Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Therme in Vals, Graubünden, CH


In der Süddeutschen Zeitung vom 16. November 2007 finden sich folgende Zeilen: "..was in Vals im Schweizer Kanton Graubünden schon seit einigen Jahren die Fachwelt als "Ästhetische Felsenhöhle" begeistert - als eine der schönsten Wasserarchitekturen der Welt (entworfen vn Peter Zumthor)....ist eine Variation der seit der Antike bekannten Bauaufgabe der Therme." Und dann steht da noch: "Wer je in Vals war, wird den Kachelkisten der fünfziger und sechziger Jahre vielleicht in sportlicher, kaum aber in architektonischer Hinsicht nachtrauern."

Wilhelm Schmid, ein deutscher Philosoph aus Berlin, schwärmt: "Hier ist die Sakralisierung des Wassers neu erfunden worden, hoch oben in Graubünden..an einem der Quellbäche des Rheins, des Valserrheins.Wohin wir auch blicken: Wir sehen Entrückung und Verzückung in den hohen widerhallenden Räumen. Paare sinken einander in die Arme, sie können nicht anders. Über die Lippen dringt ein "Schön, so herrlich schön."" Ein wenig weiter heißt es dann: "Nur Minuten ist es auszuhalten in der Höhle mit dem heißen Wasser, noch weniger gegenüber im eiskalten Becken.."

In einem Text zu dem 2007 erschienenen Buch über die Therme heißt es: "Die Therme Vals, 1996 eröffnet, wurde in kürzester Zeit zu einer Ikone der schweizerischen und internationalen Architektur. Das Gebäude ist verwachsen mit Geschichte und den Materialien des Ortes, der Gneis der Aussen- und Innenfassade stammt aus der näheren Umgebung."

"Berg, Stein, Wasser - Bauen im Stein, Bauen mit Stein, in den Berg hineinbauen, aus dem Berg herausbauen, im Berg drinnen sein, am Ort, wo das Valser Thermalwasser entspringt -, wie lassen sich die Bedeutungen und die Sinnlichkeit, die in der Verbindung dieser Wörter stecken, architektonisch interpretieren, in Architektur umsetzen? Entlang dieser Fragestellungen haben wir ein Bauwerk entworfen, hat es Schritt für Schritt Gestalt angenommen."

Neugierig haben mich diese Sätze gemacht, gerade aus einer anthropospeläologischen Perspektive, und so bin ich selber mal hingefahren...


Anfang August 2008 war es tatsächlich soweit. Wir standen an der Kasse in Vals in der Therme und taten unseren Wunsch kund, hineinzuwollen. Und... wir mußten erst einmal waren. Normal ist offenbar, daß jemand "reserviert" und einer entsprechenden Nummer dann auch vorgelassen wird. Die Bewohner der Hotelanlage im Hintergrund haben ein Dauerzutrittsrecht und üben es, verständlicherweise, natürlicherweise auch aus. Die bekommen dann einen Stapel an weißen Badetüchern mit und verschwinden ungestoppterweise halt auch gleich in den dunklen Gängen des Eingangsgebäudes. Das ist schon unübersehbar in massivem Schwarz gehalten, was freilicherweise an das Erdinnere erinnert! Die natürliche Farbe des Erdinnern ist schließlich normalerweise Schwarz - alle Ausnahmen nehmen Kenner der Unterwelt extrem zur Kenntnis!
Nach einer gewissen "Aufkochzeit" durften auch wir Unangemeldete in die nah/ferne Warmkalthelldunkelwassertrockenwelt. Der Eintrittspreis hatte ein besonderes Format: 40 Franken waren zu blechen.

