Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen der Teck, Schwäbische Alb


Eingang Sibyllenhöhle, 8.1.2004


Die Teck ist ein sog. "Zeugenberg", der nur noch durch einen schmalen Grat mit der Hochfläche der Schwäbischen Alb verbunden ist. Er erhebt sich oberhalb von Kirchheim und sein höchster Punkt wird mit 775 m angegeben. Der Bergkamm setzt sich südwärts mit dem Gelben Felsen fort, der 771 m hoch ist.

Auf dem Gipfel trifft man heute die die restaurierten Reste einer Burg, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, die ihrerseits wohl auf den Resten einer Hallstattsiedlung stand, die aus der Zeit von 800-400 v. Chr. stammt. Vom Burgturm hat man einen grandiosen Ausblick, insbesondere auf den Nordrand der Schwäbischen Alb.

In dem Kalkklotz, auf dem die Burg steht befinden sich mehrere Höhlen. Die bekannteste ist zweifellos die Sibyllenhöhle. Ein Schild weist jeden Besucher der Burg bereits darauf hin. Ein mit Treppen und Geländer versehener Steig führt hin. Ein Portal von etwa 5 Metern Breite und 8 Metern Höhe ist unübersehbar. 10 Meter tief ist die Eingangshalle, von der aus man einen prachtvollen Blick auf die Landschaft draußen hat. Eine torartige Öffnung vermittelt den Weiterweg in einen glatt korrodierten Gang, in dem es oft reichlich tropft und am Boden Steinschutt und nassen Lehm aufweist. Am Ende geht es nur noch in einem niedrigen ansteigenden Gängchen nach oben, bis auch dieses von Schutt und Humus verstopft ist. Dicke Wurzeln deuten darauf hin, daß sich da ein Baum von oben her sein Lebensreich erschließt. Nur noch 7 m von diesem Endpunkt ist das Ende der Sibyllen-Gegenhöhle, die von der anderen Seite des Felsklotzes in den Berg führt. Jeder, der auf dem Hauptweg zur Teck raufgeht, kommt am vermauerten und verschlossenen Eingang vorbei. Schaut man dort auf den Höhlenboden, dann kann man leicht sehen, daß viele diesen Ort nur noch zur bequemen Entsorgung ihrer Abfälle verwenden.

Diese Höhle wurde in den Sagen zum Wohnort einer weisen Frau, der Sibylle. Es gibt mehrere Geschichten, die um sie kreisen. Eine davon betrifft unser aller Zukunft. Bei Köln breche eines Tages ein Krieg aus, wobei die Deutschen unterliegen würden, "denn auch der Türke wird hier gegen uns streiten. Da würden die Männer im Lande so selten, daß sieben Weiber um einen Krüppel, den sie alle gerne zum Ehemann haben möchten, sich schlagen werden." Eine Ort gäbe es, wo man sicher wäre. Drei Stund um Teck rum sei das. Gut zu wissen, wo man sich im Gefahrenfalle hinbegeben sollte.
Eine andere Geschichte berichtet davon, die "mildtätige Sibylle" habe dort in einem "Höhlenpalast inmitten von Gold und Edelsteinen" gelebt und habe den Einwohnern geholfen. Ihre Kinder seien leider mißraten gewesen, drei Söhne, die herumgezogen seien und geraubt und geplündert hätten. Die Mutter habe sich dann so geschämt, daß sie "mit einem goldenen Wagen, gezogen von riesigen Wildkatzen", geflohen und in den Lüften verschwunden sei - keine erzieherische Erfolgsgeschichte, eher ein edukatorischer Offenbarungseid.
Von unterirdischen Verbindungen zwischen der Sibyllenhöhle und der Umgebung ist die Rede. Eine Ente sei mal unterirdisch bis Gutenberg gelaufen. Ein Gang existiere bis zur Stadtpfarrei von Owen. In der Nähe der Höhle hätten die Hexen getanzt, besonders in den Adventsnächten.

Der zweite bedeutende Höhlenkomplex liegt beim Gelben Felsen. Von dieser Stelle aus hat man einen ***-Blick auf das Lenninger Tal und die Erkenbrechtsweiler Halbinsel. Eine kleine Naturbrücke erheischt die Aufmerksamkeit. Am Weg dorthin öffnet sich im Erdboden ein Schachtloch. Dies ist der Eingang ins altbekannte Verena-Beutlins-Loch. Nach einem 4-Meter-Absteig kommt man in einen geräumigen Raum, der eine Fortsetzung in einem niedrigen Gang hat, der schließlich im Verbruch endet. Genau 7 m tiefer endet der Domraum der Veronikahöhle, die direkt darunter liegt. Aus der Sicht eines Anthropospeläologen ist besonders die Geschichte dieser Höhle erwähnenswert. Verena Beutlin scheint eine nicht alltägliche Frau gewesen zu sein, die, als Hexe verdächtigt und verurteilt, ihr Leben auf dem Scheiterhaufen beendete. Was warf man ihr vor? Sie sei die Geliebte eines verheirateten Mannes gewesen, mit dem sie zwei Kinder hatte. Ihr Leben verbrachte sie nicht in herrschaftlichen Gemäuern. Sie lebte wohl in dieser Höhle. So will es jedenfalls die Überlieferung. Wenn sie ein rotes Tüchlein am Höhleneingang flattern ließ, dann kam der Mann herauf "und brachte Lebensmittel". Euphemismus pur. Als er mal nicht kam im Winter, da hätten sich die Buben nach Owen getraut, und um Almosen gebettelt. Von ihrem Wohnort hätten sie kein Geheimnis gemacht. Folge sei dann gewesen, daß "die Leute" hinaufgegangen seien, das schlimme Weib heruntergeholt hätten und ihr dann gescheit den Prozeß gemacht hätten. War dann die christlich-bürgerliche Welt wieder in Ordnung?

