Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Thomas Bernhard und die "Höhle"


"Natur, Kunst, Kultur, für ihn sind das alles nur "fürchterlich aufgerissen Abgründe des Gemüts." Willi Winkler in "Ich bekenne".

"Aussparen, heißt's ja schon. Aber jetzt ist es wieder modern, daß jedes Bleamal angeführt wird." Bernhard

"Das, was niemand sieht, das hat einen Sinn aufzuschreiben." Bernhard/Mahler 45


"Thomas Bernhard, 1931 in Heerlen (Niederlande) geboren, starb im Februar 1989 in Gmunden (Oberösterreich). Er zählt zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern und wurde unter anderem 1970 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1972 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet." (von der Webseite des Suhrkamp/Insel-Verlags)

Gibt es im umfangreichen Werk dieses bedeutenden Autors Bezüge zum Thema "Höhle"? Dieser Frage soll hier nachgegangen werden.

In zwei Texten gibt einen direkten Bezug:

1) "Rundgang" durch die Tantalhöhle - Farblichtbildervortrag des Landesvereines für Höhlenkunde
Es geht um einen Vortrag von Alfred Koppenwallner im Festsaal der Arbeiterkammer in Salzburg. Der Vortrag scheint mitreißend gewesen zu sein, "ausgezeichnete Lichtbilder" wurden vorgeführt, den Zuschauern hätte  es trotz der im Saale herrschenden Hitze "gegruselt", als sie von der "Villa Bonaparte" und von der "Biwakschachtel" hörten. Am Ende steht dann allerdings: "Wenn einer eine Rede hält, dann sollte er sie doch einigermaßen vorbereiten." Das ist ein bitteres Urteils aus der Feder Bernhards. (Bernhard, Journalistische... 77)

2) Höhlenforscher
Bernhard erfindet hier eine Geschichte. Es geht um Höhlenforscher, die in eine Höhle "zwischen Taxenbach und Schwarzach" eindringen. Ende August wären sie in diese Höhle eingedrungen und Mitte September hätten sie wieder draußen sein wollen. Nachdem sie nicht zurückommen, macht sich Ende September eine "Höhlenforscherrettungsmannschaft" auf, zu sie zu retten. Sie kommt nicht zurück. Ihr folgt eine weitere Mannschaft, "zusammengesetzt aus den kräftigsten und mutigsten Männern des Landes" und ausgerüstet mit "den modernsten sogenannten Höhlenrettungsapparaturen". Auch sie kommen nicht zurück. Danach gibt die Salzburger Landesregierung einer "Pongauer Baufirma" den Auftrag, die Höhle zuzumauern, was dann geschehen ist.
Ein seltsames Stück Literatur, das verstehen kann, wer will. 

Beliebt ist bei Bernhard auch der Abgrund, die vertikale Form der Höhle. Er taucht an vielen Stellen auf. Ein paar Beispiele:

- "Der seiner Arbeit nachgehende und geldverdienende Vormund war als Neuling verständlicherweise noch der Ungeübteste auf diesem ständig schwankenden Familienseil, das über einen tatsächlich immer tödlichen Abgrund ohne Netz gespannt war; von meinem Großvater, der es so haben wollte." Bernhard, Ein Kind 34

- "Das Wort war hundertmal mächtiger als der Stock.....Vor dem Ochsenziemer hatte ich Angst, aber die Schläge, die meine Mutter mir damit zufügte, hatten keine tiefere Wirkung. Mit teuflischen Wörtern erreichte sie ihr Ziel, daß sie Ruhe hatte, andererseits stürzte sie mich damit jedesmal in den fürchterlichsten aller Abgründe, aus welchem ich dann zeitlebens nicht mehr herausgekommen bin. Du hast mir noch gefehlt! Du bist mein Tod! In den Träumen werde ich noch heute damit geplagt!" Bernhard, Ein Kind 37

Weitere Beispiele finden sich unter Das Wortfeld "Abgrund" und verwandte Begriffe

"Wenn ich, dachte ich, anstatt der alten, schon beinahe vollkommen verfaulten äußeren Fensterflügel meines Hauses, neue anschaffen will, muß ich den Preis annehmen und also hatte ich beschlossen, den Wildgans-Preis anzunehmen und mich in die Salonlöwenhöhle auf dem Schwarzenbergplatz zu begeben." Bernhard, Meine Preise 88


"Die Kindheit ist das finstere Loch, in das man von den Eltern hinuntergestoßen worden ist und aus dem man ohne jede Hilfe wieder herauskommen muß." Bernhard/Mahler 14

"Die Natur interessiert mich überhaupt nicht, weder die Pflanzen noch die Vögerl, weil ich die sowieso nicht unterscheiden kann von einander und noch heute nicht weiß, wie eine Amsel ausschaut." Bernhard/Mahler 66

"..mich langweilte die Natur und ich verabscheute sie, ich fing an, die Menschen und die Natur zu hassen. Ich war zu einem trübsinnigen Grübler geworden, der auf und zwischen den Wiesen hinundherging und der durch die Wälder lief mit hängendem Kopf.." Bernhard, Meine Preise 35


Um etwas mehr Bernhard-Flair mitzubekommen, reiste ich im August 2018 einmal nach Ohlsdorf, dort wo er einen Bauernhof besaß und wo seine Postadresse war. Es ist heute ein Museum, das im Sommer an Samstagen und Sonntagen von 14 bis 18 Uhr geöffnet ist. 

Tritt man vor das Haus, dann hat sieht man im Süden die Berge, auch das Höllengebirge.

     
     

 

 


Literatur:

Bernhard, Thomas Journalistisches, Reden, Interviews, Werke 22.1, Suhrkamp, Berlin 2015
Bernhard, Thomas Der Stimmenimitator und Erzählungen, Kurzprosa, Werke 14, Suhrkamp, Berlin 2015
Bernhard, Thomas Meine Preise, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009
Danner, Peter Der Schriftsteller Thomas Bernhard und die Höhlenforschung,  ATLANTIS 1-4/2021, S. 62
Heller, André, hrsg. von Thomas Bernhard Hab & Gut, Brandstätter, 1. Auflage, Wien 2019
Henscheid, Eckhard Die Wolken ziehn dahin, Haffmanns Verlag, Zürich 1992
Mahler, Nicolas Die unkorrekte Biographie von Thomas Bernhard, Suhrkamp, Berlin 2021
Scharnigg, Max Herr und Hof, Süddeutsche Zeitung Nr. 40, 16./17. Februar 2019, S. 55
Schmidt, Harald (Hg.) In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe - Eine kulinarische Spurensuche, Brandstätter, 2. Auflage, Wien 2022
Schmidt-Dengler, W. Der Übertreibungskünstler. Studien zu Thomas Bernhard, 3. Auflage, Wien 1997
Winkler, Willi Ich bekenne, SZ Nr. 32, 9.2.2021, S. 9

Links:

https://www.thomasbernhard.at/

https://www.suhrkamp.de/autoren/thomas_bernhard_340.html

https://thomasbernhard.at/index.php?id=125

https://www.grin.com/document/43195

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