Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

2006 DV/AD SGH SSS


DV/AD SGH SSS - für einen Nichteingeweihten muß das vollkommen unverständlich sein. "DV" steht hier nicht für Datenverarbeitung, sondern für Delegiertenversammlung, AD weiß ich auch nicht, SGH SSS jedenfalls ist die Abkürzung für den Dachverband der Schweizer Höhlenforscher und zusammengenommen ist das das Schweizerische Pendant zu unseren deutschen Jahreshauptversammlungen der Verbandes des deutschen Höhlen- und Karstforscher. Wenn die Örtlichkeit nahe ans deutsche Gebiet heranrückt, dann fanden immer wieder gemeinsame Veranstaltungen statt.

Ich kann mich noch gut an Schwyz 1982 erinnern, als das Ganze gleich als "Kongreß" aufgezogen worden war. Zwei Dinge sind es besonders: der Apero, spendiert von der Gemeinde, im Abendlicht und unter der phantastischen Kulisse der Berge rundum, und die Kritik eines prominenten Schweizers Höhlenforschers daran, daß ich gleich meine ganze Familie mitgebracht hatte, incl. zweimonate alter Tochter. In Amerika sollen da ganz andere Zustände herrschen, aber diesmal auch in Appenzell. Ich habe da schon den hausinternen Nachwuchs herumtollen sehen. Gottseidank gibt den noch.

Schauplatz war Appenzell an Fuß des Säntis in der Ostschweiz. Man hatte die "Aula Gringel" als Treffpunkt aufgetan. Rundherum gab es viele Parkplätze, die sehr gut gefüllt waren. Man konnte auch zelten, was ein paar Mutige tatsächlich getan haben, ein Dortoir stand zur Verfügung in den Bunkern unter dem öffentlichen Gebäude. Alles ist da perfekt für den Notfall vorhanden: von den 4 Besen am Eingang über die Panzertüren und die Duschen dahinter bis zu Doppelstockbetten mit Kopfkissen. So mancher übernachtete auch in seinen eigenen Gefährt, weil das einfach ziemlich schnarchsicher ist.

Als ich mit Willi Adelung gegen 5 Uhr nachmittags dort eintraf, da war gerade nicht viel los, außer im großen Saal, wo die Jahreshauptversammlung stattfand. Ein paar Händler hingen unbeschäftigt bei ihren Ständen, hinter der Theke hatte das dortige Personal auch nichts zu tun, ein bißchen Eisen von einer Art Baustelle mit einigen Fotos rundherum stand auch noch herum, sonst rührte sich da nix. Wir verkrümelten uns wieder und spazierten durch die malerische Altstadt. Ein paar Biker hingen in einem Terassencafe herum, nur die Konditoreien hatten noch offen und hofften wohl auf Kunden. Auch wir gehörten schlußendlich dazu, aber Preise werden da schon verlangt! Die muß man sich erst einmal leisten können! Für einen kleinen Apfelstrudel 4,5 Franken, für einen kleine Tüte Käsestengel 7,50 Franken. Ist die Schweiz da wirklich konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt?

Gegen 6 Uhr rührte sich endlich wieder was bei der Schule. Wir stießen unvermittelt auf den neugekürten Ehrenpräsidenten des Schweizer Verbandes, René Scherrer, der gerade in seinem Wagen die Belohnungen seiner unendlichen geduldigen Mühen unterbrachte. Es gab eine Apero, gestiftet vom Kanton Appenzell/Innerrhoden. An kleinen Tischchen im kleinen überdachten Vorplatz trafen sich die vielen Teilnehmer an der DV vor der grandiosen Bergkette des Säntis im Hintergrund.
Es gab ein köstliches Holundersaftgetränk, Orangensaft und einen feinen Weißen, Nüßchen, Salzstängel usw.. Aus der Masse der Gesichter schälten sich ein paar bekannte heraus. Werner Janz unter anderem und der wurde dann für uns zum Schlüssel, um zu erkennen, daß hinter den "Baumaschinen" ja eine brilliante Idee steckt. Das war das Equipment, das nötig war, um im Bärenschacht einen begehbaren für Nichttaucher in rund 300 m Tiefe zu öffnen, in dem dort ein Stollen gesprengt worden ist. Dazu war eine gute Technik und genügend Personal notwendig. So ergab die kleinen Ausstellung einen sehr guten Sinn.

