Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen um Baume-les-Messieurs, Jura, F


Die französische Sprache kennt den Ausdruck "bout du monde" genauso wie wir in der deutschen Sprache. Dort kann er aber viel öfters als bei uns einen Ort bezeichnen, wo dahinter nicht mehr horizontal weitergeht, allenfalls noch senkrechte Felswände nach oben. So ein klassisches Weltende kann jeder am Westrand des französischen Juras bei einem Ort namens "Baume-les-Messieurs" besuchen. Die Lage ist einmalig und glücklicherweise haben die modernen Zeiten dort erst zugeschlagen, wo das Tal wieder zu Ende ist. Wenn man sich etwa von Lons-le-Saunier dorthin bewegt, dann geht es erst einmal durch den uns allerseits bestens bekannten Salat aus Industriegebiet, Wohnvierteln und Straßenschneisen. Und dann hört es auf einmal auf, beginnt die enge gelungene Symbiose von Natur und Kultur.

200 Einwohner leben im Talkessel auf einer Fläche, so erfahren wir aus dem Internet, von 1.309 ha und befinden uns durchschnittlich auf 330 m ü. M.. 909 wurde im Talgrund die Benediktinerabtei Saint-Pierre gegründet, die eine noch ältere Gründung des irischen Mönchs Columban ersetzte, der schon im 6. Jahrhundert dort aufgetaucht sei. Im Namen der Klostersiedlung, Baume-les-Moines, also Höhle der Mönche, hatte sich schon die auffälligste Karst- und Höhlenerscheinung niedergeschlagen, der Eingang in die Quelle des heute Dard heißenden Bächleins, Bachs, bei Hochwasser wohl auch mehr.

Fährt man durch den kleinen Ort, der nichts an Pittoreskheit zu wünschen läßt, und der sich zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählt, und noch ein wenig weiter, der kommt zuerst zu nicht zu übersehenden Wasserfällen. Sie kommen über hohe Tuffkaskaden herunter und wer sich darauf einläßt, der kann eine kleine Tuffhöhle nach der andern dort besuchen. Eine davon war wohl richtig mal gut erschlossen, denn es finden sich noch heute stufenförmige Erschließungsarbeiten darin.

Man kann noch ein wenig näher an die Felswand hinfahren, aber dann ist endgültig Schluß. Vorbei am Haus der Schauhöhlenverwaltung kann man immer bis zum Höhleneingang wandern. Die spektakulär gewundene Stahlkonstruktion hinauf zum eigentlichen Eingang ist unten abgesperrt mit einem metallenen Zaun. Das Erlebnis des aus der Wand schießenden Höhlenbaches kann man nur dann haben, wenn die Natur mitmacht. Meist fließt das Wasser aus einer kaum merkbaren Spalten zwischen den Kalkschichten unten heraus. So etwas bringt heute keine Aufmerksamkeitspunkte mehr.

Leider war auch bei meinem zweiten Besuch der Höhle im Frühjahr 2009 die Höhle schon verschlossen. So muß ich mich im folgenden auf die Aussagen anderen stützen.

Seit langem schon wird die Länge der Höhle mit 2.303 Metern angegeben. Der Höhenunterschied soll bei rund 50 Metern liegen. Wann wurde die Höhle erstmals befahren? Da gibt es 2 verschiedene schriftlich festgehaltene Zahlen (ein schönes Beispiel dafür, daß man nichts Schriftliches wirklich für "endgültig" aussagekräftig halten sollte). In Pierre Minvielles Buch über die französischen Höhlen heißt es "1610" und bei Jean-Claude Frachons Beitrag über die bedeutendsten Höhlen Frankreichs, für jeden lesbar, "1810". Was ist nun "wahr"? Für den einfachen Leser stimmt wohl die Zahl, die er vor sich hat, für den Kreuz-und-Quer-Leser entsteht schon wieder der Zustand, der wir ja alle aus 1001en anderen Ecken auch kennen - Unsicherheit, Vorsicht, Skepsis. Wieder einmal ist hier ein zitierfähiges Beispiel für eine Welt, die sich so gerne heute auf Zahlen und Buchstaben verläßt und den schlammigen Boden unter ihren Füßen verliert, vermeidet, zubetoniert, lieber abhebt und in den Weltraum davonfliegt.

Wer mehr über die Höhle erfahren möchte, der soll doch den Text auf der showcaves.com-Seite lesen. Der ist zwar in einer fremden Sprache gehalten, in einer Sprache, deren Ursprungsland noch vor, von heute aus gesehen, 65 Jahren noch massivst von Deutschland aus bebombt wurde, aber deren Kenntnis heute praktisch unverzichtbar ist. Da kommen spannende Wörter vor. Zwei Beispiele: "dolly tubs" und "athwart" im Zusammenhang mit "main passage": Viel Vergnügen beim Herausfinden, was das heißen soll. Die beste Lösung ist eine Reise dorthin! Es lohnt sich.

 
 
 
 
   
 
 
 
 
 
 

Literatur:

Minvielle, Pierre Guide de la France Souterraine, Les Guides Noirs, Tchou, èditeur, 1970, S. 403ff.
Librairie Larousse Gorges & gouffres, 1977

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