Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Mordloch bei Eybach, Schwäbische Alb


Montag, 10.12.2002, 8 Uhr früh. Die Sonne ist noch lange nicht aufgegangen, eisig kalt ist es. Ein roter Passat zweigt von der von Eybach herführenden Asphaltpiste ab und hält bei einem Grillplatz mit großen verkohlten Holzresten in einem Betonring. Eine Informationstafel gleich daneben läßt keine Frage unbeantwortet und mit einem aktuellen Höhlenplan bekommt man gleich einen Eindruck von dem komplexen Höhlensystem, das da hinten am Hangrand, am Ende des kurzen Trockenbachbettes anfängt. Sofort haben sich kleine Eisfiguren gebildet, nachdem in der Nacht auf einmal die Temperaturen auf minus 10° Celsius abgefallen sind, und die im Scheine der Autonotleuchte erst richtig zur Geltung kommen. Ein Efeustrang hängt genau über dem Eingang herunter und gibt Gelegenheit zu einem ungewöhnlichen Höhlenfoto. Der Höhlenboden ist furztrocken. Links ist ein fast unleserliches Hinweisschild, überall hängen dicke Spinnen herum, ich gehe ein paar Meter hinein. Schon beginnt das Wasser, erst nur zentimetertief, dann bräuchte man schon Gummistiefel, meine Cameltreter eignen sich da nicht mehr so gut, will man trockene Füße behalten. Wie eine Klamm zieht sich der Gang aufrecht begehbar bergwärts.

Erinnerungen stiegen auf, an die erste Tour, ganz allein, die Familie draußen wartend, an die Filmarbeiten mit dem Bayerischen Fernsehen zu einer Sendung im "Freizeitmagazin". Wie hatten wir doch damals gefroren, selbst in unseren Neoprenanzügen, weil die Fernsehleute so lange brauchten und alles drei- und vielmal aufnehmen wollten, und die tolle Rutschtour durch das Kanalrohr am Eingang unter dem Wirtschaftsweg durch am Eingang, weil wir damals Hochwasser gehabt hatten und sich ein starker Bach schon aus dem Eingang ergoß, der so ein Extraabenteuer ermöglichte...

Ich hatte eigentlich erwartet, daß es hier absolut still sei, aber das war nicht der Fall. Ein sehr schönes Geräusch gab es da, klang wie ein Lied, das die reine "Natur" komponiert hatte. Ein kräftiger Wasserstrahl kam ständig aus der Decke und traf auf die stehende Wasserfläche. Es sprudelte, gurgelte, säuselte, ein Dichter möcht ich sein, um das treffend lautmalerisch wiedergeben zu können. Hörsinn und Höhle, ein trefflicher Beitrag dazu.

Der Eingang mit dem Trockenbachbett
Die klammartige Strecke nach dem Eingang
Eine Wandstruktur mit kleinem Fleck
Der vergrößerte Fleck - eine Spinne
Leopardenmuster an der Höhlenwand

Das Efeublatt im Eingang

 

Sonntag, 30. März 2003

Nur ein paar Autos parken auf dem Gelände vor der Höhle. Viele Spaziergänger sind unterwegs. Eine Frau wartet vor der fest installierten Grillstelle auf ihren Begleiter, der im Wald Holz sucht, um ein Feuerchen dort in Gang zu bringen. Domestizierte Urtriebe. Ist das noch "Natur" hier? Eine Notrufsäule an der Straße, Grillstelle, Informationstafel, Parkflächen. "Natur" ist sicherlich, daß vor dem Eingang noch kein Gitter das Eindringen verwehrt, wie leider an so vielen anderen Höhleneingängen inzwischen. Das erledigt die "Natur" schon von selber. Je nach Empfindlichkeitsgrad dreht der eine schon da um, wo es keinen gebahnten Weg mehr gibt, der nächste dreht um, sobald es dunkel wird, der übernächste, da wo das Wasser angeht und seine Schühlein feucht werden könnten. Selbst wenn man Gummistiefel anhat, dann ist für so manchen die Grenze da erreicht, wo es so tief wird, daß es von oben in den Stiefel rinnen könnte, wen auch das nicht zurückhält, der läßt das klare Wasser auch den Oberschenkel hoch kommen, der bückt sich dann auch unter die herunter kommende Höhlendecke, findet damit noch einen zusätzlichen Halt von oben, falls er recht unebene Felsboden unter Wasser einen gerade wieder leicht ins Schwanken bringt. Dann kommt die absolute Grenze für die meisten Menschen. Die Decke senkt sich unter den Wasserspiegel, ein Siphon ist erreicht. Hier müßte man schon tauchen, eintauchen in das kalte Nass. Für gar nicht so wenige ist das heute auch kein Hindernis mehr. Sie kommen im Neopren und mit Tauchflaschen und meistern auch diese Stelle in Nullkommanichts. Kilometerlange Felsengänge öffnen sich dahinter.

Mit 4320 m Gesamtlänge zählt das Mordloch zu den allerlängsten Höhlen der Schwäbischen Alb. Sie erstreckt sich unter die sog. Treffelhausener Berghalbinsel hinein. Sie ist eine der typischen Wasserhöhlen mit offenen Fließgewässern.

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Sogar ein Krimi trägt schon als Titel "Mordloch". Ein Mann mit einem schwarzen Mercedes-Kombi biegt von der schmalen Kreisstraße nächtens auf einen Forstweg ab, hält, schaltet das Licht aus, öffnet die Heckklappe und "zerrt die verdammt schwere Leiche heraus". Sein Ziel ist es, sie in die Höhle zu schaffen und im Endsee zu versenken. "Erst als ihm das eiskalte Wasser bis zu den Schenkeln stand, ließ er den Toten los, drückte ihn mit den Füßen energisch hinab, was dumpfe gurgelnde Geräusche verursachte. Dann zwängte er sich in der Enge des Ganges an der Leiche vorbei, um zum Ausgang zurückzukehren." Es ist wohl keine gute Idee, die Leiche dorthin zu bringen. Kurze Zeit  darauf entdeckt sie ein Familienvater mit seinen beiden Kindern beim Abenteuerausflug in die Höhle. "Polizeitaucher aus Stuttgart" holen die Leiche aus dem Loch und los geht die Suche nach dem Täter in der 373 Seiten langen Kriminalgeschichte mit Kommissar Häberle. Danach spielt die Höhle keine Rolle mehr. Ich habe nur die letzten 100 Seiten gelesen, was auch genug war, um mitzubekommen, wer der Täter war.


Literatur:

Albrecht, Rolf Höhlen, Felsen und Ruinen, Verlag E.+S. Fleischmann, Esslingen 1980
Binder, Hans Höhlenführer Schwäbische Alb, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen 1977
Bomm, Manfred Mordloch - Ein Schwaben-Krimi, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2005
Müller, Ralph Die Rettungsaktion im Mordloch bei Eybach im Februar 1977, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr. 14, S. 3-18, Stuttgart 1977
ohne Verfasserangabe Wasserhöhlen an der Treffelhausener Berghalbinsel, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland 34-1990, S. 3ff
Ufrecht, Wolfgang Vier Höhlenforscher im Mordloch eingeschlossen, in: Vereinmitteilungen Landesverein für Höhlenkunde Salzburg 2-1977, 12-14

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