Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Anfangssituationen des "Höhlenforschers"


Meine "erste" Höhle


"Gründe, so scheint mir, sind immer unklar. Kausalität findet im Leben nirgends statt, nur im Denken. Es gibt keine Menschen, die aus "Gründen" handeln, sie bilden sich das bloß ein, und namentlich versuchen sie, im Interesse der Eitelkeit und Tugend, anderen dies einzubilden." Hermann Hesse, Die Nürnberger Reise

"Ich habe immer gefunden, daß nicht nur ich, sondern auch jene beneidenswerten Menschen, die für ihre Taten Gründe anzugeben wissen, in Wirklichkeit niemals von diesen Gründen bewegt und geleitet werden, sondern stets von Verliebtheiten, und habe nichts dagegen, mich zu dieser Verliebtheit zu bekennen." Hermann Hesse, Die Nürnberger Reise

"Die spannendste Situation ist immer der Anfang." Karlheinz A. Geissler


Gibt es so etwas wie einen "Höhlenvirus"? Den fängt man sich irgendwo ein und sobald man ihn "hat", dann hat er uns und wir kommen nicht mehr los von den "Höhlen"? Läßt er sich nachweisen anhand der Biographie von einzelnen Höhlenforschern?

Das war meine Ausgangsfrage, als ich mich mit den Anfangssituationen von Höhlenforschern auseinandergesetzt habe. Anläßlich der Verbandstagung 2004 in Aschau habe ich schon einmal einen kurzen Vortrag gehalten und ein Gespräch mit dem Publikum darüber geführt. Ausführlich ausgearbeitet habe ich bislang dieses Thema noch nicht. 

Aber da gab es jüngst einen neuen Anstoß. "Martel's First Cave" heißt der Artikel von T.R. Shaw und er argumentiert, daß der Vater der französischen Speläologie bereits im Alter von 5 Jahren seine ersten Höhlen besucht hat, die Beatushöhlen bei Interlaken und die Gletscherhöhle von Arveyron bei Chamonix. Letztere sei, so die nachvollziehbare Behauptung von Shaw, tatsächlich seine erste Höhle gewesen. Hat dort alles angefangen?

Über einige Personen erfahren wir sogar im Internet etwas darüber, wie sie zu den Höhlen gekommen sind:

Heller, Martin http://www.speleoprojects.com/pics/downloads/IE1-4_00.pdf
Hubka, Walter "Es begann an einem Vormittag im Juni 1939. Ich war
13 Jahre alt und ging in das Realgymnasium am
Hanuschplatz in Salzburg. An der Stelle des Gebäudes
steht heute der AVA-Hof, ein Einkaufs- und Büroge-
bäude am Franz-Josef-Kai in der Altstadt. Damals hieß
unsere Schule seit einem Jahr auf gut Preußisch „Ober-
schule für Jungen“. Das hat mich immer geärgert, aber
wir wurden nun „Jungen“ und nicht mehr „Buben“ ge-
rufen. Nur ein Schritt weiter und aus uns Buben waren
fortan Hitlerjungen geworden...Der
verlas umständlich die Ankündigung, dass am Abend
der bekannte Salzburger Höhlenforscher Gustave Abel
in der „Deutschen Arbeitsfront“ einen Lichtbildvortrag
halten würde. Mein Banknachbar Willi Angerer aus
Schladming war sofort Feuer und Flamme mit mir
hinzugehen. .." https://www.zobodat.at/pdf/Hoehle_67_0128-0136.pdf
Limbert, Howard https://www.audleytravel.com/blog/2014/january/10-questions-howard-limbert
"I started caving while at school. It was a choice of cross-country running or outdoor activities, which included caving, climbing and sailing — an easy decision!"
Martel, Eduard http://www.ubss.org.uk/resources/proceedings/vol17/UBSS_Proc_17_3_246-249.pdf
Wielander, Barbara https://www.zobodat.at/pdf/Vbnr_2018_5-6_0001.pdf
Wolf, Benno  "1897 war Julius Riemer als Siebzehnjähriger zum ersten Mal im bekannten Höhlenort Rübeland im Harz und besuchte dort die Baumanns- und die Hermannshöhle. Letztere erregte sein ganz besonderes Interesse, weil sie erst 1866 entdeckt und für den Tourismus erschlossen worden war......."
https://www.karstwanderweg.de/publika/argekaha/1+2_12/2-40/index.htm

