Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

GAIA'S CAVE / GENIUS LOKI
....... und was daraus wurde


Falls Ihr die Musik gerade zur Verfügung habt.... Legt doch mal Stefan Micus "ATHOS" auf oder "INVISIBLE WORLDS" von Jan Garbarek! Dann kommt Ihr ein bißchen in die Nähe der Stimmung, die "wir", diejenigen, die vor nun zwei Jahren dieses Projekt mitentworfen, oder, später, erlebt, erlitten, genossen haben.

GENIUS LOKI gibt es nicht mehr - das war klar. Aber GAIA'S CAVE .... Die lebt, hoffentlich, noch ein bißchen weiter......

THE REDLIGHT DISTRICT


Endlich! Dank Stefan Willomitzers Fleiß ist die Dokumentation über das Kunstprojekt fertig - in 10 Exemplaren! Einige Mitarbeiter an der Aktion bekamen je 1 Exemplar davon. 2 Exemplare sind in den Bibliotheken des Vereins für Höhlenkunde in München und in der Bibliothek des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher. Normalerweise ist so eine Publikation unter meinen heutigen Bedingungen auch nicht herstellbar.


2. Version

Auf der '97er Tagung des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher wurde ein sehr ungewöhnliches Kunstausstellungsprojekt realisiert.

Ausgangspunkt waren Überlegungen von Hans W. Lehmann (KAIROS) und mir gewesen, einmal das Thema "Höhle" auf ungewöhnliche Weise zu präsentieren. Ich machte mir Gedanken, wie man sowohl "Sexualität und Höhle" wie "Tod und Höhle" in so ein Konzept miteinbringen konnte.

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Die Stationen

 

Was hat jemand erlebt, oder hätte erleben können, und was wurde ihm bewußt, wenn er durch GENIUS LOCI gegangen ist? Ein paar Gedanken dazu.

 

In the Beginning

 

Wie sieht der Anfang aus? Taucht da plötzlich etwas aus einem "Loch" auf? Tritt an die Oberfläche, was vorher nie dagewesen ist? Der Anfang bestand hier, nach einigen wichtigen Präliminarien, aus einer Seilschlaufe. Wo war jetzt eigentlich der Anfang? Am Anfang bzw. Ende des Seils? War das denn eigentlich wichtig? Das Seilschwänzchen am Ende hätte auch ein paar Zentimeter länger oder kürzer sein können. Darauf kam es wirklich nicht an. Entscheidend war das Zusammenspiel von Materie, Raum, Zeit, Information, sozialer Einbindung und ....., die erst aus dem "Anfang", den Anfang, das "Beginning" gemacht haben.

 

Lifeline

 

Viele, viele kurze und lange Seile waren aneinandergebunden, um die ganze Lebenslinie in GENIUS LOCI zu formen. Man durfte und sollte auf ihr gehen, sie spüren - gewissermaßen sein Leben und seinen Lebensablauf auch physisch einmal wieder bewußt spüren. Du kannst jeden Atemzug nur einmal in Deinem Leben tun. Immer wieder die gleichen aber nie die selben. Manchmal kam man in Konflikt. Dann lag nämlich die Lebenslinie neben den Trittsteinen, die für Land und Wasser standen. Dann mußte man sich entscheiden, ob man lieber nasse Füße bekam oder den eigenen Impulsen "trocken" folgen wollte. So ist das manchmal im wirklichen Leben - Konflikte, Dilemmas, Doublebinds - auch das gibt es und wenn sie einem passieren, gilt es, mit ihnen zurechtzukommen. Wer wirft den ersten Stein?

 

Wishing Stone

 

Wenige Wochen vorher hatte ich aus der Falkensteiner Höhle am Eingang einen handgroßen Stein aufgeklaubt. Ich wollte ihn mit nach Garmisch nehmen, um ihn am Boden als "stepping stone" auszulegen. Allein die Lernprozesse während der Installation ließen mich wieder davon Abstand nehmen. Mein Bild von einer Welt, die auch voller Gemeinheiten und Bösartigkeiten steckt, und die ich auch zeigen wollte, wurde von Kairos, zumindest für die Zeit der Ausstellung, sanft korrigiert. Aus dem "stepping stone" wurde einfach ein "wishing stone".

Ich habe nie die Anfangszeilen des "Froschkönigs" vergessen, wo es heißt, "Es war zu einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat..."

