Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Han-sur-Lesse

REFLETS DE PIERRE


Altes Höhlenplakat


Vom 21. Juni bis 21. September 1989 fand bei und in der Höhle von Han-sur-Lesse in Belgien ein ganz außergewöhnliches künstlerisches Ereignis statt - REFLETS DE PIERRE. Es handelte sich dabei um eine Ausstellung zeitgenössischer Skulpturen, die auf die Örtlichkeit Bezug nahmen. Man wollte heraus aus den üblichen Präsentationsorten, den Museen und Galerien. Es wurde von den Künstlern schon als eine "seltsame, unergründliche Geschichte" (gageur) empfunden, die eigenen zeitgenössichen Skulpturen in Bezug treten zu lassen mit den fantastischen und tausende von Jahren auf dem Buckel habenden Steinformen der Höhle, den Stalagmiten, Stalaktiten und den anderen Sintergebilden. Es sei müßig mit der anderen großen Schöpferkraft in Konkurrenz treten zu wollen, der Natur. Die Künstler seien mit allergrößtem Respekt und aller gebotenen Demut ans Werk gegangen, um ihre Skulpturen herzustellen und dort den richtigen Ort dafür zu finden.

Ich kam am Ende der Sommerferien aus England am Rückweg nach München Anfang September zufällig an der Grotte von Han vorbei und wurde von der Ausstellung völlig überrascht. Zu gern hätte ich mehr gesehen, auch den Weg durch die Höhle machen, um die dort untergebrachten Kunstwerke selbst einmal zu sehen. Da ich aber mit der Familie unterwegs war, meine beiden Kinder noch ziemlich klein waren und wir zurück nach München mußten, deshalb blieb mir nur eine halbe Stunde, um die vor der Höhle aufgestellten Skulpturen aufzusuchen, ein paar davon zu fotographieren, mir ein schönes, kleines Büchlein über das ganze Projekt zu kaufen, und etwas frustriert wieder weiterzufahren.

Monate später fand ich dann in einer deutschen Höhlenforscherzeitschrift einen aufregenden Kommentar. Zufällig waren Mitglieder dieser Höhlenforschergruppe im gleichen Sommer auch in Belgien unterwegs gewesen. Einer davon verfaßte einen Bericht darüber. Darin finden sich Zeilen über diese Ausstellung, die wegen der Klarheit des Urteils schon außergewöhnlich sind. Ich höre dabei richtig den Hirsch auf dem Wandbild überm Sofa röhren, der hier geschmacksbestimmend gewesen zu sein scheint. Hier der Auszug:

"An dieser Stelle möchte ich aber nicht eine uns alle erschreckende Wahrnehmung vergessen, eine Wahrnehmung, die nicht nur uns Höhlenfreunde, sondern mit Bestimmtheit alle naturliebenden Menschen aufs Tiefste erschüttert und empört und uns zu dem Vorsatz veranlaßte, nie mehr nach Han-sur-Lesse zu kommen.
Da hat doch aus unverständlichen Gründen die Höhlenverwaltung damit begonnen, die einmaligen Wunder der Natur druch künstliches Menschenwerk "zu verbessern". Mitten zwischen die prächtigsten Tropfsteingruppen werden Bildhauerprodukte verschiedener moderner Künstler aus Beton und artfremden Gesteinen gesetzt, sowie Bronzekugeln an Seilen und abstrakte Stahlkonstruktionen aufgebaut. Viele Arbeiter sind zur Zeit damit beschäftigt, die weitere Verschandelung der Höhle voranzutreiben.
Wie können die verantwortlichen Herren ein in Jahrmillionen geschaffenes Naturdenkmal, das der ganzen Menschheit gehört, so rücksichtslos verschandeln? Wo bleibt der Gesetzgeber, um das sündhafte Treiben zu unterbinden? Nichts gegen moderne Kunst, sie mag für Viele von großer Bedeutung sein. Doch was haben diese Werke von Menschenhand in einer Tropfsteinhöhle zu suchen? Gibt es denn .. keinen Menschen, der dieser sinnlosen Betätigung gewissenloser Naturschänder Einhalt gebietet? Warum stellt man nicht die Objekte in einem Freilichtmuseum auf dem Wiesengelände zwischen Höhlenausgang und Ortschaft zusammen? Dies wäre bestimmt ein Anziehungspunkt für viele Kunstexperten. Im Freien kämen sie sicher gut zur Geltung. In der Höhle dagegen wirken sie nur lächerlich, sind sie Störenfriede, Krebsgeschwüre an der Natur!"

Das ist so gut geschrieben, daß ich mir jeden Kommentar sparen möchte. Deutscher Naturliebhaber mit einem Zug zum Oberlehrerhaften. Gute Kunst stört immer, läßt sich "leicht konsumieren", verstört uns, vielleicht bringt sie uns zum Nachdenken, lehrt uns, unsere Welt "neu zu sehen".

 

Reflets de Pierre
P. Gerard
?
La Grotte
B. VERHAEGHE

Von B. van Ransbeeck stammt die Skulptur "Roddel bron", die ausgezeichnet das Thema des "In-die-Welt-Kommens" durch die Frau zeigt.

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Höhle ist wohl so alt, wie die Höhle bekannt ist. Heute erscheint sie oft in der Form der Gebrauchskunst, wo eine bestimmte Darstellung die Besucher zu Kauf eines Gegenstandes anregen soll. Beispiele sind diese Porzellanteller, die eine Bootsszene abbilden.

Alt ist auch die Darstellung auf alten Postern, wo die Leute angelockt werden sollten, um überhaupt mal die Höhle sehen zu wollen.


Literatur:

ohne Verfasserangabe, Textes Rouve Hauser, Photographies Guy Deflandre HAN REFLETS DE PIERRE, Exposition de sculptures 21 juin - 21 septembre 1989
Lindenmayr, Franz Zeitgenössische Kunst und Höhle, in: Arbeitskreis Höhle, Religion und Psyche, Tagungsmappe 1997 KUNST UND HÖHLE, München 1997

 


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