Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Castelbouc, Gorges du Tarn, F


Im MICHELIN-Führer wird die Entstehung des Names "Castelbouc" so erklärt: In der Zeit der Kreuzritter, sei der Burgherr, der alleine im Kreise seiner Untertanen zurückgeblieben war, umgekommen wegen seiner grenzenlosen Mildtätigkeit. Als sich seine Seele in den Himmel erhoben habe, da konnte man über dem Schloß einen riesigen Bock ( bouc) schweben sehen. Andere Erklärungsversuche beziehen sich auf: "Castel de la Boca", was auf deutsch soviel wie "Schloß beim Loch" ist. Das ist ja keine schlechte Lageschreibung, weil der große Eingangin die schon von weitem wahrnehmbare Wasserhöhle mit ihrem hohen Eingang schon von weitem wahrzunehmen ist. Man muß genau an ihr vorbei, wenn man zu dem auf einem 60 m hohen Kalksockel sitzende, schier uneinnehmbare Festung, will. Zu ihren Füßen drängen sich etliche Gebäude, die wieder in einem sehr guten Erhaltungszustand sind. Sogar eine Kirche aus dem 13. Jahrhundert ist darunter und ein restauriertes Backhaus am Zentralplatz des kleinen Ortes. Alle Häuser waren beim ersten Male verwaist, als ich dorthin im April 2009 kam, beim zweiten Male hatte sich schon mindestens ein Bewohner einfunden, hatte die Fensterläden zu seinem Haus geöffnet, saß auch der erhöhten Terrasse und las dort seine Zeitung. Ein Bild absoluter Ruhe und größten Friedens, eingebettet in eine paradiesisch anmutende Landschaft, vollkommen unberührt von Wirtschaftskrisen und Bankenkurseinbrüchen.

Lucien Rouquet hat 1976 die Höhlen in diesem Gebiet in seiner akademischen Arbeit genauestens erfaßt und hat der blickspezifisch dominanten Wasserhöhle die N°1 gegeben. Ein kleiner Parkplatz ist direkt davor und erlaubt kurzzeitiges Parken. Auf dem Weg zur Quelle hängt an einem Baum einen "proprieté privé"-Zeichen, das aber, bezeichnenderweise, ziemlich zerschlagen nur noch am Baum hängt. Wer (be)schützt hier wen/m (noch) vor was? Hier sind sicherlich seit Jahrtausenden Menschen gestanden und haben was erlebt. Da waren sicherlich welche darunter, die wollten sehen, woher das Wasser kommt, wollen erleben, wie es ist, wenn man in den Längsgang eindringt. Wer unten bleibt, der taucht meistens bald, je nach Wasserstand, bis über die Knie oder auch tiefer ins Wasser ein, und kommt bis zu einem Wasserfall, der aus dem Blockwerk herunterschießt. Wer weiter hinein will, der muß sich einen ziemlich trittlosen Felsen hinaufwringen und kann dann weiter in den immer voluminöseren hohen Raum hineinsteigen.

Die Höhle wurde schon lange für wirtschaftliche Zwecke genutzt. Eine Mauer wurde am Eingang errichtet, um das Wasser aufzustauen und damit ein Gefälle zu erzeugen, das ein Wasserrad antreiben konnte. Ein Wirtschaftsstandort war damit geschaffen worden und sicherte sicherlich so manchen Lebensunterhalt. Als Edouard-Alfred Martel erstmals hier vorbeikam, 1888, erreichte er 60 m hinter dem Eingang den Endsiphon, wobei er sein berühmtes "Osgoodboot" einsetzte. Auch 1892 kam er nicht weiter. Im Laufe der Jahre verfiel das Sperrbauwerk, lange Trockenzeiten veränderten die Lage. 1947 kamen erstmals Höhlenforscher der Groupe Alpina de Millau etwas weiter. Sie mußten einen 14 m-Kamin erklimmen, dann entdeckten sie weitere 162 m Höhlengänge. 1968 erkletterten erstmals Höhlenforscher aus Lyon vom unteren Eingang aus die Wände der Höhle und gelangten nach einigen weiteren Passagen erstmals zum heutigen oberen Eingang, 47 m oberhalb. Am Siphonende des Höhlengangs gab es immer wieder Vorstöße. Patrick Penez gelang es schließlich im September 1979 den ersten Abschnitt zu durchtauchen und konnte nach 90 Metern wieder das Wasser hinter sich lassen.

