Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das 2002er Erdstalltreffen in Roding, D


Vorbemerkung: Das Internet ist der Wahnsinn! Ich hatte hier einen kompletten Bericht über dieses großartige Treffen in aller Ruhe und Ausgeglichenheit geschrieben, gespeichert und wollte gerade nur noch ein Bild zur optischen Ergänzung einfügen. Dann begann auf einmal alles wieder zu "spinnen". Ein einziger Knopfdruck genügte, um alles wieder zum Verschwinden zu bringen. Ich weiß nicht, warum plötzlich so ein Zeichen aufgetreten ist, jedenfalls war dann alles wieder weg. Die ganze schöne Arbeit, alle Worte, alle Zeichen. Jetzt beginne ich wieder von vorne. So "einfach" ist das Leben heute. Ein Wahnsinn.


Waffenbrunn


Besuchte Erdställe

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Ein hohes Ziel hatte sich der organisatorische Kern des Arbeitskreises für Erdstallforschung für 2002 gesteckt. Es sollte wieder einmal ein internationaler Kongreß ausgerichtet werden. Viel Arbeit war notwendig, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Das Ergebnis war hervorragend, oder, ein bißchen französisch formuliert, formidable. Es dürften um die 100 Personen gewesen sein, die in den 2 1/2 Tagen vom 27. bis 29. September zumindest für ein paar Stunden vorbeigeschaut haben.

International ist der Kongreß tatsächlich geworden. In alphabetischer Reihenfolge: Aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz kamen die Teilnehmer - soweit ich das mitbekommen habe. Die kurze Zeit von Freitag abend bis Sonntag mittag reichte da überhaupt nicht, um "alle" kennenzulernen.

Die Internationalität wird zusehends einfach notwendig, will man in der Erdstallforschung "weiterkommen". In den letzten Jahren kam auf einmal neuer Wind herein, initiiert durch Herbert Wimmers neuen räumlichen Ansatz einer Typologisierung der Erdställe unter Berücksichtigung der geologischen Grundlagen in die Typen A bis D (oder gar E), und Anton Haschners Versuchen, die Erdställe zeitlich zu verorten, erst beginnend mit dem Mithraskult, dann über die Katakomben und die Krypten, immer mehr hinein in das Frühmittelalter.
Nun war erstmals auf dieser Tagung ein Schaubild zu sehen, das der französische Souterainforscher Maurice Broens schon vor Jahren veröffentlicht hatte. Die österreichisch-bayrische (+ein bißchen Mähren und Ungarn) "Erdstallinsel" im Herzen Europas, die bislang die Diskussionen ausschließlich bestimmt hatte, hat eine "Schwester" im Südwesten Europas. Hauptsächlich in Frankreich. Längst hat er schon die alten Quellen studiert, hat die Errichtungszeit ins Mittelalter datiert, hat Personengruppen als deren Erbauer ausgemacht, die von Christentum als "Heiden" verfolgt worden sind, all diese Erkenntnisse waren von der etablierten "Wissenschaft" abgetan worden, als Unsinn, Hirngespinste und ähnliches. Nun kommt das alles wieder zum Vorschein und wird vermutlich auch die Diskussion bei uns maßgeblich beeinflussen. Warum das alles jetzt erst bei uns bekannt wird?
Das ist nicht zuletzt ein Sprachproblem. Wer liest bei uns schon französische Bücher? Aber in der Person von Dorothée Kleinmann haben wir eben so eine ideale Person, die beide Sprachen perfekt beherrscht und zwischen den Kulturen einfach wunderbar vermittelt. Alles was da in den Vorträgen gesprochen wurde, das hat sie simultan für unsere französischen Gäste übersetzt. Das war schon ein besonderes akustisches Erlebnis, wie oft auf den gesprochenen deutschen Satz gewissermaßen auf französisch ein Echo kam. Im übrigen ein perfekter Französischkurs, wenn man sich darauf einließ. Und ein hoffentlich wachsendes Zeichen dafür, daß Europa wieder wirklich "zusammenwächst", nachdem es von unseren Altvorderen in die Luft gesprengt worden ist im Namen von Hakenkreuz und sonst etwas.

Ohne es vorher zu wissen trug auch ich ein bißchen zum "Brückenbau" bei, denn mein kurzer Bericht am Ende des Samstagabends über den Besuch von Monika Löffelmann und mir beim SFES-Treffens in Saint-Remy-sur-Durolles im Juli 2002, als auch schon viele wieder den Saal verlassen hatten, vollkommen verständlich, denn sie waren von den recht gehaltvollen Vorträgen über die Souterainforschung im Norden Frankreichs (Pas de Calais) von Francois Guy, über die Funde aus Erdställen (Josef Weichenberger) ++ schon richtig vollgepumpt worden, da verließen eben viele die Kräfte, zeigte, selbst für mich, Verblüffendes. Hier gibt es Erdställe, dort auch, aber dazwischen sind ca. 1000 km, da sind keine "Erdställe". Warum? Eine neue enigmatische Frage. Wir sind uns nah und doch so fern. Aber vielleicht ist uns einfach nicht "bewußt" wie nah wir uns eigentlich sind. I am you, you are me.

