Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen im Gebiet der Laufener Hütte, Ostteil des Tennengebirges, Land Salzburg


4. September 2002
Alfred Schlagbauer war im Juni 2002 zum ersten Male hinauf zur Laufener Hütte im Ostteil des Tennengebirges gestiegen und begeistert wieder zurückgekommen. Höhlenforschermäßig ist das "Polengebiet". Seit 1980 kommen da alljährlich Forscher aus diesem Land Osteuropas und forschen dort mit großen Erfolgen. Besonders tiefe Schachthöhlen konnten dort gefunden werden. Auch in diesem Jahr waren sie wieder da gewesen.

Mit ihm stieg ich vormittags bei schönstem Wetter auf. Dank seiner Ortskenntisse begannen wir nicht direkt in Abtenau, sondern erst bei der Karalm.

Von dort geht es erst mal ein bißchen runter, quert dann einen Bach, der bei den sommerlichen Überflutungen den Wirtschaftsweg weggerissen hatte, und der gerade wieder gerichtet wurde, als wir vorbeikamen, und steigt dann bergauf auf einem erst ziemlich steilen und dann flacher wieder verlaufenden Weg. An ein paar Stellen gibt es sogar Drahtseile zum Festhalten. Gehen da auch die Kühe runter? Bei der Halsalm

geht es wieder erst mal kurz nach unten und dann über ein Schuttfeld hinauf. In dieser Region ist der besonders gut der Blick möglich auf eine ungewöhnliche Höhle. Sehr häufig verbergen sich die Höhleneingänge im Gelände, so daß man sie oft erst sieht, wenn man unmittelbar davor steht. Hier ist es vollkommen anders. Ein richtiger Rachen tut sich auf in einer steilen Felswand und ist schon einer Entfernung von vielen Kilometern sichtbar. Das Frauenloch.

Der große Kreis markiert den Eingang. Links daneben ist noch mal eine Höhlenöffnung. Nach einer Abseilstrecke von 130 m erreichten sie den manchmal aktiven Eingang einer kleinen Wasserhöhle

Dann hat man mal das Plateau mit seinen Latschenfeldern erreicht und steigt immer ein bißchen auf und ab auf einem sehr gut herrichteten Weg bis zur Laufener Hütte in ihrer herrlichen Lage.

Ein Foto von der Hütte in starkem Nebel - kein Panoramablick mehr an nächsten Morgen, sondern nur noch stärkster Nebel

Die mächtige Wandflucht des Fritzerkogels vor sich, nach Osten zu steilen Bergflanken und westlich der Blick auf die Grasmatten des Tennengrunds. Eine herrliche Ruhe herrschte rundum, allenfalls noch das Bimmeln von Kuhglocken und bei der Ankunft und das Akkordeonspiel einer Besucherin der Hütte unterstrichen sie eher, als daß sie ihr was anhaben konnten.

Wegtafel an und bei der Hütte

Der herrliche Sonnenschein lockte zum Draußensitzen auf der Holzbank, das Bier hatte der Hubschrauber herangekarrt, man muß es nur bestellen und kann sofort durch die sehr freundlichen Hüttenbetreuer, ein Rentnerpaar aus Laufen. Einen Hüttenwirt gibts nicht. Die Mitglieder der AV-Sektion wechseln sich jeweils ab und erfüllen die Aufgabe der Hüttenbetreuung abwechselnd jeweils für eine Woche. Nicht mal zahlen mußte man gleich, wer bleiben wollte, konnte auch "aufschreiben lassen".

Als unsere Kräfte einigermaßen wieder hergestellt waren, brachen wir zwei auf Richtung Grießkogel-Eishöhle. Wir waren auf den Spuren unserer Altvorderen, die schon vor vielen Jahren diese Höhle gefunden und erforscht hatten. Es gibt ein tolles Schwarzweißfoto von Gustave Abel, das ihn beim "Tischleindeckdich" zeigt. Diese Stelle wollten wir selber mal sehen..

Foto Gustave Abel

Den Eingang haben wir zwar gefunden. War nicht ganz einfach, nur dank bester Unterlagen, denn er öffnet sich ziemlich unvermittelt. Das Prinzip "Hoffnung" immer im Herzen tragend gingen wir in eine Richtung des Berges, wo man eigentlich die ganze Zeit gar nichts "Verdächtiges" von "Höhle" sah. Alfred, dem "Hüttenbauer", ging das Herz zwar schon bei der neuen Jagdhütte auf, die mitten im Gelände heuer errichtet worden ist. Mit Hubschrauberhilfe, Betonfundament und einem Standardholzrahmen, Schindeln und was halt heute noch so dazu gehört. Wo das Geld ist, da ist heute oft auch eine Möglichkeit.

Aber eigentlich hatte uns ja eine Höhle ins Gelände gelockt, von der aber weit und breit nicht die geringste Spur zu sehen war. Überhaupt war von "Höhlen" nichts zu sehen. Umso mehr von Kühen. Die trampelten überall durch die Gegend, hinterließen riesige Kuhtritte überall zurück, man könnte fast sagen, sie zerpflügten schon die Gebirgsrasen. Denn wenn eine Kuh mit 750kg Gewicht mal auftritt, auch wenn sie 4 Beine und Hufe hat, dann ist das doch was anderes, als wenn ein Mensch, der sich der 100 kg-Grenze nähert mit, mit Bergschuhen auftritt. Ein Problem, ein großes. Denn da wird zutiefst in die Landschaft und die Botanik eingegriffen. Was sind dagegen zwei Menschlein, die einen Rucksack auf dem Buckel tragen und sich mühsamst die steilen schuttigen Hänge hochquälen, um ein Loch zu finden?

