Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Speläo-Südwest 2008 in Niederschlettenbach


"When in Rome do as the Romans do". Dieser weise englische Spruch läßt sich in vielfältiger Weise anwenden. So auch beim Besuch von Speläo-Südwest 2008, das nun schon zum 17. Male stattgefunden habende Treffen der Höhlenforscher aus der Südwestecke Deutschlands. Es ist schon lange her, daß jemand mal getextet hat: "Einmal vor den eigenen Höhleneingang treten und zur Nachbarhöhle hinüberschauen.." Das habe ich zwischen dem 17. und 19. Oktober 2008 auch mal wieder gemacht und bin die 350 km von München her auf einer voller Baustellen steckenden Autobahn und auf dem Rest auf dieser Form ähnlichen Erdoberflächen gefahren, um da auch mal wieder dabei zu sein.

Ein bißchen ausgelöst war mein Interesse diesmal auch, weil ich zwei Wochen vorher auf einmal aus Bliesdalheim im Saarland ein Email gekriegt hatte. Im Juli 1999 hatten wir dort schon einmal einen Felsenkeller aufgesucht, von dem es hieß, es sei vielleicht mal ein "Mithrasheiligtum" gewesen. Wir hatten uns die Sache angesehen, kamen aber zu dem Schluß, es wohl ein Eiskeller war und von einem Alter von beinahe 2000 Jahren weit entfernt. Nun also dieses Email. Ein Bauer sei vor ganz kurzer Zeit über seinen Acker gefahren und plötzlich habe sich da ein Loch in der Erdoberfläche aufgetan. Wir wurden zur Ersterkundung dieses neuen Hohlraums eingeladen, freuten uns schon drauf, aber dann kam gleich wieder die Abkühlung. Das Bergamt habe verfügt, daß keiner vor ihnen hinein dürfe. Da die Begehung durch diese staatliche Stelle aber erst in der nächsten Woche stattfinden solle, war es plötzlich nicht mehr möglich, dort hinzuschaun.

Egal, der innere Kompaß war schon Richtung Westen gestellt, Zeit war auch, so fuhr ich dann mit einem Kumpel, Alfred Schlagbauer, Freitag abend los. Wir kamen um 10 Uhr endlich in Niederschlettenbach an, nachdem es immer ruhiger und ruhiger mit dem Verkehr geworden war. Auf der Strecke Landau - Pirmasens gab es noch jede Menge Verkehr, aber nachdem wir Richtung Süden abgebogen waren, da war auf einmal nichts mehr los. Wie es bei uns heißt: "Sogar die Bürgersteige waren hochgeklappt." Die Versammlungsstätte zu finden, das war wirklich ein Kinderspiel, denn die Zufahrt war deutlich sichtbar mit Tafeln gekennzeichnet. Und zu suchen war der zentrale Marktplatz. Dort stand dann das Pfarrheim, aus dem noch immer Licht aufs Pflaster fiel, als wir um 10 Uhr nachts ankamen.

Der Abendvortrag war natürlich schon gelaufen, aber es saßen noch immer etwa 20 Leute im Raum. Wir bekamen sogar noch eine warme Gulaschsuppe zum Essen und ein gutes Bier zum Trinken. Da war gleich wieder die Welt in Ordnung. Schlafen konnten wir im Dachgeschoß des Hauses, wo zwei Räume den Teilnehmern an der Tagung zur Verfügung standen (neben einer Art "Campingplatz" in der Umgebung - aber wer wollte schon da draußen schlafen, wenn auch schon ziemlich kalt nächtens wurde? Er war nicht unbenutzt! Es gibt noch so richtig "harte Kerle" im Kreise der Höhlenforscher!). Alles war bestens organisiert, wir mußten uns nur noch hineinfinden in die uns ziemlich unbekannte Truppe. Da kam das eingangs genannte Sprichwort zur Anwendung. Wer mit Vorstellungen von Superriesenalpinenkarsthöhlen hier ankommt, für den gibt es eine platte Enttäuschung. Die Pfalz, da gibt es viel viel Sandstein, entsprechend viele Felsdächer und Spalten. Und es hat viele viele Bemühungen des Menschen gegeben, mit diesem "Standort" zurecht zu kommen. Stichworte sind Wasserversorgung und Bergbau. Montanspeläologie ist dort der Schwerpunkt, besonders in Niederschlettenbach. Und davon haben wir einiges mitbekommen. Gegen 1 Uhr früh löste sich das letzte Grüppchen der Unentwegten auf und verschwand auch noch in den Schlafgemächern.

