Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Sauvas-Cocalière-System / F

- ein Paradies für Höhlenfotographen


Für "Höhlenforscher" ist die Cocaliere heute ziemlich ungeeignet. Dafür ist das Höhlensystem zu leicht zugänglich und schon ziemlich gut erforscht. Seit Urzeiten sind die wichtigsten Eingänge schon bekannt. Man braucht schließlich nur einem Bachlauf zu folgen, und dort, wo er von der Erdoberfläche in den Untergrund wechselt, ist der Eingang - die Goule de Sauvas. Wer Durst hat, der folgt dem Wasser, auch den trockenen Wasserläufen, und kommt zu den Quellen. Dort findet er das Wasser, manchmal. Manchmal zieht es sich tief zurück, dann muß man tief in die frei gewordenen Gänge und Stollen eindringen, ehe man es findet. Dann sind da einfach spiegelnd blaue Flächen an der Erdoberfläche, irisierend glänzend und in die "Tiefe" weisend. Und dann sind da auch manchmal wilde Ströme von Wasser, die schier keinen Platz mehr unter der dünnen Decke der Oberfläche unseres Planeten finden und hinaus drängen, richtig hörbar wirds da, furchteinflößend, mitreißend, manchmal gar "knallend".

Geht man durch diese Landschaft, dann kann man sich auch selbst fragen, wer man eigentlich ist. Ein "Wasserschlucker", ein "unterirdischer Flußlauf" oder eine "Quelle". Nimmt man gerade auf, leitet man das weiter, was da auf einen eindringt, oder gibt man gerade "ab"

Die Oberfläche  
Die Eingänge in die Unterwelt
Die Unterseite
goule de Sauvas
Peyrechal
Cotepatiere Cocaliere
Solocavephotography Franz Lindenmayr September 2018

Wovon gerade die Rede ist, ist das Gebiet um "Cocalière". Es liegt im Grenzgebiet der Departements Ardèche und Gard. Erreichbar ist es über die N 104 über Privas - Aubenas - St. Paul-le-Jeune oder auf der N 101 von der Ardèche her über Barjac und St. Sauveur-de Cruzières. Ein Blick aus dem Satelliten würde ein geneigtes ovales Becken zeigen, das in Richtung St. Sauveur einen Ausgang hat. Bei Chadouillet hat die Claysse ihren aus drei Armen kommenden Ursprung. Nur bei sehr großen Niederschlagsmengen sind auch die beiden Seitenarme aktiv - der Rieusset und der Carle. Die Claysee hat dabei schon einen unterirdischen Weg hinter sich, denn ursprünglich stammt sie aus dem Gebiet von St. Paul-le-Jeune, fließt für kurze Zeit an der Oberfläche in einem Bachtälchen und versickert dann. Nur bei Hochwasser erreicht sie das mächtige Portal der Goule de Sauvas. Passiert das, dann erlebt man auch da, wie "groß" und "mächtig" doch die "Natur" ist, wenn sie "losgelassen" ist. Dann sind wir Menschen nur noch kleine Würmchen dagegen. Man muß nur an die Decke schauen und kann dort gelegentlich dicke Baumstämme dort eingeklemmt sehen, die einfach mitgerissen wurden. Für uns wäre diese Höhle in diesem Zustand ein Fleischwolf.
Zwei Kilometer später tritt das Wasser wieder zu Tage. Laut Klingenfuß in der Event de Peyrechal. Dazu kommt dann das Wasser aus den Quellen und Höhlen der Umgebung und bildet nun endgültig die Claysse, die schließlich in die Cèze mündet.

Für das breite Publikum ist ein Teil des gesamten Systems seit 1967 als Schauhöhle erschlossen. Man durchschreitet horizonale Gangstrecken mit schönem Sinterschmuck, kommt bis in eine Halle, die zwei erleuchtete Zelte birgt, und die an die Höhlenforscheranstrengungen früherer Tage erinnern soll, und verläßt den Untergrund dann an einer Stelle, so es ehemals in einer Grotte eine Beerdingung gegeben hat, im Neolithikum. Damit der zahlende Besucher sich nicht zu sehr anstrengen muß, steht am Ausgang ein als eine Lokomotive verkleideter Traktor bereit, der alle zurück zum Parkplatz in kleinen Wägelchen zieht. Sehr lohnend ist der Spaziergang durch die Karstlandschaft in der Umgebung der Schauhöhle, aber die Mühe macht sich schon fast niemand mehr. Schließlich wartet ja irgendwo schon wieder die nächste große "Attraktion". Dabei haben wir es hier mit einem sehr die Sinne anregenden Gelände zu tun, Felstürme ragen da plötzlich auf, Dolmen, also uralte Gräber gibt es da, Capitelle, aus Steinen aufgeschichtete Unterstandshütten der Schäfer und Bauern, Steineichen, Pistazienbäume und Wacholder gibt es, der Buchsbaum wächst und verströmt seinen Duft, auch kleine Haine mit Oliven-, Feigen- und Maulbeerbäumen. Und ein paar Kastanienbäume, gelegentlich.

