Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

SFES-Tagung 2015 in St-Bonnet-le-Courreau, F

vom 2.-4. Oktober 2015


Souterrains in den Monts du Forez, Loire, F


Es sind etwa 1000 km bis nach St-Bonnet-le-Courreau und nicht zu vermuten, daß es da vielleicht untergründige Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen denen dort und uns geben könnte, wäre ziemlich normal. Und doch ist es nicht so. Das zeigte mir der 4. Besuch einer Jahrestagung der französischen Souterrainforschervereinigung SFES ziemlich deutlich. Warum das so ist, das weiß bislang keiner - und das macht ja die Sache so spannend.

Unter dem Motto "Monde rural & Espaces souterrains" hatte diesmal die Groupe Recherches Archéologiques de la Loire die Organisation des 38. Kongresses des französischen Verbandes der Souterainforscher SFES übernommen und eingeladen. Als Ort hatte man St-Bonnet-le-Courreau ausgesucht, ein Ort, der nicht besser passen hätte können. In unserem Nachbarland gibt es schon lange ein Einrichtung, die man erst langsam, wenn überhaupt, auch bei uns einführt - Bürgerhäuser, dort "Salle des fêtes" genannt. Bei uns hat vielleicht die Feuerwehr oder der Sportklub ein entsprechendes Haus, aber der Allgemeinheit stehen solche Bauten nicht zur Verfügung. Jedenfalls war es auch hier so, ein großer Veranstaltungsraum stand uns zur Verfügung, die Küche, die Toiletten und ein großer Parkplatz. Weitgehend ungestört von der Außenwelt und auch niemandem zu nahe rückend lief auf diese Weise die schöne Tagung ab.

Sie begann am Freitag, den 2. Oktober 2015 und dauerte bis zum Sonntag, den 4. Oktober. Der erste Tag stand ganz im Zeichen einer besonderen Form der "Souterrains", der "souterrains annulaire", in die deutsche Sprache übertragen, wohl gut mit "Rundgang" zu übersetzen. Das heißt nicht, daß man sich unbedingt in einem kreisförmigen Rundgang befindet, obwohl es das auch gibt, sondern, daß man, wenn man vorwärts schreitet, zum Ausgangspunkt wieder zurückkehrt. Zum Auftakt lieferte Dieter Ahlborn, Ex-Vorstand des Arbeitskreises für Erdstallforschung und unvermittelt sich von dieser Position wieder sich Zurückziehendhabender, auf Französisch einen sehr guten Vortrag über die Erdställe von Ulrichschlag in Österreich. Dort gibt es nämlich eine ganze Menge davon und auch noch in der Nähe, z.B. in Kleinzwettl. Perfekt war das, und auch noch ergänzt durch kurze Videoclips. Dann kamen Beispiele aus Frankreich: Bois Grand, Ceilloux - sofern man der französischen Sprache mächtig ist, höchst aufschlußreiche Orte, wo man "Annulaires" untersucht hat. Eric Clavier beendete den inhaltsreichen Vormittagsreigen der Vorträge mit einem Überblick über den momentanen Stand der Forschung. Drei Grundelemente hat dieser Souteraintyp: einen ringförmigen Teil, einen Zugang und eine Seitenkammer, die an unterschiedlichen Orten sein kann. Dann gibt es halt noch viele Varianten davon, z.B. gleich zwei Ringgänge.

Solche ein Treffen ist einfach auch ein kulinarisches Fest. Wir fuhren zum "Déjeuner" hinaus in die Landschaft, hinauf, hinauf, links und rechts und wieder nach links und kamen dann an einem ziemlich einsamen Gehöft heraus, in dem wir alle, in mindestens 20 verschiedenen Fahrzeugen gekommen, das üppige Mittagessen zu uns nahmen. Da spielt sich ja immer ein ganz wesentlicher Teil dieser "congrès" statt - das Sich-kennen-Lernen der Leute, die um einen herumsitzen. Wieder sind Sprachkenntnisse sehr von großem Nutzen. Aber gelegentlich sitzt neben einem auch einer, der Kenntnisse des Deutschen hat. Ich hatte Glück, lernte Ton Breuls aus Maastricht kennen. Das Essen war ein Genuß, üppig, köstlich, reichlich und begleitet von rotem Wein, wenn man ihn bezahlte, was passierte.

Nachmittags kam die "Praxis". Wir besuchten drei "Annulaires": Piroux, Passafol, Presbytère. Sie alle sind unter dem Begriff "Annulaires" zu fassen, weil sie alle einen "Rundgang" haben, aber vollkommen unterschiedliche. Ist ihre vollkommen unklare Entstehungsursache unter einem "Begriff" noch zu fassen? Mir kommt das einer Vergewaltigung gleich. Der Form nach ja, aber des "Inhalts"? Was immer der jemals gewesen ist. Anschließend galt es zurückzufinden nach St-Bonnet, was gar nicht so einfach war. Schließlich hatten wir ziemlich viele Kilometer durch die Monts du Forez zurückgelegt. Abends ging es dann  zur "ferme de Grandris", wo ein ausgezeichnetes Abendessen gab. 