Der nächste Morgen begann sehr neblig und düster. Gut, daß es in der Frühe erst einmal das große Frühstück und die Eröffnung der Veranstaltung gab. So war der "nebeltrübe" Teil gut gefüllt. Die Teilnehmerzahl an dem diesjährigen SpeläoSW war wohl erheblich unter den Erwartungen geblieben. Wenn es hoch kam, dann waren 30 Leute da, einschließlich der großen Karlsruher Gruppe, die das alles ja organisiert hatte. Aber der Raum im Pfarrheim vertrug ja auch nicht viel mehr. Jedenfalls war für die Teilnehmer ein üppiges Frühstück vorbereitet worden, das auch den Hungrigsten satt bekam. Die frischen Semmeln stammten von kleinen Laden gegenüber. Wir waren ja in der tiefsten Provinz, wo man ja richtige kleine Läden kaum mehr kennt. Die sind inzwischen schon alle wegrationalisiert auf dem Weg zum ewigen Konsumparadies. Allein, hier kamen die Leute noch barfuß in ihren Hauspantoffeln und stellten sich ruhig an, um ihre Brötchen frisch mit heimzunehmen. Sollten wir so etwas nicht "Heimat", wie sie im Buche steht, nennen?
Ich finde es ja so schön, zu solchen Regionaltreffen auch mal zu gehen, weil man dort von Sachen erfährt, die in der normalen Informationsflut unserer Zeit einfach untergeht. Erst öffnete Erich Knust die Veranstaltung ganz offiziell - und dann hielt für uns der Bürgermeister eine Rede. Was wir da nicht als erfahren durften. Bei mir ist noch hängengeblieben, daß er 63 Jahre alt ist, Töchter hat, daß es 4 Vereine im Ort gibt, u.a. einen katholischen Frauenbund und die Freiwillige Feuerwehr. Offenbar gibt es z.B. keinen Kaninchenzuchtverein, auf die Ankündigung desselben sind wir in der Nähe von Waldfischbach-Burgalben gestoßen, am Nachmittag, als ich auf der Suche nach dem Labyrinth in diesem Ort gewesen bin. Dann hat uns auch noch der Bürgermeister von Nothweiler begrüßt, auf dessen Gemarkung das Schaubergwerk "Eisenerzgrube Nothweiler" liegt. Erich hatte klug geschaltet und das vorgeplante Programm der ganzen Veranstaltung ein wenig geändert. Statt der ja oft sehr spannenden Berichte der einzelnen höhlenforschenden Vereine und Gruppen, die oft das Vormittagsprogramm der Speläo-SW ausmachen, waren diesmal wenig da. Es war Zeit und Raum für eine Exkursion. Und die ging nach Nothweiler.

Wir schwangen uns in unsere Benzinfresser und düsten ein paar Kilometer weiter ins Nachbardorf. Was heute so leicht vonstatten geht, das war wirklich nicht immer so leicht zu bewältigen. Das war lange Kriegsgebiet. Wer da so einfach durchdüst und die Sekunden zählt, die er dafür aufwenden muß, .... Es ist schon seltsam, wenn sich eine Landschaft auffüllt mit Geschichte.... Wir sind da so einfach durchgezogen... und einen Tag später haben wir gehalten und sind ausgestiegen, bei einer Kirche gleich neben dem Straßenrand, haben uns durchs Brombeergestrüpp geschlagen, sind bis zu den Schützengräben gekommen und darüber hinaus. Hier haben Menschen gelebt und gelitten, jahrelang, gar nicht weit weg vom erklärten Feind, den Franzosen. Aber es gibt halt noch viel mehr Spuren menschlicher Tätigkeit an diesem Ort, dem Bremmelsberg. Holz und Erz. Am Sonntag früh war er das Ziel der Tagungsexkursionen.

Im Erzbergwerk Nothweiler erlebten wir eine ausgezeichnete Führung. Am Schaubergwerkhaus erlebten wir eine sehr engagierte Einführung in das "Weiße Gold", das kontrastriert wurde mit dem "Schwarzen Gold" aus dem Berg. In Glasschaukästen wurden viele Porzellan- und Tonobjekte gezeigt, die für den Kenner offenbar einen sehr hohen Wert haben - aber fürs Publikum? Wir erfuhren davon, daß es da heute Kinder gibt, die einfach einen Holzprügel nehmen und aufs Glas dreschen, warum auch immer, und wenn die Mutter dieser "Wunderkinder" darauf angesprochen wird, daß sie das doch besser unterlassen sollten, den Bergwerksführer und eigentlichen Eigentümer der Dinge dann von ihr gefragt wird, ob er ein "Erziehungsproblem" hätte. Wir dürfen wirklich die Idee beerdigen, daß es so etwas wie einen "Fortschritt" gibt, schnell oder langsam, diese Vorstellung, der von vielen einmal nachgehangen wurde.