Wir haben es geschafft. Auf einmal war fast 100 m über uns ein prachtvolles Höhlenportal. So was richtig Tennengebirgiges. Wie heißt es so schön in Wolfgang Ambros' Lied vom Watzmann: "Groß und prächtig, schicksalsmächtig.." 

Hat man es mal gefunden, dann heißt es sich nur noch hoch mühen. 10 auf 10 m oder größer am Eingang, dann macht es schnell zu, wird zur Spalte. Eine Inschrift an der linken Seite kündet von unseren Vorvorgängern: "VFHK". Der Rest ist nicht mehr zu lesen.

Viele, viele Gemsen (ich bleibe bei der alten Schreibweise, wie die mir an Schreibtisch ausgeheckt scheinende "neue" Weise einfach nicht in diese Gebirge zu passen scheint) müssen hier sich oft aufhalten. Ihre Verdauungsrückstände beherrschen den Höhlenboden.

In einem spaltenartigen Gang ging es weiter. Bei mir war nicht zum ersten Male "Beleuchtungssupergau". Karbidentwickler und Helm hatte ich dabei - allein keine Verbindung. Der Schlauch war 150 km entfernt in Gröbenzell geblieben. So quälte ich mit einen bescheidenen Elektrohelmlichtchen hinter Alfred her. Der leuchtete mit seiner hellen Helmlampe alles aus, kam aber auch nicht viel weiter. Später haben wir die Beschreibung der Höhle gelesen, wurden aber auch nicht viel gescheiter.

Irgendwie stimmte da etwas nicht mehr. Keine Rede war da von dem großen Schachtloch, das uns von der Fortsetzung auf der anderen Seite trennte. Ein kleiner Schneefleck auf der Seite erzählt vielleicht eine Geschichte. Oberhalb scheint noch ein Eingang zu sein, durch den wohl immer wieder Schnee hereingekommen ist. Vielleicht war da früher einfach eine Schnee- oder Eisfläche, über die man einfach drüberging und keiner dachte sich da jemals was dabei. Heute klafft da jedenfalls ein Loch, und über das ist kein einfaches Kommen mehr. Quergangbauen, Spitschlagen, vielleicht gar Trittstifte setzen. Hinunter geworfene Steine fielen tief, mindestens 8 m, wohl auch mehr. Kein Spaß.

Felstextur in der Höhle
Schon frustriert wandten wir uns einem kleinen Seitengang zu, blitzblanker, sauberster Fels überall, ein bißchen runter und wieder rauf, am Plan sahen wir dann, daß er gleich danach in einen 150-m-Direktschacht übergeht.

Kein Tischleindeckdich mehr heute. Umziehen wieder, verpacken der Sachen, Rückzug, Rückmarsch, ein schöner Hüttenabend. Man brachte uns standesgemäß in der "Bärenhöhle" unter dem Dach der Hütte unter.

Nächster Morgen. Pläne hatten wir schon, die "Rote Spinne". Aber ein aberwitziger Nebel draußen, und die Meldung über alle Rundfunkstationen: "Für den Nachmittag sind in ganz Österreich starke Regenschauer zu erwarten". Wir entschieden beim Frühstück: Abstieg ins Tal.

Vor der Entscheidung

Typisch. Als wir etwa eine Stunde von der Hütte entfernt waren, da machte der Himmel auf, ließen sich erst blaue Himmelsfelder sehen, dann sogar die Sonne. Trotzdem, beim Wirt der Karalm hatten wir noch ein tolles Gespräch über die Höhlen dort oben und über die ganze Forschungsgeschichte. Die hatte auch er sehr mitbekommen, z.B. als eines Tages ein Pole ihm erzählte, daß sie inzwischen einer großen Schachthöhle schon tiefer gekommen seien, als sein Haus dort stünde. Als die Polen dann versuchten, durch die Tricklfallhöhle nach hinten durchzukommen, dann holten sie bei ihm Brecheisen und Schlegel, damit sie sich tiefer in den Berg vormeißeln konnten. Viele Geschichten haben wir auf diese Weise gehört, die man nirgends liest, aber oft viel spannender sind, als so mancher Forschungsbericht. Wir kommen wieder.

Literatur:

Czoernig, W. Die Höhlen des Landes Salzburg und seiner Grenzgebiete, Salzburg 1926
Klappacher, Walter, Haseke-Knapczyk, Harald (Gesamtredaktion) Salzburger Höhlenbuch Band 4, Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, Salzburg 1985
Klappacher, Walter, Gesamtredaktion Salzburger Höhlenbuch Band 6, Salzburg 1996
Kodratowicz, Rajmund Kurzbericht über die Expedition des Speleoklubs "Bobbry" Zagan in die Tennengebirge'Ostregion August 2008, ATLANTIS 3-4 / 2009, S. 3-11
Dokupil, Wit Kurzbericht über die Expedition des Speleoclubs "Bobry Zagan" in das Tennengebirge-Ost August 2009, ATLANTIS 3-4 /2009, S. 12-14
Dokupil, Wit Bericht über die Forschungen im Tennengebirge des Speleoclub Bobry im Jahr 2010, ATLANTIS 1-2/2011, S. 57-60

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