Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Kammerbacherhöhle in Hessen


Höhlen mit einem positiven Sagen- und Brauchtumsbezug gibt es gar nicht so viele. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts hörte eine alte Tradition ganz auf, die die Menschen veranlaßt hatte, vor dem Betreten der Kammerbacherhöhle ein Blumenopfer zu bringen. Aber schon 1842 beklagte ein G. Landau, daß sich das Blumenopfer nun auf den dritten Ostertag beschränken würden. An diesem Tage ziehe die erwachsene Jugend der nächsten Dörfer hierher und steige, mit Blumen versehen, in die Höhle hinab. Nachdem die Blumen niedergelegt worden seien, werde aus dem klaren Quell getrunken und das Wasser in Krüge gefüllt, um solches mit nach Hause zu nehmen.

Dem Wasser des Höhlensees wurden besonders heilkräftige Wirkungen zugeschrieben. Wenn eine Jungfrau in der Osternacht zwischen 11 und 12 Uhr aus dem Höhlensee Wasser schöpfe und sich mit dem Wasser öfters abreibe, so bliebe sie für immer schön. Sie durfte jedoch keinen Ton von sich geben, selbst wenn die stärksten "Versuchungen" an sie herantreten würden (z.B. in Gestalt von Burschen, die sie dazu verleiten wollten, doch ein "Tönchen" von sich zu geben).

Der Teich vor der Höhle ist trägt den Namen Hexen- oder Nixenteich und ist auch sagenbesetzt. Er sei unergründlich und von einer Nixe bewohnt. Mädchen, die nicht treu lieben können würden und dem Teich zu nahe kommen, würden von der Nixe geholt, in das Wasser gezogen und kämen nie mehr zu Tage.

Das Gebiet um den Meißner ist die Heimat der Frau Holle, und so verwundert es nicht, daß diese Höhle auch schon den Namen "Frau-Hollen-Höhle" bekommen hat. Nicht weit weg liegt die "Kitzkammer", eine weitere kleine Höhle, in die sie untreue Ehefrauen als Katzen verbannt haben soll!

Die Höhle ist auch für sich genommen bedeutsam. Sie ist die großräumigste Höhle Hessens und liegt im Zechsteindolomit des östlichen Meißnervorlandes. Historisch ist vor allem bedeutsam, daß sie er früheste urkundlich genannte Höhle in Deutschland ist. Damals verwendete man noch "Holstein" als Höhlenbezeichnung, und dieser Name kommt in einer Urkunde des Grafen Widekind II. von Bilstein vom 5. August 1267 vor. Der Graf mußte diesen Besitz wegen "leiblicher Not und weil ihm die Lebensmittel ausgegangen seien" an das nahe gelegene Prämonstratenserinnenkloster Germerode verkaufen.
Die wissenschaftliche Erforschung setzte mit S. Fries im Jahre 1879 ein, Adolf Weber veröffentlichte 1925 erstmals Planskizzen der Höhle, 1929 wurde die dann erstmals richtig vermessen von Stolberg. 1953 wurde der Plan gefaßt, die Höhle als Schauhöhle zu erschließen, was zwar zu einigen Baumaßnahmen führte, aber dann doch nicht zu Ende geführt wurde. Wer mehr darüber erfahren will, der sollte die von den Denkmalpflegern für die Reihe "Archäologische Denkmäler in Hessen 138" sehr sorgfältig erstellte Veröffentlichung konsultieren.

Interessant sind auch die Berichte und Geschichten von dauernden und temporären Veränderungen der Höhle. Die Großmutter eines alten Hilgershäuserners habe erzählt, daß die Höhle früher 2 große Eingänge gehabt hätte "und so geräumig gewesen wäre, daß man während der Erntezeit, wenn Regen gedroht hätte, die vollen schweren beladenen Wagen zum Schutz hineingefahren und durch den anderen Eingang herausgefahren wäre". Später sei dann Felsmassen heruntergebrochen und hätten den einen Eingang vollkommen verschüttet. Der heute benutzte Eingang ist relativ bequem zu begehen, soll früher viel kleiner gewesen sein. Man habe richtig in die Höhle hineinkriechen müssen. Das läßt an alte Durchkriechbräuche denken, die der Begehung der Höhle einen viel rituelleren Charakter gegeben haben könnte. Außerdem hat noch ein Phänomen, das relativ selten vorkommt, vielleicht früher eine für die Menschen, die in die Höhle kamen, eine größere Bedeutung gehabt, ein Lichtstrahl. Becker berichtet, daß in den späteren Nachmittagsstunden, wenn die Strahlen der untergehenden Sonne durch den Eingang auf den Wasserspiegel des Höhlensees fallen und von hier gegen die Decke der Höhle geworfen werden, eine solche Helligkeit entstehe, "daß von einer künstlichen Beleuchtung gewarnt wird, da sonst die weihevolle Stimmung dadurch vernichtet würde".

Am 29. März 1994 war ich selber mal in der Höhle. Mit Michael Läntzsch war ich auf der Rückfahrt vom 4. Höhle-Religion- Psyche-Treffen in Bad Lauterburg im Harz. Da paßte die Höhle thematisch hervorragend in unser Programm. Außer uns war niemand unterwegs. Die Höhle zu finden, war auch kein Problem. Was außergewöhnlich war, das war ein Felsbild an der Wand oberhalb des Eingangs - eine Teufelsfratze. Da hatte sich jemand sehr viel Arbeit gemacht! Leider ist durch die Ausbaumaßnahmen der Charme des Ortes weitgehend zerstört. Das Gitter vor dem Eingang enthält auch seine Botschaft. Schade, daß soviel bei uns zerstört wird.

Die Höhle liegt zwischen Hilgershausen und Kammerbach. Diese beiden Orte wiederum sind in der Nähe von Bad Sooden-Allendorf an der Werra in Nordhessen.

Der Weiher vor der Höhle
Blick Richtung Eingang
Die Wand rechts neben dem
Eingang mit der Teufelsdarstellung
Das Teufelsbild

Gedankt sie hier Gerhard Stein, der mir aus dem Höhlenkataster Hessen einige Unterlagen zur Verfügung gestellt hat.

Literatur:

Links:

 


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