächlich erreicht zu haben.
Ich versuchte jedenfalls Ende Mai 2020 noch einmal vormittags, das Loch zu finden, und scheiterte wieder. Ich kam noch höher hinauf in den Wald und den Kalkzug, der sich da kammartig hinzieht, aber am Ende war alles vergebens. Ich kehrte zurück zum Auto und fuhr hinunter nach Velden, um mich dort wieder in einem Gasthof mit einer Rinderroulade und einer Halben Bier  im Garten zu stärken - alles keine Selbstverständlichkeiten mehr nach dem Coronaentzug. 

Spät nachmittags versuchte ich es noch einmal. Wie heißt es doch: Die Erfolgreichen im Leben sind die, die es immer wieder schaffen, nach Niederlagen wieder aufzustehen. Nicht immer einfach, aber so ist es, immer wieder. Je genauer ich das Gelände kennenlernte, desto mehr wurden mir die diversen Linie auf der Karte klar. Da war eine Weggabelung, die ganz klar definierte, wo ich gerade war. Aha, da hatte ich es noch nicht probiert. Neben dem Weg war eine schmale Parkmöglichkeit. Von da aus probierte ich es noch einmal. Hinweise gab es keine. Ich rannte einfach hinein in der Wald. Nix Auffälliges war da, nur Bäume, Bäume, Bäume. Nirgends eine markante Felspartie. Nach oben zu konnte da nichts mehr kommen. Also probierte ich es mehr nach unten. Tatsächlich war da eine Eintiefung in der Landschaft. Felsblöcke zeigten sich, noch mehr, noch mehr. Aber kein Loch drinnen. Umgefallene Bäume zwangen zu Ausweichmanövern, Die Felspartien schienen aufzuhören, noch um einen Felsen herum. Und da, da war es. Einfach so. Unvermittelt. Eine wunderbare Höhlenöffnung. Die hatte ich gesucht und ohne Hoffnung mehr im Herzen, sie jemals noch zu finden. 

Der Besuch der Höhle war schnell beendet. Auf halber Strecke bis zum Höhlenende blockiert eine Mauer den Weg. Das Tor, das da früher einmal wohl  den Zugang nach innen einstmals verschlossen hat, ist weg - restlos. Beim Huber heißt es: "Einbau einer Betonwand mit Türrahmen hinter d. Eg. durch FA. nach 1945 zur Aufbewahrung erlegten Wildes". Ich habe den Verdacht, daß er selber nie dort gewesen ist, denn auf der Innenseite der Mauer sind Namensinschriften mit der Zahl 1939 vorhanden und über dem Türstock ist die Zahl 194? (mein Gedächtnis) eingeritzt. Innen ist alles blitzsauber, ein schöner Ort. Für den Photographen ist besonders reizvoll, daß es eine kleine Naturbrücke im oberen Teil der Raumes gibt. 

Abenteuer gibt es hier nicht zu erleben. Mich beschlich am Ende die Frage, wie so ein Hohlraum eigentlich entstanden ist. Das mit der Tröpfltheorie des Wassers von oben scheint mir nicht zu passen.

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Dann passierte etwas, was nicht passieren DARF. Aber es passiert eben, weil ich wir halt auf keiner perfekten Erdkugel leben. Da mögen manche Philosophen noch so sehr das Eine beschwört haben, damit es das Viele überhaupt gibt (Plotin), das Ideale erdacht haben, aber wo ist es? Hier jedenfalls nicht. Die schönsten Bilder aus der/einer Höhle, die ich normalerweise nie veröffentliche, waren mit einem Schlag wieder weg - weil meine Festplatte plötzlich ihren Geist aufgab, und ich die Dateien noch nicht gespeichert hatte! Doppelarbeit! Scheinbar. Es war eine tolle Gelegenheit, noch einmal den Weg zur Höhle zurückzulegen, der aber viel kürzer war, als beim ersten Male, weil ich nun wußte, wohin ich eilen sollte. Ein Wege-Knowhow gehört schon dazu, denn nirgends weis irgendetwas auf die Höhle hin. Selbst wenige Meter zuvor kann man noch Zweifel daran hegen, daß da irgend etwas ist. Und dann....da ist dieses kleine Ding. 

     
     

Literatur:

Huber, Fritz Jahreshefte für Karst- und Höhlenkunde, 8. Jahresheft - 1967, Die Höhlen des Karstgebietes A Königstein, 2. Band, München 1967

Links:

Karst und Höhlen im Wellucker Wald

Landschaft und Höhlen der Hersbrucker Schweiz


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