Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Kunst und Höhle 2004 in Aschau

"Die verbotene Höhle - The forbidden Cave"


Anläßlich der im Mai 2004 im Rathaus von Aschau veranstalteten Ausstellung gestaltete ich ein Projekt, das so noch nie dagewesen ist, und so auch wohl nie mehr passieren wird.

Die Grundidee war, einen Teil des Gebäudes, vorzugsweise den Keller, wegen seines "Höhlenbezugs", abzusperren. Nicht massiv physisch, sondern eher psychisch. Eine "Verbotstafel" habe ich aufgestellt mit allerhand Hinweisen. "Betreten verboten" stand da zum Beispiel.

Das war gut und deutlich sichtbar und für viele hat das schon gereicht. Sie sind umgekehrt, sind wieder die Treppenstufen hinaufgegangen und haben sich anderen Beschäftigungen und Vergnügungen zugewendet. Das war gut so, auch dieses Verhalten.

Wer sich ein bißchen länger und besser damit auseinandergesetzt hat, der hat vielleicht auch die anderen Zeilen noch gelesen. Da stand z.B. in englischer Sprache, kleiner geschrieben und damit schlechter zu lesen, noch mehr: "You may enter the almost empty room between dusk and dawn." Gemein, ich weiß schon. Denn so mancher war wohl äußerst gefordert, als er seine Englischkenntnisse aus der Schule aktivieren sollte, um Wörter wie "dusk" and "dawn" zu verstehen! Sie zu verstehen, das war wohl vielen nicht möglich.

"Dusk" - Sonnenuntergang, "dawn" - Sonnenaufgang. Also während der Nacht, da "durfte" man! Ist nicht die Nacht die Zeit, wo "alles" anders ist, sein darf, sein sollte?

Hatte man mal die "Sperre" hinter sich, dann konnte man eine metallene Kellertür öffnen. Dahinter war ein nüchterner Kellerraum, der sofort automatisch beleuchtet wurde, sobald man eintrat. Ich stellte dort Roland Brummer Kunstwerk "Anleitung zum Höhlenkult" auf, zwei alte Bretter, die zahnartig zugeschnitten waren, und legte auf einem Blatt Papier einen kleinen Haufen Karbid drauf, der allmählich zerfiel und entsprechende "Höhlendüfte" verbreitete. Eine kleine Erweiterung gab es noch durch eine Anregung von Irmtraud Pretterer, die vorschlug doch mit zwei verschiedenen Blaukartons irgendwie anzudeuten, daß es hinter der weißgestrichenen Tür, doch auch noch was zu "entdecken" geben würde. Eigentlich sollten auch noch Höhlengeräusche zu hören sein. Jasmin Thesen hatte mir ja eine Minidisc mit Befahrungsgeräuschen aus dem Hölloch in der Schweiz zukommen lassen, aber ich besitze kein Gerät, mit dem ich die abspielen hätte können, so unterblieb diese akustische Untermalung.

Ganz spannend war für mich die Rezeptionsgeschichte dieser Installation. Da war eine Besucherin, die las den Text, soweit sie ihn verstand, und drehte wieder um. Auf meinen Hinweis, daß der englische Text ja doch eine bemerkenswerte Erweiterung des "Verbots" enthielt, da sagte sie: "Dann komme ich abends wieder!" Wie rührend!

Der Hauptbesuchstag der Ausstellung war ja der Samstag. Da strömten auf einmal die Besucher der Verbandstagung auch hier herein. Erst fiel es mir gar nicht so richtig auf. Aber der Aufzug im Rathaus wurde auf einmal so oft benutzt! Robert Spieler brachte es schnell auf den Punkt: Das Problem, das "Verbot" zu umgehen, sei kein großes für ihn gewesen. Schließlich spürte er seine anarchistische Grundader, die vielleicht jeden in der Wolle gefärbten Höhlenforscher eignet, die ihm schnell einen Weg zeigte, wie man ganz elegant doch "hinter die Tür" schauen konnte. Man mußte einfach mit dem Aufzug in den Keller fahren, dann war man schon hinter der Sperre und brauchte nur noch die Türe zu öffnen.

Bald zeigte sich, daß es ganz reizvoll wäre, wenn die "Eindringlinge" in diesen "geheimen Räumen" ihre Spuren hinterlassen könnten. So legte ich ein Blatt auf, wo sie genau dies tun konnten!

Gipfelpunkt des Ganzen war die Installation, die ein paar Höfos aus dem Chiemgau und aus München ganz zu Ende der Ausstellung kurz vor ihrem Ende eigens für mich dort noch gestalteten. Aus den Müllcontainern im Keller, wo sortenrein getrennt wird, holten sie Plastikbecher und Dosen und gestalteten sie selber künstlerisch, fast schon mit modern-sakralem Charakter. Einen alten biegsamen Kleiderbügel formten sie neu, steckten einen der blauen Kartons hinein und schufen so eine Durchgangshöhle für mich. Was für gescheite Ideen! Danke.