Am Samstagmorgen folgte eine weitere Vortragsreihe, diesmal sich einem etwas erweiteretem Themakreis als nur die "Annulaires": Luc Stevens stellte die "Mottes" vor, bei uns die "Hausberge", und wo in ihnen "Souterains", bei uns "Erdställe", vorkommen. Da ist die Datierung einfach, relativ, mittelalterlich. Einige haben welche, andere nicht. Lucille Paulet präsentierte neueste Ergebnisse wissenschaftlicher Ausgrabungen im Albigeois vor, wobei vor allem einen Architektenblick darauf warf. Auch das "bringt" etwas. "La Bove" ist eine besondere Erscheinungsform unterirdische Bauwerke und darauf warf Frédéric Willmann ein Auge. Von der selben Gruppe aus Arras stammt Stépanie Samier, die von den Getreidesilos, den "silos de graneros" in verschiedenen unter- und oberirdischen Zufluchtsorten im Norden Frankreich berichtete. Es ist schier unglaublich, wie lange die Nahrung halten kann, wenn man es nur geschickt genug anstellt. Frédéric Surmely schließlich zeigte die modernen Anwendungsmöglichkeiten des Bodenradars, GPR, an Hand eines Anwendungsbeispiel, wo man bekannte Souterains wiederentdeckte und neue dazu in der Nähe einer alten Burganlage in der Auvergne. Pünktlich wurde aufgehört. Das Mittagessen wurde diesmal im großen Tagungssaal eingenommen, was viel Fahrerei ersparte.

Nachmittags zog dann die ganze Autokarawane wieder los und es ging zu drei weiteren Souterains, die in Frankreich mit "type Ségala" bezeichnet werden. Die drei Anlagen waren in Germagneux, Soleymieux und La Tinésie. Ohne Ortskenntnisse würde man sie nie alleine finden, da sie sich wirklich irgendwo in der Landschaft meist "verstecken". Abends ging es wieder in die auberge de Garnier, wo wir wieder bestens verköstigt wurden. Zum Abnehmen hätte man nicht zu dieser Veranstaltung fahren dürfen! 

Am Sonntag hatte sich das Wetter ziemlich verschlechtert. Es goß teilweise in Strömen draußen. Drinnen gab es morgens die dritte Vortragssession mit Vorträgen, die eben auch zum weiten Themenkreis der "Souterains" passen: Dieter Ahlborn stellte die Erdstallausstellung vor, die seit Jahren nun schon durch eutschland tourt und der Öffentlichkeit auf sehr anschauliche Weise dieses rätselhafte Phänomen nahe bringt. Außerhalb der Reihe brachte er auch noch einen Beitrag über die Laservermessung des Erdstalls in Kissing bei Augsburg durch Studenten der Augsburger Uni und die Schaffung eines 3-D-Modells. Michel Pouzadoux beschrieb die Erzsuchaktivitäten und die Bergwerke in der Gegend um Bissieux in Frankreich, Ton Breuls zeigte uns die Feuersteinsteinbrüche südlich von Maastricht, bei Bise und Bassenge und den letzten Vortrag hielt Hugues Dourvert, der in seinem Beitrag die unterirdische Wasserleitung von Montoncel am Rande der Forezberge vorstellte. Fragen wurden da gestellt, auf die der arme Vortragende natürlich keine rechte Antwort geben konnte: Kann man aus dem Querschnitt der Wasserleitung berechnen, wie viele Menschen mit dem Wasser versorgt werden können? Oh, du heiliger Nußknacker. Dann fand noch die Hauptversammlung der SFES statt, wobei nicht zuletzt bestimmt wurde, wo man sich im nächsten Jahr treffen will. Mit Arras im Norden Frankreichs hat man eine gute Lösung gefunden. Der Termin ist noch offen und soll sogar mit dem Termin des Treffens der Erdstallforscher aus Deutschland und Österreich abgestimmt werden, damit auch Interessenten aus diesen Ländern wieder die Möglichkeit hätten, zu kommen. Eine freundschaftliche Geste.

Noch einmal ein feines Mittagessen im salle des fêtes, dann fuhr die Karawane zu zwei höchst sehenswerten Souterains, denen von Mas und von Arcy. Die Besitzer des Erdstalls ließen sich überhaupt nicht lumpen und servierten allen Besuchern eine ausgezeichnete Brotzeit, die ganze Bandbreite der feinen französischen Küche und der Keller umfaßte. Was für ein Ausklang!

Es bliebt nur noch zu danken, nicht zuletzt Eric Clavier, der souverän durchs Programm führte.

 

 
     
Alle stehen um den Eingang zu einem Souterrain herum, so daß dieser gar nicht zu sehen ist
Unterwegs auf Exkursion - das Wetter war auch trübe und regneerisch
Abens im Restaurant
Vor und nach einem Souterrainbesuch
Auf Tour

- Schlangen von Autos und Menschen

Literatur:

Clavier, Eric Les souterrains médiévaux des Monts du Forez, Bulletin du Groupe de Recherches Archéologiques de la Loire, Hers série N°6-2015

Links:

SFES

http://www.stjust-strambert.fr/temps-libre/culture-musique/archeologie.htm

Saint-Bonnet-le-Courreau - Tourisme, Vacances & Week-end


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