Bereits am Beginn von Genius loci ging ein elementares Bedürfnis in Erfüllung: die Gelegenheit, etwas, was einem im Innersten bislang gefehlt hat, sich herzuwünschen, metaphorisch gesprochen, ein Loch, das einem seit langen in der Seele geklafft hat, wieder zu schließen. Der Stein wurde von Person zu Person weitergegeben, bis er am Ende wieder bei mir landete. Irgendwann begann ich, diesen Stein nicht nur hinzulegen, sondern richtig fallen zu lassen, um einen Klang auf dem glattgeschliffenen Steinfußboden zu erzeugen. Dabei sprang ein Splitter vom Stein ab, den ich einfach in einen Blumentopf beim Eingang steckte.

 

Land and Water

 

Dem "Lebensseil" sollten die Besucher nachgehen, ihrer inneren Linie folgend. Es lag am Boden auf, meist frei, selten befestigt, und wenn, dann um zu gravierenden Umgestaltungen im Gesamtplan zuvorzukommen. Das Seil lag "am Boden", habe ich gerade geschrieben. Wirklich? Die Oberfläche des Bodens war Linoleum, häßlicher, aber für uns leider heute ganz "normaler" Belag darauf, vermutlich "billig", mindestens "bezahlbar". Barfuß es zu begehen war auf Dauer Zumutung.

 

Aber wir hatten ja den Stoff dabei, der eine "ganz leichte", im wörtlichsten Sinne, Lösung des unangenehmen Zustands barg - Papier. Mit zunehmendem Alter der Installation wurde es immer mehr auf dem Boden ausgebreitet, nahm der Weißanteil der Grundfläche im Vergleich zu dem sichtbaren Grau immer mehr zu - sehr zum Vorteil aller. Weiß wurde zu "Land" erklärt, Grau zu "Wasser". Grundaufgabe war, möglichst trocken zu bleiben, aber für jeden echten "Höfo" sicherlich nachvollziehbar, manchmal erzwingt das "Loch" das Eintauchen, will man weiter. Dann zeigt sich das, was Blumenberg den "Mangel an Selbstschonung" bei den Höhlenforschern genannt hat. In extremen Fällen zeigt sich, daß die Abweichung von der Regel zum Regelfall wird.

 

Das Papier zeigte auch, daß die Art des Umgangs mit dem jeweiligen Material von entscheidender Bedeutung ist. Papier ist meist leicht und schnell verletzbar, Willst du es bewahren, ist sachter, gefühlvoller Umgang damit am Platz. Vor dem "Schauerschluf" hatte ich begonnen, mehrere schneeweiße und völlig unberührte Papierbahnen noch nach den ersten offiziellen Begehungen hinzulegen. Vorher war hier nur das Linoleum der Schulturnhalle gewesen. Sofort gewann der Ort eine neue Erlebnisqualität. Bei den meisten änderte sich das Verhalten. Sanfter, leichter, weicher wurde es.

Vor dem Schauerschluf warf sich "einer" auf den Boden. Rampfte durch, stark, kraftvoll, alles hinter sich zerreißend. Was vorher glatt, weiß, geschlossen war, zeigte sich hinterher zerrissen, grau, zerstört. So ist es, heute, auf dieser Erde. Unserer einzigen.

 

Letzter Akt der Trennung von "land" and "water" war, die losen Papierstücke festzukleben am Boden. Da ist leider ein grober "Fehler" unterlaufen. Als wir das gemacht haben, wußten wir ja noch nicht, daß sich das Linoleum des Fußbodens so schlecht (gut?) mit dem Folienmaterial und dem Klebstoff daran vertragen würden. Die klebten nämlich, als wir es wieder trennen wollten, so fest aneinander, daß es fast schon an "Gemeinheit" grenzte. Nur der Einsatz von "Harter Chemie" hat das einigermaßen wieder zu Wege gebracht. Aber wir haben dazugelernt! Kein Sparen am falschen Platz!

 

Labyrinth of Knossos / Das Laokoonische Labyrinth

 

Kairos nannte es "Das Laokoonische Labyrinth". Eine Schild von ihm erinnerte uns alle an diese Figur in den Vatikanischen Museen in Rom. Laokoon - Verschlingungen, Schlangen, Spaghetti, Würgen, Keinen-Ausweg-mehr-Wissen, Wo, bitte, geht es überhaupt, noch, hin? Gibt es eine Richtung, einen Sinn, im Leben? In unserem Leben? In unser aller Leben? Für einen einzigen Augenblick? Für mehrere? Für immer?

