Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Grotta Grande del Vento / Frasassi
und Höhlen in der Umgebung, Marken, I


Grotta del Vernino

Grotta Mezzogiorno-Frasassi


In dem 1970 erschienenen gründlichen Buch über die Schauhöhlen von Italien "Le Grotte d'Italia" ist noch keine Zeile davon zu lesen, daß es in den Hängen der "Gola di Frasassi" die heute meist besuchte Schauhöhle Italiens gäbe. 400.000 Besucher pro Jahr sollen es heute sein.

Der entscheidende Moment für den Vorstoß in die "Grotta Grande del Vento" passierte nämlich erst am 25. September 1971 durch Rolando Silvestri von der GS Marchigano CAI di Ancona. Ein kleiner bewetterter Eingang wurde im Nordhang des monte Vallemmontagnana entdeckt, aufgebuddelt und weitere kurze Fortsetzungen erforscht. Dann öffnete sich ein Loch vor ihnen, das ins schier Bodenlose abbrach. Ein hinuntergeworfener Stein fiel um die 100 Meter! Der "Abisso Ancona" wurde mittels Einseiltechnik erstmals erkundet. Unten taten sich Räume von atemberaubender Schönheit auf.
Im selben Talhang gibt es eine weitere Höhle, deren Eingang schon am 28. Juni 1948 von drei Mitgliedern des GS marchigiano di Ancona entdeckt worden war, die Grotta del Fiume. 1966 wurden dort weitere Entdeckungen gemacht, 1971 noch welche. Man hatte sich durch sehr enge Engstellen gequetscht (eine trägt den vielsagenden Namen "Strettoia del tarlo". Tarlo ist der Holzwurm!) und war tiefer in den Berg eingedrungen. Die Frage des Zusammenschlusses der beiden Höhlen konnte nach heftigen Anstrengungen gelöst werden, in dem man immer dem starken Luftzug nach die Hindernisse beseitigte und schließlich auch auf diesem Wege in die wunderbare Unterwelt gelangen konnte, was am 8. Dezember 1971 passierte.
Ende 1972 bildete sich das "Consorzio Frasassi", um den Schutz der Höhle sicherzustellen und sie für die Gemeinde nutzbar zu machen. Gesellschafter waren die Commune di Genga und die Provinz Ancona. Ein 200 m langer Tunnel wurde gesprengt, damit der große Saal in der Grotta del Vento leichter zugänglich wurde. 600 m der Höhle wurden für den Touristenbesuch mit Wegen versehen. Die Eröffnung als Schauhöhle passierte am 1. September 1974.

Was da zu sehen ist, das hat mal eine Journalistin in der Süddeutschen Zeitung so geschildert: "Der Kältepol einer sommerlichen Reise durch die Marken ist bestimmt festzulegen: Er befindet sich in der unterirdischen Wunderwelt der Grotten von Frasassi, wo eine Schar junger Bergbaustudenten dei Besucher in Italienisch, Englisch oder Französisch (noch nicht auf Deutsch) auf schmalen Stegen zum Kristallsee und zum "Schloß", zum Obelisk und zur Kaskade führen" - bizarre, zauberische Gebilde aus Stalaktiten und Stalagmiten, geheimnisvoll, aber nicht kitschig angestrahlt. Die Halle 1 der erst seit wenigen Jahren dem Publikum zugänglichen Tropfsteinhöhlen von Frasassi gilt mit über 200 Meter Höhe als die größte in Europa, die Riesenstalagmiten sind bis zu 20 Meter hoch."

Seit Urzeiten sind die Menschen auf der Suche nach irgend etwas "Objektivem". Sie möchten gerne unabhängig werden von allem "Subjektiven". Dazu wurde ja auch die "Wissenschaft" erfunden. Angeblich gibt es ja so etwas wie ein vom Einzelnen Unabhängiges. Gibt es das wirklich? Das ist alles andere als "Theorie", denn gar nicht selten "Schreckliche Praxis". Ganze Berufsstände erleben das, aber deswegen gibt es sie ja. Ärzte, ....., Lehrer. Da könnte ich einiges erzählen. An einem ganz kleinen Beispiel sei hier gezeigt, wie unterschiedlich in Wirklichkeit alles .... / was ist.