Und dann gibt es da noch ein paar wilde Höhlen... Eine davon war für einige Zeit viel leichter zu erreichen, als jetzt. Da stand eine Eisenleiter im Eingang und erleichterte den Einstieg in das ovale Eingangsportal. Wer mal dort oben war, der hatte es leicht. Nur noch horizonal ging es nun dahin, paßte am Grund den großen Schacht und ging einfach auf der anderen Seite wieder weiter. Schier endlos auf kiesigem Boden. Gelegentlich mußte man sich mal bücken, vielleicht mal kurz kriechen, aber dann nahm der Gang gleich wieder angenehme Dimensionen an, nicht riesig, sondern gerade so, daß man gut einen Kilometer einfach dahinschlendern konnte. Dann kamen die ersten Wasserbecken, der erste Schlamm, dann drehte man einfach wieder um, wollte man nur "armchair caving" machen....

Bekannt war das Gebiet sicherlich schon seit Anbeginn. Vor allem aus dem Neolithikum hat man ansehnliche Funde gemacht, wurden sie doch zu Wohnzwecken als auch zur Beerdigung von Menchen und Tieren verwendet. Auch Wasser wurde aus den Höhlen geholt, z.B. in dem man einfach Töpfe aufstellte, in denen sich das Tropfwasser sammelte. Vereinzelt wurde solche Auffangbehälter noch in situ gefunden.

Später hat man die Toten eher in Tumulis oder Dolmen an der Oberfläche beigesetzt, was auch gleich in dieser Region geschah. Die Römer scheinen das Land auch genutzt zu haben, Mäuerchen wurden gebaut und das Land parzelliert. Von der Nutzung des Gebiets im Mittelalter zeugen verschiedene Tonscherbenfunde und die Neunutzung der Tumulis für gestorbene Pilger, die auf dem Jakobsweg eigentlich nach Santiago-de-Compostella hatten wollen. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert ging es wirtschaftlich aufwärts in diesem Gebiet, der Anbau von Wein, Oliven und Maulbeerbäumen scheint erfolgreich gewesen zu sein. Auch die produzierte Seide ließ sich zu guten Preisen verwerten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Niedergang. Die Rebstöcke wurden von einem Pilz zerstört, Eisen- und Kohlebergwerke wurden errichtet und verfielen wieder.

Nach Ende des 1. Weltkriegs, der vieles auch dort grundlegend verändert hatte, wurde eine kleine Höhle gleich in der Nähe der heutigen Schauhöhle für einen ausgefallenen kriminellen Zweck verwendet: das illegale Herstellen von Zündhölzern, weshalb dieses Loch noch heute "Grotte des Allumettaires" heißt. Den Phosphor soll man noch heute an einigen Tropfsteinen sehen.

Während des zweiten Weltkriegs dienten die Höhlen einem Zweck, dem sie überall auf der Welt gerne dienen: dem Versteck von Partisanen.

Ein bißchen etwas zur Forschungsgeschichte:

1850 hat sich erstmals der Naturforscher Jules de Malbos mit der Höhle beschäftigt, ist in sie ein Stückchen eingedrungen und hat uns Aufzeichnungen über seinen Besuch hinterlassen. "Höhlenforscher" konnte er sich noch nicht nennen, denn der Begriff war noch nicht einmal geprägt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam erstmals der Cousin von Eduard Martel, Gaupillat, in die Höhle und kam bis zu dem See, der noch heute seinen Namen trägt, zwei Kilometer vom Eingang entfernt. Nach dem Besuch von Robert de Joly im Jahre 1937 maß die Höhle 4 km. Erst im Jahre 1948 ging es dann wieder weiter mit einer Gruppe junger Leute, die sich vor allem der Cocalière widmeten und 1950 die Société de Spéléologie et Préhistoire Gard-Ardèche schufen. Die bildete dann die Kernzelle, die die weiteren Forschungen vorantrieb....

Literatur:

Bouquet, C., Marti, A. COCALIÈRE _ PREMIÈRE GROTTE DE FRANCE, Imp. SODEDIM, Marseille
Courbon, Paul, Chabert, Claude Atlas des Grandes Cavités Mondiales, 1986
Darne, Fabien, Tordjman, Patrice à travers le karst - 60 traversées spéléologiques francaises, Lyon 1991
Klingenfuß, Bruno GUIDE-SPÉLÉO RÉSEAU COCALIÈRE, Part 1, Höhlenpost Nr. 37-April 1975
Minvielle, Pierre Grottes et Canyons, Denoel, Paris 1977

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