Gegen 8 Uhr öffneten sich die Pforten zum großen Saal für das "Feine Abendessen". Wir hatten uns inzwischen offiziell angemeldet und für die Verköstigung und den Schlafplatz zusammengenommen 48 Franken gelöhnt. Das muß man sich leisten können. Monetäre Barrieren scheint es nicht gegeben zu haben, denn der Saal war voll. Schätzungsweise 120 Leute waren da in drei langen Tischreihen versammelt. Es gab wirklich feine Sachen zum Essen, eine köstliche Brotwürfelsuppe mit Käseeinlage, Spaghetti soviel man nur hineinbracht mit drei verschiedenen Soßen und am Ende ein kulinarisches Highlight in Form eines gemischten Desserts. Nur den Hunger der Höhlenforscher hatte der Koch unterschätzt und mußte massiv und zeitkostend Berge dieser Teigwaren nachkochen, eh auch die letzten nicht mehr in der Warteschlange vor den dampfenden Töpfen nicht mehr wiederkamen.

Das Gespräch kam locker in Gang. Wir waren zwischen ein paar älteren Höfos aus Zürich und der speläologischen Zukunft aus dem Herzen der Schweiz, Obwalden, plaziert. Es war sehr unterhaltsam für mich, mal zu hören, wie sich die Schweizer untereinander sehen. Wenn jemand in Basel wohnt und ein halbes Leben schon hinter sich hat und noch nie sich bis in die Nordostecke seines eigenen Landes bisher bewegt hatte, daran kann man schon sehen, wie schollenverbunden so mancher hier ist. Aber fielen dann auch gleich Stichworte wie Costa Rica, Okshola-Christhola, da ging es viel weiter weg. Wir tauschten nicht nur Erfahrungen und alte Geschichten aus, sondern auch Witze. Der kürzeste: "Es kommt eine Frau beim Arzt."
Verstanden?

So ein großes gemeinsames Essen ist schon eine schöne Sache. Daran schlossen sich dann noch zwei Vorträge an, allerdings halt erst nach 10 Uhr, was die Besucherzahl schon schrumpfen ließ. Das Lokalkolorit kam durch einen ausgezeichneten Beitrag über das Wildkirchli, die Höhle im Gebiet, die dann auch am nächsten Tag in einer Exkursion besucht wurde. Überraschendes, viel Unbekanntes kam da vor, z.B. daß Viktor von Scheffel mit seinem "Ekkehard", der ja an seiner Schlüsselstelle in dieser Höhle spielt, so etwas wie die Joan Rowlings des 18. Jahrhunderts gewesen sei. der Harry-Potter-Roman aus der Schiller-Goethe-Ära, was entsprechend tourismusfördernd gewesen ist.

Den Reigen der Abendveranstaltungen schloß ein Vortrag über gemeinsame Forschungen von Mitgliedern der OGH und aus Wien in der Dachstein-Mammuthöhle. Die ist ja mit ihren momentan 63 km Länge immerhin noch Österreichs 3. längste Höhle zwischen Raucherkar und Schwarzmooskogel. Schöne Bilder bekamen wir zu sehen und einen lebendigen Bericht.

Vor dem Saal war eine Art Bar errichtet und Musik, die von den Diamuffeln belebt war. Da war dann wohl noch etwas los. Mich zog es hinaus zur Schlafstätte.

Der nächste Morgen, ein Prachtmorgen. Blauer Himmel, Bergkulisse, Traditionshäuser und auch ein wenig Moderne in der Nähe: das Museum .... mit Außenhaut aus Stahl. Ab 7 Uhr gab es Frühstück, ein paar Leute wagten sich schon früh dorthin. Auch ich. Kaffee soviel man wollte, ein Büffet mit, natürlich, aufgeschnittenem Käse, Brot, Butterportionen, Marmelade, Orangensaft in Plastikbechern.

Eine geologische Exkursion war für heute angeboten und eine ins Wildkirchli. Willi und ich hatten noch was anderes vor. Wir suchten nach dem "Bruderloch" im angrenzenden Kanton Thurgau. Warum eigentlich? Fragt mich nicht, denn der Termin paßte auf eine für mich schon "unheimliche" Weise zu einen alten Brauch dort, von dem ich vorher überhaupt keine Ahnung hatte.

 


Werner Janz Werk
Die Warteschlange beim Essenfassen
Der Schnapsflaschenturm

Die Vorträge

Literatur:

Lindenmayr, Franz Notiz (en) aus Schwyz, DER SCHLAZ Heft 38, Oktober 1982, S. 3ff.

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