Dann ging es zu einem Drehkreuz und danach leicht abwärts in die dampfige Badegrotte. Luxusbadekabinen mit Lederhockern in der Mitte - dort wechselten auch wir von der Außenkleidung in die Badekluft. Ein paar Meter weiter - und der Blick wurde frei in die zum Photographieren verbotenen Räume. Warum denn? Um Gottes Namen? Eine große Badehalle ist da, mit rechteckigen, innen hohlen Tragekonstruktionen. Zentral ist das Warmwasserbecken, das von oben über 16 quadratische Deckenöffnungen mit blauer Abdeckung etwas Licht bekommt, die an Charles Rene Macintosh, der schottischen Jugendstilarchitekten, erinnern.

Daneben gibt es dann auch noch ein großes Außenwarmwasserbecken, das von 3 Wasserröhren gespeist wird.

Die besondere Atmosphäre entsteht durch die Wandverkleidungen aus glatten Gneisplättchen, mit denen alle Wände verkleidet sind und die flache und unverkleidete Betondecke darüber. Was das Bad auch von allen andern unterscheidet sind die Erlebniszonen in den Hohlkammern. Am besten sind die vier Badebecken mit unterschiedlich temperiertem Wasser. Das stärkste "Höhlenerlebnis" gibt es im nach außenhin unscheinbarsten hohlen Turm. In einer Raumecke führt eine flache Steintreppe hinunter in ein kleines Wasserbecken. Da biegt man dann nach rechts ab in eine kurze Passage und erst dort in ein schmaler niedriger Eingang dann sichtbar. Durch den gilt es gebückt zu schreiten, eh man in einen quadratischen hohen Raum kommt, der auch innen mit den Gneisplatten verkleidet ist. An den Wänden sind Stangen, an denen man sich einhalten kann. Beleuchtet wird alles spärlich durch Unterwasserscheinwerfer. Ständig kommt aus den Öffnungen im Boden sehr warmes Wasser nach oben. Den eigentlichen Zauber dieses Ortes bekommt man erst mit, wenn man einmal die Akustik ausprobiert. Dazu ist es gar nicht notwendig, Opernarien zu schmettern, sondern schon ein sanftes leises OM versetzt alles in Schwingung. High ohne Rauschgift könnte man da werden.

 
   
 
   
 
 
 
 
 
   

Inzwischen gibt es in Vals noch ein weiteres Baudenkmal, das auf die "Höhle" Bezug nimmt, die Villa Vals:

http://www.archdaily.com/43187/villa-vals-search-cma/

 


 

Zumthors Höhlensystem in: Österreichischer Rundfunk (ORF) (radio), Ausgabe vom 10.7.2002

Literatur:

Feßmann, Prof. Klaus KlangSteine - Begegnung mit dem ewigen Gedächtnis der Erde, München 2008
Gantenbein, Köbi, Guetg, Marco, Feiner, Ralph (Hrsg.) Himmelsleiter und Felsentherme, Rotpunktverlag 2009
Hauser, Sigrid, Zumthor, Peter Peter Zumthor - Therme Vals, Scheidegger & Spiess, 2007
Krohn, Tim Nachts in Vals, Galiani, Berlin 2015
Matzig, Gerhard Im Reich der blauen Kachel - Das billige Hallenbad verschwindet - und wird durch teure Wellness-Oasen ersetzt, Süddeutsche Zeitung Nr. 264, 16. November 2007, S. 13
Meyer, Üse, Schettler, Ulrike, Westermann, Reto Architektur erwandern - Touren zu moderner Schweizer Architektur in den Alpen und Voralpen, WERD VERLAG, Zürich 2007
Riedmann, S. Valser Wasserinszenierung, in: 20er - Die Tiroler Straßenzeitung, 2/2006, Ausgabe vom 15.2.2006
Sack, M. Wasser, Stein und Licht - Über den Schweizer Architekten Peter Zumthor und sein Thermalbad in Vals, in: Die Zeit, 1997, Ausgabe vom 2.1.1997
Schmid, Wilhelm Die Kunst der Balance - 100 Facetten der Lebenskunst, Frankfurt a.M. und Leipzig, 2005, S. 98f.
Zumthor, Peter, Hauser, Sigrid Therme Vals, Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2007

Links:

 


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