Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Eiskogelhöhlentour 2016



http://www.fhkf.de/sonne-und-eis-tour-zur-eiskogelhoehle/ / Ein weiterer lesenswerter Bericht über diese Höhlentour auf der Homepage der FHKF!


Die Eiskogelhöhle im Tennengebirge ist eine der GROSSEN HÖHLEN auf unserem klein gewordenen Planeten. Warum hebe ich das so heraus? Denn was heißt schon "GROSS"? In der Lister der "größten Höhlen" der Erde kommt sie heute wohl auf Platz 3015 und wöchentlich rutscht sie einen weiteren Platz nach hinten, denn, wenn man z.B. nach der Länge der vermessenen Strecken geht, 4,6 km, erreicht sie nicht einmal das Riesenhöhlenformat, d.h. 5.000 m.

Was hier zählt, das ist der Eindruck. Und es ist ein Erlebnis, daß es nicht nur uns so gegangen ist, den Menschen, die miir in den vergangenen 50 Jahren dort gewesen sind, sondern, daß der "Zauber" noch heute wirkt, auch bei der Generation von Höhlenforschern, den bis in den "Kern" hinein gegerbten, die heute die Forschung vorantreiben. Auch diese Höhle hat sich wieder geändert, weil sie es immer wieder tut. 

Das Dynamische ist ein einfach ein wesentliches Element der Eiskogelhöhle. Von Jahr zu Jahr hat sie wesentlich andere Charakteristiken - und das erfährt jeder hautnah, wenn er sich der Strapaze aussetzt, sie sich selber anzuschauen und sie massiv körperlich zu erfahren. Hier ist alles anders als in der nahen Eisriesenwelt, wo alles geglättet ist für den Tourismus. Hier zeigt die Natur andauernd alle ihre "Spitzen"', all das, was ja auch die "Natur" ausmacht, Kälte, Dunkelheit, Nässe, Dreck, Rutschigkeit, Ratlosigkeit, wohin es denn "geht", fehlende Plätze, wohin man denn den eigenen Fuß setzen könnte, hat man dann endlich irgend etwas gefunden, stellt sich die Frage, ob der Tritt hält, ob er wackelt, ob er mit einem runter fällt,  keinen Halt findet man immer wieder für die Hand, Unsicherheit, wohin man sich auch bewegt. 
Das Dynamische zeigt sich besonders in Bezug auf den Eisstand. Als wir in den 60er Jahren zum ersten Male an Pfingsten uns die steile Strecke hinauf in die Tauernscharte durch tiefsten Schnee zu Fuß hinaufgerampft hatten, da war der Ostteil der Höhle überhaupt kein Thema bezüglich der Befahrung. Der Boden bestand aus Eis auf weiten Strecken bis zur Polyphemusphorte, da konnten wir uns mit Steigeisen ganz einfach fortbewegen. Das ist heute ganz anders. Mit "Touristen" dort heute hinein? "Tourist" habe ich absichtlich in Anführungszeichen gesetzt. Denn da gibt es viele Sorten. Das Geld allein kann es heute nicht mehr sein. Da muß auch "Können" dazukommen. Und Mut und Risikobereitschaft. Manchmal liegt das Weiterkommen nur am Herausstehen eines kleinen Eisenstifts, den vorausdenkende Höhlenforscher einmal gesetzt haben. Sonst wäre da kein Weiterkommen mehr. Schlünde öffen sich da unter einem, keine Ahnung, wohin sie führen, ich will oft gar nicht alles wissen. Denn sonst würde ich wohl nicht mich da weiterwurschteln. 
Das Dynamische zeigt sich auch heute an der Schlüsselstelle der Höhle, der Polyphemuspforte. Das ist eine Engstelle, durch die jeder muß, der in das "Herz" der Höhle vordringen will. Dort ist jetzt, 2016, eine Art Windsperre, die den Durchzug der Luft sperren oder halt nicht kann. Da wir sie offen fanden, haben wir sie offen gelassen. Im Hintergrund steht wohl die Idee, daß man den Eisstand im Westteil der Höhle damit entscheidend verändern kann. Im Moment ist viel Eis im Westen, offenbar denkt man, daß da keine menschliche Nachhilfe notwendig ist.