Der obere Eingang wird inzwischen gerne für sportive Höhlenbefahrungen verwendet. Ganze Gruppen von Leuten werden mit Neoprenanzügen und Abseilausrüstung versorgt und zum oberen Eingang geleitet. Dort ist alles schon eingebaut, und los geht es. Gesichert lassen sich wohl auch Höhlenneulinge bewegen, sich in die Unterwelt einzulassen. Ein paar Quergänge mit Luft unter den Füßen, dann den großen Abseiler in die wasserdurchströmte Höhle, am Ende ein Kletterabstieg, der zum lichtdurchfluteten Eingang führt - wer das übersteht, der darf sich ruhig ein wenig mutig und Etwas-geleistet-Habend vorkommend! Nachmittags geht es dann zum Kanufahren auf den Tarn.... So vermarktet man heute sportliche Aktivitäten!

Der Eingang in die Nummer 4 der Höhlen von Castelbouc war immer schon bekannt. Bei Hochwasser schießt hier sicherlich immer wieder das kostbare Naß aus der Erde und wühlt sich hinunter bis zum Tarn. Normalerweise war da wohl ein Felsdach, dessen Boden zwar für Wasser durchlässig war, nicht für Menschen. Balsan berichtet davon, daß die Stelle von der Bevölkerung als "La Bucco" bezeichnet worden ist. Auf das Jahr 1724 geht die erste nachweisbare Erwähnung beider Höhlen zurück, zurück auf eine Erwähnung durch den Priester Père Louvreleul. Aus dem Jahr 1952 stammt der erste Bericht vom leichten Erreichen der ersten Halle durch Gerbal und Morel, aber nichts weiter Erfolgversprechenes konnte gefunden werden. Viele Jahre weiterer Versuche folgten, viele Erweiterungsunternehmungen, insbesondere Sprengungen wurden vorgenommen. Erst im November 1988 war es drei französichen Höhlenforschern vergönnt, die Früchte all der Bemühungen zu ernten: Didier Bosc, Alain Florent und Dominique Lapeyre. Sie konnten in den riesigen "Tunnel", den "Salle de Minuit" und die "Galerie du Sable" vordringen und wurden erst von einem Siphon aufgehalten. Die Gesamtganglänge beträgt heute 880 m bei einem Gesamthöhenunterschied von 102 m.

Im Internet findet sich die Beschreibung einer Höhlentour von Mitgliedern der Gewerkschaft der Polizei, durchgeführt mit Hilfe des DAV, was hier Deutscher Verein für Abenteuersportarten e.V. bedeutet. Es heißt da: "Mit den Füßen ging es durch einen engen Einstieg über eine dunkle Schlammrutsche in die stockdunkle Höhle. Von da an hieß es, sich durch enge Spalten und schmale Schächte mit Namen wie "Briefkastenschlitz" oder "Grotte der Demut" kriechend, robbend oder kletternd durch die Höhle zu bewegen. Eine höllische Übung für klaustrophobisch veranlagte Menschen - für die Abenteurer jedoch himmlich schön." Es fehlt die Angabe des Namens der Höhle, aber die Beschreibung paßt ideal für den Eingangsteil der Castelbouc n°4.

Wie sich gezeigt hat, gehören sowohl die n°1 wie n°4 eigentlich zusammen und stellen nur einen ganz kleinen Teil des sicherlich vorhandenen riesigen Höhlensystems, das sich hier entwickelt hat. Wo liegt der nächste Abschnitt und wer findet ihn?

 

 

Literatur:

Maurin, Yves Synoptique des operations de tracage realisees sur le causse Mejean, Spelunca n°29 / 1988, page 24-28
André, Daniel Lozère des Ténèbres, éditeur: Speleo-Club de la Lozere, Marvejols 1992

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