 

Ein ausgebauter Steig führt in Zick-Zack-Kurven den steilen Hang hinunter und dann hangparellel zur Höhleneingang der Veronikahöhle. Dabei kommt man dann gleich am Gelber Felsen Abri, 7422/85 vorbei. Der Eingang zur Veronikahöhle, in den "verschwammten Kimmeridge-Kalken" gelegen, ist unübersehbar. Es schließt sich ein Kluftgang an, der in den Domraum mündet und 11 m aufwärts führt. Die Höhle, zusammen mit den anderen der Umgebung dürften der letzte Rest eines ehemals wohl viel größeren Systems sein, das durch die Entwicklung des Lenninger Tales und dem Rückschreiten des Albtraufs allmählich zerstört wurde.

Bekannt waren diese Höhlen wohl schon immer. Die erste schriftliche Erwähnung, die uns heute noch zugänglich ist, stammt von Crusius aus dem Jahre 1596.

Am 8.1.2004 war ich mal wieder dort, diesmal mit Willi Adelung. Es waren erwartungsgemäß und erfreulicherweise nur wenige Leute unterwegs. Was noch in keiner Beschreibung der Höhlen steht, das sind die "Malereien", die wir in der Veronikahöhle fanden. Da hat sich jemand tatkräftig ausgelassen. Ich will hier keinen Kunstkritiker spielen, wie andere, die sofort von "Schmierereien" sprechen und schreiben. Vielleicht bringen wir Zeitgenossen einfach nichts Besseres mehr zusammen - oder möchten wir uns mit etwa mit Künstler vom Lascaux- oder Chauvetformat messen? Wer sagt, daß alles immer nur "besser" wird? Da müssen doch alle Fortschrittstheoretiker ins Schleudern kommen, die alles nur auf die Basis "naturwissenschaftlicher Erkenntnis" gründen wollen. Vielleicht würde es heute "schneller" gehen, diese Wände mit Farbe vollzusprühen, vielleicht hätten wir inzwischen auch schon eine Supertechnologie, alle Farbspuren bis in den Nanobereich auch wieder lückenlos zu entfernen, und vielleicht würde das jemand auch zu einem, wirtschaftlich gesehen, supergünstigen Preis schaffen, sind wir wirklich "weiter" als unsere Vorfahren?

Bild zum und vom Gelben Felsen
Teckberghöhle
7422/81
Verena-Beutlins-Loch
7422/18
 
Sibyllengegenhöhle
7422/17
Burg Teck

Blick Richtung Südosten

Sibyllenhöhle
7422/10
 
 
 
   
Eingang Veronikahöhle
7422/03
Zeitgenössische "Kunst"
 


 

 


Literatur:

 

Bronner, Gerhard, Jantschke, Herbert

Höhlen am Nordrand der Schwäbischen Alb - Höhlen im Lenninger Tal (Kartenblätter 7422 und 7423), Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr. 23, 3-98, Stuttgart, August 1981
Winter, Ulrich Höhlen in Bergspornen, Laichinger Höhlenfreund 31 - Laichingen 1996, S. 53-58
Gussmann, Ulrich Der Schwäbische Höhlenverein (1889-1909), die erste höhlenkundliche Vereinigung in Schwaben, in: S. 369ff.
Fraas, Eberhard Die Sibyllenhöhle auf der Teck bei Kirchheim. Mitteilungen aus dem Kgl.Naturalien-Kabinet zu Stuttgart, Nr. 10, Berlin 1899
Groschopf, Dr. Paul (Schriftleiter) Vom Wasser und von den Höhlen der mittleren Schwäbischen Alb (östlicher Teil), Jahreshefte für Karst- und Höhlenkunde des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. München 1963
Lindenmayr, Franz Höhlensagen aus Deutschland, in: Rosendahl, Wilfried, Krause, Elmar-Björn, Herausgeber, Im Reich der Dunkelheit, Edition Archaea, Gelsenkirchen/Schwelm 1996, S. 134ff.
ohne Verfasserangabe Magische Orte: Burg Teck, Albtrauf - Berg der sagenhaften Frauen, in: SERVUS 12/2015, S. 10
Rathgeber, Thomas, Lehmkuhl, Achim Sibyllenhöhle auf der Teck, Rosendahl, W., ua, Cave-Bear-Researches/Höhlen-Bären-Forschungen.-Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, Heft 34: 100:106; München 2002

Links:

http://www.kirchheim-teck.de/

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