 

Ich bin geprägt von einem Wochenendseminar in Kloster Irsee in Schwaben, das ich im Sommer 1996 dort mitmachen durfte - Labyrinthe. Damals kam mir die Idee, in Garmisch ein "Schwarzes Labyrinth" an den Eingang unserer "Kunsthöhle" zu bauen. Allein der Gang der Ereignisse war ein anderer. "Personal- und Geldmangel" erzwangen neue Ideen und Lösungen. Aber das ist ja gerade eine Herausforderung. Aus praktisch "Nichts" oder "Scheißdreck" das "Gold" oder "Platin" herausholen! Aus Schulbänken haben wir ein Labyrinth gemacht. In zwei Etagen, etwas auseinandergerückt, Turnmatten drüber, in der Luxusausführung später, "Staubsaugerpapier" dazwischen und darüber - eine Schwelle am Anfang, eine Sackgasse (impasse, dead End mit Luftzug), eine "Stehhalle" (Frauenofen). Sich winden, fügen, biegen, aber nicht aufgeben.

Es lohnt sich, sich mit Labyrinthen zu beschäftigen!

 

Die "Teufelstentakeln" / Jakob’s Ropes

 

Zwei Kletterseile hingen da von der Decke. Ich versuchte hinaufzukommen, schaffte es nicht. Jedenfalls nicht mit dem Einsatz, den ich zu geben bereit war. Aber sie hingen da. Ich hatte noch eine Idee: es einmal anders herum zu probieren - die Projektion von Dias nicht horizontal, sondern vertikal. Der Rahmen der Verbandstagung war die rechte Spielwiese dafür. Ein bißchen mehr Einsatz war da durchaus angebracht. Wie konnte ich die Bilder an die Decke bringen? Spiegel! Woher? Aus den Toiletten. Ich durchstreifte das Haus. Fand den ersten auf der Damentoilette. Ich nahm ihn aus der Halterung, brachte ihn in die Turnhalle, stellte auf der einen Seite eine Schulbank, auf der anderen den Projektor. Blickte nach oben. Da hing die große Papierfläche, die Uwe zuvor dort oben festgemacht hatte, obwohl er, so sein Kommentar, gar nicht schwindelfrei sei, und so etwas normalerweise gar nicht zusammenbekommen würde. Immerhin, nun sah ich mein Photo von Gottfried Buchegger, viele Jahre vorher am Hirlatz aufgenommen, plötzlich von unten und war ganz erstaunt. Es macht einfach einen Unterschied, ob wir geradeaus schauen oder uns nach oben oder unten biegen.

 

Noch einige Bilder habe ich ausprobiert, aber am Ende war es dann doch die "Einfachste Lösung", nämlich die erste. Ein bißchen gezittert habe ich dann doch immer, denn oft, auch hier, ist das Beste nicht immer und überall für alle verfügbar. Dieses Dia kann man nicht dauernd projizieren, eher viele Kopien davon machen. Ich hatte aber nur das eine Original. Hoffentlich hat es den Dauerstreß einigermaßen gut überlebt.

 

Bei den Teufelstentakeln passierte einiges. Wie konnte, sollte man diese Stelle erleben? Anfangs stellte ich es jedem frei, wie er sich da verhalten konnte/sollte. Da gab es dann einige, die sprangen ins Seil, fuchtelten wie wild mit ihren Haxen in der Luft, fanden das wahrscheinlich unheimlich toll und auffallend, aber leider machten sie auch viel kaputt - ohne das wahrscheinlich auch dann fühlen zu wollen.

 

Sich-um-sich-selbst-zu-Drehen und ein Objekt/Ziel im Auge zu haben, das war wohl der Kern. Irgendwann habe ich einfach vorgeschlagen, die beiden Hände an das Seil zu tun, sich zweimal um die eigene Achse zu drehen, immer das Bild im Auge zu behalten, dann die Hände wegzutun und in den in der Nähe stehenden Spiegel zu blicken. Man sah dort das Spiegelbild von oben. Statt nach oben ging es da nach unten - plötzlich erfahrend, daß der scheinbar sichere "Standpunkt" verloren gegangen war. Weder die Horizontale war noch "sicher", schließlich drehte man sich ja noch innerlich, noch die Vertikale war "beherrschbar" - was vorher noch oben gewesen war, schien plötzlich, wie magisch verändert, von unten herauf.