Ein für mich sehr berührendes Highlight war Edith Bednariks Vortrag über "20 Jahre Erdstallforschung in Niederösterreich". Wir alle, die dabei waren, wissen warum das ein einmaliges Erlebnis geworden ist. "Hinter" den "Ergebnissen" stehen die Menschen, und die entscheiden, wofür sie ihre knapp bemessene Lebenszeit hernehmen wollen. Hier haben wir eine Frau erlebt, die sich nach einer spektakulären "Höhlenforscherkarriere" auf die Erdställe fokussiert hat. Von 0 auf 100, so ungefähr. Nein, es sind bald 300 Erdställe, die nun erforscht und vermessen sind in Niederösterreich, und dahinter stehen hauptsächlich Edith und "W. Hollender". Auch hinter diesem Zeichen "verbirgt" sich eher ein Menschenschicksal als wie es sich dann sprachlich zeigt. Vor einem Jahr habe ich mich mit ihm noch "vollbewußt" im Bus über die Vergangenheit unterhalten, über Karbidlampen und ähnliches, wer sich auskennt, weiß, wovon ich spreche, jetzt war der Stützstock aus Holz das Zeichen, das ohne viele Worte alles sagt. Vielleicht mein Schicksal, morgen.

Angesichts einer solchen "Perspektive": Warum wurden denn eigentlich die Erdställe gebaut? Welchen Sinn haben die? Warum "drückt" uns eigentlich heute noch, was die damals "gedrückt" hat?

Da gibt es bemerkenswerte Unterschiede in der Beantwortung auf diese Frage. Die "Wissenschaftler" oder die sich gerne in die Nähe davon begeben, die haben richtig davor gewarnt, das ist schon bemerkenswert, daß wir davor "gewarnt" werden, daß "die" uns vielleicht nicht mehr "ernst" nehmen könnten, einfach Hypothesen in die Welt zu setzen, die man dann nicht "beweisen" könne. Schade, echt schade. Das sind ja richtig Denkverbote und damit auch Erlebensverbote. Angst vor "Paradigmenwechsel". Old school. Das Schöne an den Erdställen ist doch im Augenblick, daß keiner wirklich mehr weiß. Egal ob Professor oder Doktor oder Berufsschüler. Der eine drückt sich vielleicht eloquenter aus, aber auch er trinkt nur Wasser. Und weiß auch nicht viel mehr, kann aber mehr Zitate aus der Literatur bringen oder....

Jedenfalls wurde viel gelacht, und das halte ich immer für ein sehr gutes Zeichen. Keiner von uns, der dabei war, wird z.B. die kleine Szene vergessen, wo Dorothée Kleinmann mit ihrem Vortrag extra von Regine angekündigt wurde, und Dorothée wie ein Stehaufweibchen, wie auf Kommando, bei der Nennung ihres Namens auf einmal hinter dem Rednerinnenpult hochkam und sich wieder zeigte. Kabarettreife Szenen spielten sich da ab, schnell vergänglich, nicht wiederholbar und sich doch tief in unsere Seelen eingrabend. Mehr davon. Und nochmal ein Danke an die Verursacher dieses einmaligen Spektakels.

 
 
 

 

Es gäbe natürlich noch vieles anderes zu berichten, von der Ausstellung im Rodinger Rathaus über Erdställe, wo sich Peter Forster sehr engagiert hat, und die durch den Rodinger Bürgermeister am Freitag abend (ich bleibe bei der alten Rechtschreibung!) eröffnet wurde, vom von der Gemeinde gesponserten Abendessen im Kloster, von dem Vortrag von Prof. Dr. Dietrich Manske über die Forschungen zur Siedlungsentwicklung in der Oberpfalz, über Heinrich Kuschs Vortrag über die Kulthöhlen Europas, Michael Läntzschs Vortrag über den Erdstall als "unbekanntes unterirdisches Objekt" und noch vieles andere mehr, aber ich liebe die "kiss rule": keep it short and simple. Wir werden ja wohl im Erdstallheft des nächsten Jahres einen richtigen Bericht darüber lesen, der kann dann die hier gelassen Lücken füllen. Und unter der Rubrik "aktuell" können wir schon Monika Löffelmanns professionellen Bericht über dieses Treffen "uns reinziehen".


La presse

Kleinmann, Dorothée

Internationales Erdstallsymposium 2002, in: Der Erdstall 29, Roding 2003, S. 93

 


Links:

http://www.erdstall.de >>> besonders AKTUELL mit Monika Löffelmanns Bericht vom selben Treffen

https://www.lochstein.de/erdstall.htm

 


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