Toni Müller, Höhlenforscherurgestein aus Oberbayern, hatte das große Glück, diese wunderbare Höhle noch fast völlig im Urzustand kennenlernen zu können. Über Weihnachten 1972 war das. Eigenhändig in die Riesenhalle abseilen zu ? "Steine fielen frei ca 11 Sekunden - und kurz darauf ein Schleifsack von Jörg - noch länger!"... Tonis Bericht ist first hand-Stil. Mit nichts vergleichbar. Als er dann 16 Jahr später wieder die Höhle durch den später errichteten Tunnel betritt, da beschreibt er das so: "Ein künstlicher Stollen mit drei Stahl-Türen schneidet die große Halle 'Abisso Ancona' (Abgrund Ancona), nahe der Basis an. Die Führungs-Wege sind betoniert und teils 'schwebend' etwas über den unregelmäßigen Boden angehoben..." Tonis Beschreibung ist ein einmaliges Dokument, wie jemand, der einen Teil der Erde erlebt hat, der in der englischen Sprache gerne mit "virgin" bezeichnet wird ( auf deutsch ist das für mein Dafürhalten nicht wirklich wiederzugeben, aber ich lasse mich durchaus eines Besseren belehren), es beschreibt, wenn er sie erschlossen wieder sieht.
Mich hat besonders die Stollenpassage berührt. Was mal nur dadurch zugänglich war, daß man sich traute, etwas zu tun, was normalerweise alle verweigern (kommt mir das nicht bekannt vor.... Wer geht schon gerne in einen Krieg und läßt sich "verheizen" - für Vaterland, Mutterland, Heimatland..Wehrpflicht..), "..eine Erweiterung. Terasse. Dann n i c h t s mehr! Nur noch tiefste Schwärze! Ein Riesen-Abgrund teilt den Boden..." Und dann geht jemand aus freiem? Antrieb (ich hab von gar nicht so wenigen Frauen gehört, daß sie ihrem "Mann" gefolgt sind) hin und legt sein Seil in den Petzl. Bodenlos..
Wenn man dann von unten einfach reinkann, dann verschieben sich die Perspektiven. Stephan Glaser hat das ganze Erlebnis einer Frasassitour sehr treffend beschrieben. Hier beschränke ich mich auf das "Tunnelerlebnis": " Vor der riesigen Stahltür wartet auch noch die Gruppe, die einige Minuten vor uns dran ist. Endlich ist unsere Zeit gekommen. Auf einen Knopfdruck des Führers hin weicht die Stahltür zur Seite. Hinter uns schließt sie sich wieder mit dumpfen Knirschen. Nach 200 m in einem 8 m breiten und 4 m hohen Stollen folgt die zweite Stahltür. Nach weiteren 200 m folgt die gleiche Zeremonie zum dritten mal. Das Ganze wirkt wie eine Mischung von Atombunker und Metropolis.
Aber nun haben wir die Höhle ja endlich erreicht..."
Es gibt keine "Objektivität"! Let's get....

Im Juni 2007 war ich zum dritten Male dort. Die Tourismusstruktur steht. Wer in die Höhle will, der muß sich schon mit dem Bus zum Eingang fahren lassen, oder gut einen Kilometer zu Fuß vom Großparkplatz zurücklegen. Da kommt er dann auf an dem Skulpurenpfad vorbei, der mit einigen modernen Kunstwerken bestückt ist, auch ein Lochstein ist dabei! Und er passiert das kleine Thermalbad von San Vittore, wo sich auch eine der ältesten romanischen Kirchen der Marken befindet, eine gut erhaltende mittelalterliche Brücke und in einem alten Klostergebäude ein auch höhlenbezogenes Museum.

Das Wichtigste in unserer traurigen Welt

- die Preisliste

- anfangen tut sie bei 15 € für den Normalbesuch
bis zu 45 € für die große Speläosafari

 
San Vittore

 

Die Straße durch die enge Schlucht der "Gola di Frasassi" ist fast komplett mit Halteverboten versehen, so daß man nirgends stehenbleiben kann.

Der neue Eingang in die Höhle

Lediglich weiter oberhalb der Schauhöhle, am anderen Flußufer, befindet sich ein kleiner Parkplatz. Von dort kann man aufsteigen zu dem immer schon bekannten Eingang in die "Grotta di Frasassi".

 

Vor vielen Jahren tat sich plötzlich die Gelegenheit auf, mit Prof. Paolo Forti, damals Präsident des Italienischen Höhlenforscherverbandes, einen Kurzbesuch in Teile jenseits des Schauhöhlenteils zu machen. Dabei entstanden die folgenden Aufnahmen, eine wunderbare Gelegenheit, zumal auch in dieser Schauhöhle, LEIDER, das Fotographieren nicht erlaubt ist. Sehr schade.

Warum läßt, wer?, nicht zu, warum denn?, daß auch andere Menschen , die sich von denen, die das Fotographieren verbieten, in wohl gar nichts, außer ihrem "Besitztitel" unterscheiden, daß auch andere Zeitgenossen Bilder von der Unterwelt machen? Ich weiß, daß sie sich nicht "viel" unterscheiden werden, von dem, was man zu verkaufen versucht. Wir leben in einer ganz anderen Welt als früher! A new world....

 

   

 

Etwas ungewöhnlich für unsere Zeit: ein Gedenkstein für die Erforscher der Grotta del Vento


Literatur:

Vittorio, Verole, Bozzello Le Grotte d'Italia - guida al turismo sotteraneo, Bonechi Editore, Florenz 1970
Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Roma 1991
Castellani, Vittorio Frasassi & Speleomonitoraggio, SPELEOLOGIA 18, 1988, S. 33ff.
ohne Verfasserangabe Grotte di Frasassi, Speleo Stamp Collector 8-1982
Helmschrodt, Christa Der Piazza von Ascoli gebührt die Krone, Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 1979, S. 37
Müller, Toni "Bella Italia" - oder : Blitz-Besuch in Italien, DER SCHLAZ, Heft 56, Oktober 1988, S. 56ff.
Glaser, Stephan Grotte di Frasassi, DER SCHLAZ, Heft 57, Februar 1989, S. 41ff.

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