Der Vorhof zur Höhle/Hölle

 

Da gab es eine Papierfläche, die wurde beansprucht wie keine andere. Kurz vor dem "Schauerschluf". Die Menschen drehten sich wohl noch unter dem Eindruck der "Teufelstentakeln". Standen da, sicheren Stand wieder gewinnen wollend. Wo waren sie denn eigentlich? Ein Labyrinth hatten sie schon hinter sich - was wartete denn eigentlich noch vor ihnen? Eine Aluleiter mit einer bemalten Papierbahn vor ihnen, ein hölzernes Viereck am Boden vor ihnen, zwei große Kieselsteine vor sich. Der Blick war frei auf einen Großteil der übrigen Installation - Papier, Holz, Stoff.....

 

Das weiße Papier war als erstes voller grauer Schuhabdrücke, erlitt die groben Fußabtritte noch nicht weichgemachter Füße, die unsere harte Welt hereingeschleppt hatten. Irgendwo müssen sie ja bleiben, unsere "Verletzungen", "Erniedrigungen", "Zerstörungen", "Verpestungen"..... Irgendwo müssen sie bleiben. Hier war ein guter Platz für sie, wenn irgendwo.

 

Der Schauerschluf / White Mountain

 

Engstellen - Alptraum. Herrn Neidlinger, den Bürgermeister von Garmisch, hätten wir wahrscheinlich nicht durchgebracht. Aber ansonsten ist jeder durchgegangen, auch wenn ich das anfangs so nicht erwartet hätte.

 

Er war ja auch denkbar bequem gestaltet - designed by Hans E. Lehmann. Turnmatten am Boden, die Größe durch den hölzernen Springkasten vorgegeben, die Stalagmiten durch Bodenhütchen aus Plastik imitiert, die Eingangssteine aus der Regenablaufzone bei der Schlafturnhalle markiert (geholt von Kairos und zurückgebracht von mir / ich merke mir das, weil die ganz schön schwer waren und andere zeitgleich beim Essen in der Pizzeria VENEZIA gesessen sind!).

 

Lechuguilla

 

Irgendwann tauchte plötzlich dieser Name in mir auf. Wie sollte man verkaufen, daß man nicht überall im Raum frei herumlaufen sollte. Daß man seiner "Bewegungsfreiheit" Zügel anlegen sollte. Wer wunderschöne Höhlen auch in Europa schon gesehen hat, der versteht hoffentlich, was ich meine. Weniger ist hier unendlich viel mehr. Man sollte nur noch der Lebenslinie oder den braunen Strichen auf dem Bodenpapier folgen, nicht wo anders herumlaufen - bis zu den blauen Turnmatten. Wer danebentrat, der riskierte, daß ich ihn ermahnte - "Dein Danebentreten hat wieder 1000 Kristallen ihr Leben gekostet".

 

Wall of Life

 

Ein Lehrer vom Irmengard-Gymnasium hatte uns gezeigt, daß die Klettersprossenwände auch verrückbar waren. So wanderten sie von den Wand in den Raum, zwei Matten vorne und hinten, und fertig war "Wall of Life". Wie durchläufst du das Leben? Oben drüber, mitten durch, ...."forced by others". Im reifen Zustand der Installation hatte jeder die Wahl, wie er das "Hindernis" überwand. Einige kletterten oben drüber, andere quetschten sich durch die Sprossen, manche bequem, manche extrem - durch die zehnte und elfte Sprosse von unten kopfüber. Na ja. Hauptsache, sie achteten auf die "formations", die möglichst nicht berührt werden sollten, Schutz der Höhle und der Erde.

Drüben sollten alle wieder auf der Matte warten. Anfangs latschten einfach einige weiter über die weißen Papierflächen und wollten schon einmal einen Blick in das Unbekannte werden. Architektonische Änderungen - sprich Errichten neuer Papiergebirge - machten dem später ein Ende.

 

Bench of Balance

 

Es ging nun erstmals wieder zurück in die ursprüngliche Richtung, nur etwas nach links versetzt. Eine Langbank war auf den Kopf gestellt, man konnte drüber balancieren, links und rechts sicher seine Füße plazieren und entlang gehen oder, das haben nur 2 getan, sich bäuchlings entlangziehen.

 

White Portal

 

Die Langbank führte durch das White Portal. Eigentlich war das ein Barren, verhängt mit Papierbahnen, zwischen denen es sich vorsichtig durchzubewegen galt. Irgendwie erreichte man, da hindurchgehend, auch eine Art von Läuterung.