Es ging da auch mal um den "Grubenschnaps", wann der getrunken werden solle. Alkohol und Untertagesein - offenbar ein uraltes Thema. Ein ganzer Schaukasten zeigte die vielen Varianten, die möglich waren. Wir bekamen dann ein "Guitzl", alle, bevor wir unter der Führung von Erich losgelassen wurden. Erich wußte unglaublich viel über diese Örtlichkeit und füllte wohl alle Informationsspalten in den Hirnen der Bergwerksbesucher. Er hatte auch den Schlüssel für den anderen Ausgang, der geschaffen worden ist, um einen wirtschaftlichen Führungsbetrieb zu fördern. Als dann alle? draußen waren, wurde abgesperrt, aber dann stellte sich halt doch noch heraus, daß einer drinnen geblieben war. Es wurde wieder das Tor geöffnet, und auch der "letzte" Troglodyt kam noch heraus. Wäre kein Thema gewesen, denn die ersten normalen Touristen versammelten sich auch schon am Stollenmund.

 
 
 
 

Zurück nach Niederschlettenbach. Mittagessen. Tagung. Die Berichte der verschiedenen Katasterführer wurden präsentiert und anschließend ein größeres Vortragsprogramm gehalten. Es ging da um Altbergbauforschung in der Pfalz, um Fledermäuse in der Südpfalz, den Studerbildschacht, Kleinlebewesen unter Tage, ein Verfahren, höhlenkundliche Literatur mit EXCEL genau zu erfassen und am Ende wurde noch von unterirdischen Objekten im Zusammenhang mit der Wasserversorgung von Neustadt berichtet. Dann wurde es Zeit fürs Abendessen, das auch aus der von den Mitgliedern der HFG Karlsruhe in Betrieb genommenen Küche sehr kostengünstig bezogen werden konnte.
Um 20.15 Uhr öffnete sich der "Vorhang" zum letzten Male für einen umfassenden Vortrag über den "Bergbau auf dem Schlettenbacher Erzgang" von Nagel und Knust. Dazu kamen auch Besucher von außerhalb, so daß der Raum gut gefüllt war. Penibel war der Ortschronist allen noch vorhandenen Dokumentationsspuren nachgegangen und präsentierte uns einen kurzweiligen Abriß der Geschichte. Auf einmal kam ich mir gar nicht mehr so weit weg von Bayern vor, war die Pfalz doch nach dem Wiener Kongreß 1815 richtig zu Bayern gehörig gewesen. Nicht zuletzt wurden renitente Beamte dorthin zwangsversetzt! Erich Knust rundete das Bild dieses Bergbaugebiets durch eine fachkundige Erläuterung der geologischen und geographischen Seite ab. Anschließend war noch genug Zeit sich auszutauschen.

 

 

Am nächsten Morgen gabs wieder das schöne Frühstück und dann den Aufbruch zu den beiden Exkursionen. Eine Gruppe beging auf der Oberfläche das Schlettenbacher Bergbaugebiet, 10 Personen stiegen in ein Bergwerk im Bremmelsberg. Der Zugang ist ja verschlossen, aber es waren halt die richtigen Leute mit den richtigen Werkzeugen dabei. So war nach kurzer Zeit der Weg frei und alle konnten in Schlaz, Helm und Stiefeln einsteigen. Nach der Kriecherei am Eingang kommt man in einen horizontalen Gang, den man meistens aufrecht begehen kann. Ein Gang geht mal 20 m nach rechts und endet blind. Nach links zweigt mal ein enger Schlufgang ab, zu dessen Befahrung die meisten keine Lust hatten. An den Stellen, wo das Erz verstärkt auftrat, konnten wir auf etwas wacklig aussehenden Aluleitern in die Höhe steigen und einige obere Etagen betreten. Am bekannten Ende der Gänge war ein Schacht sogar mit einem Quergangsseil versehen, das wir gerne verwendeten, um sicher auf die andere Seite zu gelangen. Der Schacht ganz am Ende der Räume wurde nur noch von 2 Teilnehmern am Knotenstrick bewältigt. Noch einmal ging es für einige in die höheren Etagen, aber die Begeisterung verflachte allmählich. Gegen Mittag waren alle wieder draußen und wir strebten hinunter zu den Autos an Straße Nothweiler-Niederschlettenbach. Eine gelungene Tagung war zu Ende und alles strebte wieder heimwärts.


Fledermaus

Literatur:

Höhlenforschergruppe Karlsruhe Mitteilungen der Höhlenforschergruppe Karlsruhe Heft 19, Karlsruhe 2008
Lindenmayr, Franz Speläo-Südwest Niederschlettenbach 2009, in: 50 Jahre Höhlenforschungsgruppe Karlsruhe, Mitteilungen der Höhlenforschungsgruppe Karlsruhe Heft 24, 2014, S. 83ff.

Links:

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