Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhle von Areni, Armenien


"Die Arenihöhle ist ein Geschenk Gottes an die Archäologen Armeniens", so wird Boris Gasparyan, der Leiter der Ausgrabungen in der Areni-I-Höhle, von den Armenian News im Internet zitiert. 

Die haben sich lange Zeit gelassen, ehe man erstmals im Jahre 2007 anfing, in der schon von der viel befahrenen Straße zwischen Yerewan und Goris im Arpatal sichtbaren Höhle zu graben. Sie trug auch den Namen "Birds' Cave" oder "Trchuneri" auf Armenisch, weil dort viele Vögel ihre Nester haben. Die Kinder spielten früher darin, Es wurden immer schon Geschichten über die Höhle erzählt, sie sei ein Tor in eine jenseitige Welt, in dem armenischen Gedicht "Sasna Tsrer" (die Teufelskerle von Sassoun) schloß sich der kleine Mher in der Höhle selber ein. Es heißt, daß sich sterbende und wiederauferstehende Götter in der Höhle versteckt gehalten hätten. Als derfrühere Besitzer einer Gastwirtschaft ganz in der Nähe daran machte, sein Restaurant bis in die Höhle auszudehnen, starb er. So mancher Zeitgenosse aus der Umgebung führte das auf das Wirken von Höhlengeistern zurück.

Mit der Ruhe in und um diese Höhlen ist es vorbei. Durch die Ausgrabungen zwischen 2007 und 2011 wurden wirklich einmalige Erkenntnisse gewonnen. Momentan ist wieder ein wenig Ruhe an der Front der Ausgrabungsaktivitäten, aber bald wird es weitergehen. Was dann gefunden werden wird? Niemand weiß es.

Was hat man gefunden?

- eine 6.100 Jahre alte Weinkelterei (man fand Gefäße, in denen die Reben gepreßt wurden, Lager"tanks" aus Lehm, Behälter um den Wein zu probieren, mehrere Werkzeuge, um Wein herzustellen, Hilfsmittel zur Vergärung, Überreste der kultivierten Weintrauben. Das trockene Klima in der Höhle machte sie ideal geeignet zur Herstellung des Getränks. Man vermutet, daß der Wein nicht nur einfach hergestellt wurde, um ihn zu "genießen", sondern er könnte auch schon für kultische Zwecke verwendet worden sein. Schließlich hat man auch 20 bestattete Menschen in unmittelbarer Nähe der Weinherstellungsanlage gefunden. 

- ein 5.500 Jahre alter Schuh aus Leder wurde entdeckt. Er war innen mit Gras ausgeschoppt. Der Schuh wurde aus einem einzigen Stück Leder hergestellt, das in zwei Stücke geschnitten worden war. Heute wird er im Historischen Museum in Yerewan aufgewahrt.

- ein Stück eines Rocks aus Stroh wurde 2010 gefunden, der heute fast 6.000 Jahre alt ist

- 2008 fand man etwas, was sich später Teil eines menschlichen Gehirns herausstellte, der früheste Fund bislang auf der Erde, gerade einmal 10 cm groß.

Heute ist das Gelände umzäunt, man hat Wächterhäuschen errichtet und man kann nur noch mit fachkundiger Führung die Höhlen betreten. So erfährt man eine Menge über Höhlen, es ist ja nicht nur eine, sondern mehrere. Man läuft auf angelegten Pfaden, zwängt sich in einige schlanke Gänge, muß sich etwas bücken, kommt in Räumen heraus, die nur schwach beleuchtet sind, sieht hinein in Gänge voller Schnüre und Sandsäcke, blickt auf Tontöpfe und auch Kristalle, bei denen steht, daß man sie ja nicht anrühren darf. Immerhin erlaubt man das Photographieren, allerdings nur, wenn man das Blitzlicht ausschaltet, was heutzutage im Zeitalter der digitalen Photographie ja kein Thema mehr ist. 

Wer nach der Tour Hunger oder Durst bekommen hat, für den ist gesorgt. Die Gastronomie ist schon vor Ort.

Dort, wo die Höhle liegt, da geht es hinein in eine spektakuläre Felsschucht hinauf zum Kloster Noravanq. Sie ist für Höhlenforscher ein eigener Attraktionspunkt, denn es gibt dort weitere Höhlen. Eine war in der Planung, als Schauhöhle ausgebaut zu werden. Angesichts der neuen Entwicklungen wird das hoffentlich für immer unterlassen. In ihnen könnte man nur zeigen, was überall sonst in Höhlen zu sehen ist. Aber eine uralte Weinherstellungsanlage, die gibt es bislang nur in der Arenihöhle.

Noch eine Beobachtung: Fledermäuse werden ja gerne als scheue Tiere dargestellt, die den Kontakt mit den Menschen eher vermeiden. Aber wahrscheinlich ist es so wie allen anderen Lebewesen. Da gibt es solche und auch andere. In der Arenihöhle jedenfalls hing eine kleine FM direkt am Führungsweg, dort der Besucherteil zu Ende ist und alle nur noch umkehren können. Dort ist maximale Bewegung, maximaler Lärmpegel. Jeder hätte das Tier berühren können. Sie ließt sich von all dem Getümmel scheinbar überhaupt nicht geeindrucken. Ähnliches habe ich vor vielen Jahren auch schon in der Maximiliansgrotte beobachtet, wo eine FM direkt im Weg an einer Stelle hing, wo sich alle bücken mußten, um darunter weiterzukommen. Man könnte sagen, "blöder" hätte sie nicht hängen können, aber sie tat das. 

   
     
Noravanq-
Schlucht

Die uralte Linie setzt sich fort. Bei Areni gibt es heute intensiven Weinbau und die Produkte haben einen sehr guten Ruf! http://areniwines.am


Literatur:

Areshian, Gregory E., Boris Gasparyan, Pavel S. Avetisyan, Ron Pinhasi, Keith Wilkinson, Alexia Smith, Roman Hovsepyan, and Diana Zardaryan,  The chalcolithic of the Near East and south-eastern Europe: discoveries and new perspectives from the cave complex Areni-1, Armenia," Antiquity 86, Mar 2012: 115-130.
Flaig Torsten Armenien, DUMONT, Ostfildern, 1. Auflage 2018
McGovern, P., Mindia Jalabadze, Stephen Batiuk, Michael P. Callahan, Karen E. Smith, Gretchen R. Hall, Eliso Kvavadze, David Maghradze, Nana Rusishvili, Laurent Bouby, Osvaldo Failla, Gabriele Cola, Luigi Mariani, Elisabetta Boaretto, Roberto Bacilier Early Neolithic wine of Georgia in the South Caucasus," Proceedings of the National Academy of Sciences Nov 2017: 10309-10318.
Wilkinson, K.N., Boris Gasparian, Ron Pinhasi, Pavel Avetisyan, Roman Hovsepyan, Diana Zardaryan, Gregory E Areshian, Guy Bar-Oz & Alexia Smith Areni-1 Cave, Armenia: A Chalcolithic–Early Bronze Age settlement and ritual site in the southern Caucasus," Journal of Field Archaeology Vol. 37, Iss. 1, 2012: 20-33.

Links:

http://news.nationalgeographic.com/news/2011/01/110111-oldest-wine-press-making-winery-armenia-science-ucla / https://www.atlasobscura.com/places/areni-1-cave-complexcaverna de T'rchunneri http://www.atb.am/it/armenia/sights/caves/trchunneri/
https://www.ancient.eu/Areni_Cave/

Speläologisches in Armenien

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