Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Great Cave im Niah NP, Borneo, Malaysia


3,5 km Fußmarsch auf einem Holzplankenweg durch einen tropischen Dschungelwald sind es, bis man an eine Wegkreuzung kommt. Zuvor konnte man gelegentlich ein durchs Blätterdach ein paar Blicke auf dahinter durchscheinende mindestens 100 m hohe Kalkfelswände werfen, aber ein Überblick über das Gesamtgelände gewinnt man eigentlich nie. An der Wegkreuzung sitzen meist ein paar Frauen aus der nahen Langhauseinheimischensiedlung von Rumah Patrick Libau unter ein paar Dächern und versuchen, Souvenirs zu verkaufen. Mehr von praktischem Nutzen sind die Getränke in Dosen, die eiskühlt in Containern angeboten werden. Die feuchte Schwüle des Klimas macht großen Durst und sichert den Absatz.

Man geht durch ein absperrbares Gittertor und kommt danach wieder unversehens zu einer Felswand. Nicht m Talgrund, der etwa 20 m tiefer liegt, sondern eher eine Etage darüber, beginnt das Riesenfelsdach der "Trader's Cave". Das ist alleine schon wegen der Dimension umwerfend. Es gehört genau in die Gruppe von "Höhlen", die viel breiter als tief sind. Geschätzt sind das 150 m Länge und 20 m Breite und 10 m Höhe. Was den Ort noch so besonders macht, das sind die Reste einstiger Holzbauten, die man hier errichtet hatte. Dort haben die "Händler" gelebt, die den Arbeitern den Guano und die Schwalbennester, die sie  in der nahen Höhle gewonnen haben, abnahmen, ihn weiter zum Fluß brachten und dann auch den Vertrieb übernahmen. 

Nach der Trader's Cave geht es auf einem Holzsteg entlang der Felswand dann hinüber zum Riesenportal der Great Cave. Es kann leicht in der Liga der größten Höhleneingänge der Welt mitspielen. Die maximale Breite liegt bei ca. 250 m und die maximale Höhe an einer Stelle beträgt 60 m. Gleich am Zugang zum Portal ist eine große Grundfläche mit einem hohen Zaum abgesichert. Dort befindet sich die große Grabungsfläche der Archäologen, die wo ihr Tätigkeitsareal haben. Besonders ein Fund hat die Fachwelt hellhörig gemacht: ein Menschenschädel, dessen Alter immer wieder angezweifelt wurde, aber man darf noch immer davon ausgehen, daß es ca. 40.000 Jahre alt ist. Um die Irritation ein wenig besser zu verstehen: Vorher war der älteste bekannte Schädelfund in der Dordogne in Frankreich gemacht worden, der 33.000 Jahre alte Cro-Magnon-Mensch. Die Wiege der menschlichen Kultur nicht mehr im Herzen Europas, sondern vielleicht auf einer isolierten Insel in Südostasien? 

Inzwischen weiß man einiges mehr über die Lebensumstände und die Details des Funds. Man hat nachgegraben und herausgefunden, daß die Stelle schon seit mindestens 50.000 Jahren vom Menschen besiedelt ist. Man weiß nun auch, daß der Meeresspiegel erheblichen Schwankungen unterlegen hat, daß es z.B. bei einem niedrigen Meeresspiegel eine Landbrücke vom Felslandmalaysia hinüber nach Borneo und andere Inseln des Indonesischen Archipels gegeben hat. Man brauchte also zeitweise keine Boote, um in die Region zu kommen. Und das Meer ist auch schon höher gewesen, so daß die Kalkfelsstöcke, die heute 17 km von der Küste entfernt sind, schon vom Meer fast direkt erreicht wurden, so daß ein ganz andere Nahrungsangebot vorhanden war. 

Vom Portal weg ziehen zwei riesige Felsgänge quer durch den Berg bis zur anderen Bergseite. Ein Großteil der Wege wird vom Tageslicht erhellt, das auch durch die verschiedenen Taglichtschächte hereindringt. Wer die touristisch erschlossenen Teile alle sehen will, der braucht trotzdem künstliches Licht. Das wird einem für 5 Ringit zum Ausleihen schon im Museum angeboten, aber es versäumt hat, sich damit schon vorher zu versorgen, dem hilft heute vielleicht die Taschenlampenfunktion seines Smartphone wenigstens notdürftig weiter. 