Andere haben ihre Anfangssituation schriftlich festgehalten und selber oder über andere wurde das  dann veröffentlicht:

- Dolfi Triller in "Meine allererste Höhle" in der Münchner Höhlengeschichte 1. Äußerst lesenswert.

- Jörg Obendorf
"..meine direkter Siemens-Schreibtisch-Arbeitskollege Peter aus Hof....du kannst ja mitgehen" bot er mir an, und ich habe das gemacht. Ab diesem Tag ist das Feuer wie bei einer Explosion übergesprungen: es war meine erste ungeführte Höhle, ich denke es war die Moggaster Höhle.." in: Sörgel, Obendorf  75

- Walter Klappacher 
Für ihn war ein Besucher der Eisriesenwelt mit seiner Mutter die "erste echte Höhlenfahrt". Als es am Führungsendpunkt im Eispalast ans Umkehren ging, da "hegte ich andere Wünsche. Meine Enttäuschung, hier umkehren zu müssen, war groß. Was könnte sich dort im Dunkel noch alles verbergen?..." Klappacher, Die dunkle Zeit S. 71

Sicherlich habe das andere auch schon getan, aber ich weiß davon noch nichts. Wer mag, der kann mir das mitteilen, dann füge ich ihn gerne an.

Ich habe vor einigen Jahren schon einmal eine Untersuchung dazu gemacht und vieles schriftlich festgehalten, es gibt allerdings noch keine Ausarbeitung, nur die rohe Datensammlung. Daraus wurde einmal ein Vortrag  (bei der Verbandstagung 2004 in Aschau), aber noch kein Artikel.


Anfangsmotive....

- "Unzufriedenheit mit dem Alltag" Marquard, Endlichkeitsphilosophisches 32 (im Anschluß an Ideen von Manés Sperber, der die Kriege als gewünscht gesehen hat von vielen, weil sie als "Entlastung vom Alltag" gesehen worden seien)


Literatur speziell speläologisch:

Eberhardt, Klaus ODYSEE - oder die Suche nach dem Verein für Höhlenkunde, Der Schlaz 4, Juni 1974
Klappacher, Walter Die dunkle Zeit vor dem Weg in die Höhlenforschung, Atlantis 1-4, 2022, S. 68ff.
Sörgel, Stefan Im Interview: Fritzi und Jörg Obendorf - Schillernde Urgesteine der Höhlenforschung, Der Fränkische Höhlenspiegel  65-2023, S. 75
Shaw, T.R. Martel's First Cave, Proc. Univ. Bristol Spelaeol. Soc. 1986, 17  (3). 246249
Slagmolen, Christiane Entretien avec Michel Siffre, Regards 26 / 1996, S. 21ff.
Triller, Adolf Meine allererste Höhle, in: Münchner Höhlengeschichte, herausgegeben vom Verein für Höhlenkunde in München, München 1982, S. 156f.
  20 Geschichten: "Wie wir zur Höhlenforschung kamen", HFG Rhein-Mail 1989

Literatur allgemein:

Fulghum, Robert All I really need to know I learned in kindergarten, Ivy Books, New York 1986
Geissler, Karlheinz A. Anfangssituationen - Was man tun und besser lassen sollte, Beltz-Verlag, 11. Auflage 2016
Kast, Verena Aufbrechen und Vertrauen finden, Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien 2001
Kast, Verena Lass dich nicht leben - lebe, Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien 2002
Marquard, Odo Endlichkeitsphilsophisches - Über das Altern, Reclam, Stutgart 2013

 

 

 

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