Ganz wohl war mir mit dieser Installation nicht immer. So baute ich weitgehend alles ab, als ich am Freitag vormittag in München sein mußte, um in der Schule 6 Stunden zu unterrichten. Erst als ich wieder dort war, spannte ich erneut die Schnüre, stellte die kleine leichtmetallene Standtafel auf, die ansonsten den Besuchern erklärte, wo es zur Gemeinderatssitzung geht, und legte mein blaues Blatt mit dem Text drauf. Es hätte ja sein können, daß da jemand vorbeikam, der nicht soviel Humor gehabt hätte, um den Hintersinn des Ganzen zu verstehen, oder vielleicht irgendwelche Unfallschutz- oder Brandschutzvorschriften hervorholt hätte, um mit dem Schmarrn gleich wieder aufzuräumen.

Es war spannend zu hören, was für Gedanken bei den Höhlenforschern evoziert worden sind. Da waren welche, die absolut dafür waren, daß man die ausgesprochenen Verbote auch respektiert, also nicht daran herummacht, sie einfach übertritt, ignoriert, ja sie in die Luft sprengt, wenn es nicht anders geht. Und da gab es eine Fraktion, die sich sofort positiv angesprochen gefühlt hat. Ist nicht "Höhlenforschung" dauernd Grenzüberschreitung! Das Ringen mit der Natur, das Vorstoßen über natürliche Grenzen, aber auch das Ringen mit den "Behörden". "Mühlbach wäre nie entdeckt worden, wenn wir uns an die Bestimmungen gehalten hätten!" Ein Satz, der mich nachdenklich nachdenklich gemacht hat. Das Eindringen in die Truppenübungsplätze, um die dort liegenden Höhlen auch mal zu besuchen, noch so ein Beispiel, das alle, die das mal gewagt haben, sofort anspricht.

 

 

 


Ein paar Zitate aus den "Spuren der Eindringlinge":

"..erst überlegt, wie ernst das ist, dann in Erwägung gezogen, "halblegal" mittels Aufzug (Wendelstein läßt grüßen) hinter die Sperre zu kommen.... .................(illegaler Schwarzbesuch)
PS.: Hier kommt vielleicht noch das "amtliche Rathausambiente" dazu........"

".......Verbote zwingen zum Brechen!
........ Verbote machen neugierig!!!
........ Verbotene Dinge sind immer am schönsten"

"Laßt uns verbotenes tun jeh........"

"Hätten wir niemals Grenzen überschritten,
würden wir heut noch auf den Bäumen
sitzen.

.....das Verbot mißachtet
.....leere Räume vorgefunden
....einen zweiten Eingang entdeckt
....sonst nix dazu eingefallen
....schade"

"Wir waren auch da...."

"WAS VERBOTEN IST REIZT DEN MENSCHLICHEN FORSCHERDRANG"

 

Dann gab es auch Schriftzüge, die keiner lesen kann, außer dem VerursacherIn


Bei der Ausstellung "Mythos und Höhle" Anfang 2005 im Freiraum in München gab es eine Fortsetzung dieser Idee, die sich einfach anbietet, fortgeführt zu werden.

Den Nebenraum in Parterre, der öfters auch für kleine Kunstausstellungen oder für Versammlungen und Vorträge genutzt wird, hatten wir auch für die Präsentation von einigen Gemälden und einer Installation genutzt. Ich versperrte mit einem Netz aus einer 15 m langen Reepschnur den Weg nach hinten, der hinter einer Art Torbogen ansetzte. Ein paar Nägel in die Wand und ein kunstvolles Netz aus der blauen Schnur gezogen. Davor auf einem Podest der gedruckte Text: Betreten verboten. Und den Vorhang zugezogen. Eigentlich sollte ja auch dem Dahinter so eine Art Schalmeienklang ertönen, so daß jeder, der das erlebte in einen Zweispalt gebracht werden sollte: Sollte er oder sollte er nicht. Das Verbot befolgen oder nicht. Nicht auch mal über eine gezogene Grenze mal treten! Einmal im Leben ein Grenzüberschreiter werden! Unknown territories betreten!

Dahinter lag nur eine Art kleiner Lagerraum, eine Toilette und ein Waschbecken. Ich hatte alles, was zur Kunstausstellung gehörte und ich nicht wieder gleich nach Hause mitnehmen wollte, dort hinten gelagert, was nicht wenig war, wenn man wirklich wußte, was das war. Ich denke da an Tabus, aber so etwas scheint es bei uns nicht mehr zu geben. Tabubrechen - darauf scheint man sich bei uns so viel zu gute zu halten, obwohl soviele so unendlich genau eingehalten werden - insbesondere, was das persönliche Eigentum anbelangt!

Als ich jedenfalls Tage danach wiederkam, war das Gespinst aus Fäden verschwunden, das Podest mit dem Text beiseite gerückt, das "Tabu" gebrochen. Der Raum wurde ja auch vermietet an "Gruppen", die, wie immer, Zugang haben wollten zum Waschbecken und zum Klo. "Kunst" war da fehl am Platz. Die nackten Realtiäten zählten da nur noch, wie immer.

Ob so etwa funktioniert oder nicht - das ist orts-, zeit- und personenabhängig. "Gott/Göttin/dasGöttlicheabhängig"?

 

 


Links:

Kunst und Höhle 2004

"Mythos Höhle"


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