Hat man den mühsamen Ostteil hinter sich, hat sich durch die Pforte gewunden und den ansteigenden niedrigen Anschlußteil hinter sich, dann kommt der Kick. Auf einmal scheint man in die Leere, das Nichts, ins Freie wieder auszutreten, nur, es ist einfach nur grabschwarz dunkel. Hier leuchten nicht einmal Sterne von oben. Die Titanenhalle ist erreicht. Wie kann so ein Hohlraum im Gestein eigentlich entstehen? Wo ist all der Fels, der da wohl auch einmal gewesen ist. Nur Druck von oben? Rausschwemmen? Evoporieren? Sich in Nichts auflösen?
Bücken muß sich unser Gestell jedenfalls für über 500 m nicht mehr. Der riesige Titanengang nimmt uns auf, fordert pausenlose Balanceübungen von uns, höchste Aufmerksamkeit, um nicht auf dem wackligen Untergrund ins Wanken zu kommen. 

Dann taucht die erste Eisfigur, einsam im Tunnel stehend, auf. Später mehr, mehr, mehr. Die Steigeisen müssen angelegt werden. Steilstufe um Steilstufe ist am Seil zu überwinden. Aus kleinen Gängen werden große, dann Hallen. Nach rechts geht es hinunter in die Circe, die in den letzten Jahren wieder sehr eisreich geworden ist und inzwischen ein richtiges Schatzkasterl für Höhlenphotographen darstellt. Aber, wer weiß schon, für wie lange? Viele Jahre hindurch gab es dort nur Steine zu bewundern! Nach links geht es zur Ed.-Richter-Halle, hinab über mehrere Eisstufen, dann zeigt sich auf einmal wieder Tageslicht - der Westeingang ist erreicht. Eine etwas "ekelhafte" Felsstufe, weil trittlos und wasserüberronnen, ist zu überwinden, aber mit Hilfe der Kameraden geht auch das. Eine Mittagspause um 1 Uhr ist angesagt.

Dann geht es zurück. Bilder werden gemacht. Willige Helfer stellen sich hier- und dorthin, Beleuchter sich auch essentiell. Herauskommt, was herauskommt. Meistens wünscht man sich, daß man dieses oder jenes wiederholten könnte. Aber gibt es ein nächstes Mal? Ist man jung, dann kann das durchaus der Fall sein, ist man alt, dann ist das ziemlich sicher, daß das nicht mehr sein wird. Mit meinen 67 Jahren nehme ich den ersten Fall an.

Daß ich da noch einmal hinaufkonnte, das verdanke ich den "Tigern" von der FHKF in Nürnberg. Die machen heute weiter, wo wir, Wilfried Lorenz und ich vor allem, Ende des letzten Jahrhunderts im Toten Gebirge angefangen hatten, im Almberggebiet. Der Zufall und die totale Ortsunkenntnis von meiner Seite hatte damals geführt, daß wir die Schneekegelhöhle gefunden haben. Dort haben sie weitergemacht und momentan das Gesamtsystem auf 21 km Gesamtganglänge vergrößert. Sie haben mir unterwegs zur Tauernscharte all meine schweren Sachen abgenommen und hochgeschleppt zum Höhleneingang und später wieder herunter. Ohne sie - denke ich - hätte ich das allein ein nicht mehr gestemmt. "Einer für alle, alle für einen". Der alte Solidaritätsspruch wurde hier praktiziert und erschall auch am Ende aus einem BOSE-Musikmacher am Höhleneingang. Die Klänge begleiteten uns durch die ganze Höhle, das Gerät blieb meistens angeschaltet, schließlich haben wir 2016. Manu Chango in der Titanenhalle, etwas schräg, aber halt wirklich gehö

Alle kamen abends vor 19 Uhr wieder gesund an der Hacklhütte an, was eigentlch das Wichtigste ist. Eine Runde Zirbenschnaps für die Träger, denn schließlich hat doch alles auf dieser Erde seinen "Preis". Zwei wurden nicht akzeptiert, weil die potentiellen "Schlucker" keinen Alkohol zu sich nehmen. Was ist schon wirklich unumstritten heute? Andere haben sich geopfert.

Am Sonntagmorgen bestellten wir das Frühstück für 7 Uhr, eine Stunde später als am Vortrag, wo wir ja noch ehrgeizige Pläne gehabt hatten. Deren Verwirklichung steckte wohl noch in unser aller Knochen. Eine Tour in die Eiskogelhöhle ist schon fordernd. Face the challenge. Und schau, daß Du gute Freunde dabei hast. You never know.

     
     
> Der Titanengang im Licht einer Skurionlampe / Biggy, modellierend

Literatur:

   

Links:

Die Eiskogelhöhle im Tennengebirge / Salzburg / Österreich


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