Eine große Besonderheit weist die Höhle auf: Sie ist ja nicht nur Naturobjekt, sondern ein Ort, den der Mensch immer auch genutzt hat. Neben einem Aufenthaltsort wurde er auch als Grabkammer genutzt, die bis ins Jahr 1.400 n.Chr genutzt wurde. Auch Produktionsstätte und damit Arbeitsplatz ist sie - noch heute. "Arbeiten" tun hauptsächlich die Tiere, die dort leben, die Fledermäuse und die Höhlenschwalben. Es lebten einstmals fast 500.000 Fledermäuse und 4 Millionen Schwalben in der Höhle. Über die aktuellen Zahlen habe ich keine Angaben gefunden. Um zu verhindern, daß aus kurzfristigem Gewinnstreben heraus eine Übernutzung passiert, wie das in anderen Höhlen des Raums schon geschehen ist, haben die verschiedenen Beteiligten einen Kompromiß geschlossen und z.B. Schonzeiten ausgewiesen, wo die Tiere in Ruhe gelassen werden.  
Unübersehbar sind in den Höhlenräumen die Holzgestelle, die kühn an den Wänden zu kleben scheinen, die zur Gewinnung der Schwalbennester dienen. Der Weg dorthin führt über lange Holzstangen, die normalerweise immer einige Meter oberhalb des Bodens enden. Es dürfte sich um ein paar der luftigsten Arbeitsplätze der Welt handeln, die nur von echten Kletterspezialisten mit hoher Risikobereitschaft besetzt werden könnten. Für die Schwalbennester werden Mondpreise verlangt, was ein wenig verständlich ist, wenn man zwei Zielgruppen dafür genauer anschaut: Impotente Männer, die auf ein Wiederaufleben ihrer Manneskraft hoffen, und Frauen, die 
Der zweite Arbeitsplatzgruppe bilden die Guanogräber. Sie haben im Höhlenraum sogar ein paar kleinen Hüttchen errichtet, wo sie wohl ihr Arbeitszeug aufbewahren. Tonnenweise wird die Tierscheiße der Fledermäuse und der Schwalben vom Boden aufgesammelt, in Säcke verpackt und abtransportiert. In den Jahren zwischen 1946 bis 1959 soll es sich um jährlich 480 Tonnen gehandelt haben.

Ein Gang durch die Höhle ist öfters ein Auf und Ab auf Holzstiegen. Etwa in der Mitte der Höhle befinden sich ein paar große Deckenlöcher und wenn man etwas um die Mittagszeit dort ist, dann erlebt man ein Naturschauspiel, das seinesgleichen auf der Welt sucht. Zwei Vorausetzungen müssen gegeben sein: Die Sonne scheint und man ist für die wenigen Minuten, wo der Lichteinfall von oben möglich ist, wirklich zur Stelle. Ein Riesenlichtstrahl kommt dann von oben herab und taucht die ganze Innenwelt des Berges in ein magisches Licht. Breathtaking ist das ganz einfach.

Die Holzstege in der Höhle bringen einen an viele Stellen, aber nicht zu allen. Ein Blick auf den Höhlenplan zeigt, daß man da ungefähr gerade die Hälfte mitbekommt. Bei über 4 km Gesamtganglänge sind das immerhin 2 km. Die meisten Besucher eilen durch den Berg und auf der anderen Seite wieder hinaus, denn da geht es noch zur Painted Cave in einen Felsklotz nebenan. Da von hier kein Weg weiterführt, geht es dann die ganze Strecke wieder rückwärts - insgesamt eine ansehnliche und schon anstrengende Strecke.

Wenn nicht viel los ist, dann trauen sich vielleicht auch die verschiedenen Tiere eher bis zum Besucherweg, die hier ihren Lebensraum haben. Ich habe z.B. die Schwalben in einem kleinen Kolk gleich am Weg bis auf 1 m Abstand bei mir. Die Fledermäuse hängen überall an den Wänden herum und scheinen sich von den Besuchern in keinster Weise stören zu lassen. Auf den zahlreichen Geländern sitzen immer wieder Höhleninsekten von einer Größe, daß einem der Atem stockt. 10 cm sind da durchaus die Regel. Auch Schlangen soll es geben, Racer Snakes und Kobras, aber mir kam keine vors Gesicht.

Beim Abgehen der Räume, um gute Photostandpunkte zu finden, kam ich auch ein wenig weiter weg von den Holzstegen. Besonders an den Höhlenwänden gibt es da langgezogene Gruben, in den massenweise leere Plastikflaschen herumliegen. Als ich am nächsten Morgen am Empfangsschalter des Nationalparks nachfragte, ob sie mich nicht mit ein paar großen Plastiktüten versorgen könnten, damit ich einiges von diesem Material wieder herausschaffen könne, bekam ich als Antwort, daß man dafür schon Personal habe. Das würde mindestens einmal in der Woche durch die Höhle gehen und sie säubern. Dabei wird man wohl auch die vielen Papierkörbe leeren, die entlang des Weges angebracht sind. Das ist schon wohl so, aber gereinigt wird offenbar nur da, wo es direkt ins Auge fällt. Dahinter beginnt die Müllwildnis. Womit Geld zu machen ist, das kehren sie bis aufs letzte Scheißhäuferl in ihre Düngemittelsäcke, ansonsten bleibt alles liegen, wo es einem lästig wird. Na dann, warten wir halt auf die nächste Putzkolonne.

 

> Die Höhlenschwalben

Auf dem Weg zur Great Cave passiert man die sog. Trader's Cave. Diese ist eher ein riesengroßes Felsdach als eine klassische Höhle.

 

 

 


Literatur:

Harrison, Tom The Caves of Niah. A History of Prehistory, Sarawak Museum Journal 8, Kuching 1958, 549-595
Harrison, Tom The caves of Niah, Sarawak Museum Journal 2,13/14, 1959, 134-185
Pröstler, Wolfgang Karstgebiete und Höhlen in Sarawak, NHG Mitteilungen, 30, Nürnber 1987, S. 22ff.

Links:

http://www.abc.net.au/science/slab/niahcave/default.htm
https://www.journeymalaysia.com/MR_niahnationalpark.htm
http://www.borneo.com.au/sarawak/sarawak-tours/myy3
https://www.britannica.com/place/Niah-Cave
http://www.theborneopost.com/2012/03/17/swiftlet-numbers-dwindling-in-niah-caves/

Landschaft und Höhlen auf Borneo, Malaysia


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