 

White Country

 

Nun war alles "Unberührt". Weiße Papierflächen am Boden, die Stoffbahnen von "Moving Walls" links, ein bißchen "Hollow Mountain" rechts. Der Weg führte nur der schmalen Lebenslinie entlang. Bitte keinen Tritt daneben.

 

Pillar of Coolness

 

Seit Tagen stand sie schon da. Ziemlich unbeachtet von uns. Massiv, blau gestrichen, da, um Menschen, die sich in maximaler Drehgeschwindigkeit um die eigene Achse vertikal drehten, zu halten. Einmal war die Rede davon, daraus "einen Stalagmiten zu machen". Die Stange blieb unbeachtet. Auch noch während der Führungen der ersten Tage. Dann nahm ich sie irgendwann in die Hände. Sie fühlte sich wunderbar kühl an, bei all der Wärme rundum, herrlich, erfrischend. Ich berührte die Stange mit der linken, dann der rechten Backe, dann mit der Stirn. Sie wurde meine "Eissäule" im "Unterirdischen Wunderland". Den Vogel schoß eine Besucherin ab, die sich einfach an die Säule schmiß und sie sich vor allen zwischen die Beine klemmte. Hemmungslos und lebenslustig. Auch gut.

 

Moving Walls

 

Die Bühnenvorhänge luden einfach dazu ein, sie in die Installation miteinzubeziehen. Sie gaben Struktur, nicht harte, sondern weiche. Ich hatte die Idee, die Besucher durch sie hineinschlupfen zu lassen. Hinter ihnen wären sie dann einfach wieder herabgesunken. Einer meiner Helfer fand das gar nicht gut, denn das würde einen Weg ohne Rückweg signalisieren - "a point of no return" - den wollte er unbedingt nicht haben - volles Risiko, aber mit Vollkaskoschutz bitte!

So dramatisch ist es am Ende dann gar nicht geworden. Die Vorhänge waren später nur noch Begleiter, aber durchaus starke Gefühle auslösende.

 

Berührte man sie, so begannen sie sich zu bewegen. Sich-bewegende-Höhlenwände, ein Alptraum für viele Höhlenforscher. Erstaunlich, bei wie vielen der durchgehenden Höfos dieser Eindruck wieder lebendig geworden ist - Erdbeben in einer Höhle. Der erste war einer, der in der Hirlatzhöhle solche mitgemacht hatte. Und noch einige folgten.

 

 

Shadows/Schattenspiele

Als noch der Zentralscheinwerfer im Mittelteil aufgestellt war, führte die nächste Station des Lebensweges in die Welt der Schatten. Schon kleine eigene Bewegungen führten zu "irrational" großen Wirkungen auf den beweglichen Leinwänden des Bühnenvorhangs - Einladung zu Schattenspielen.

 

Along meandering rope lines

 

Später, als der Zentralscheinwerfer nicht mehr in Betrieb war und durch Peter Hofmanns Spotlight ersetzt war, das zudem erst in Betrieb trat, wenn die "Red Box" in Betrieb war, gab es im Mittelteil nicht mehr viel zu sehen. Es galt nur noch der schmalen Seillinie zu folgen, die sich stark mäandrierend auf der weißen Papierbahn dahinwand. Manchmal war sie so eng, daß ein Kontakt mit der nachfolgenden Person nicht zu vermeiden war. Setzte man sich durch, zwang man den anderen zum Warten, berührte man ihn, wartete man darauf, daß auch er die enge Stelle überwunden hatte..... viele Möglichkeiten, um die Stelle zu "leben".

 

A look into the light

 

Zeitweise war im Zentralteil der Installation zwischen den Vorhängen der Raum erhellt von einem starken, frontal auf einen gerichteten Scheinwerfer. Während der Rest in möglichst großes Dunkel getaucht war, gab es hier Licht, viel Licht, viele Watt stark. Und es leuchtete einen direkt an, auch gnadenlos. Platos Höhlengleichnis. Der Mann, der sich freimacht. Der auch das Unverständnis, den Spott, den Hohn seiner Mitmenschen auf sich nimmt. Egal. Scheißegal. Der Weg nach draußen führt da durch, oder willst Du umkehren? Auch das wäre jederzeit möglich gewesen.

 

Zigzaging

 

Der Weg führte zwischen zwei in den Weg gestellten Springböcken hindurch. Man mußte seinen gerade Weg für zwei kleine Schlenker unterbrechen. Der in unserer Zeit für fast schon "heilig" gehaltene gerade Weg, angesichts der staatlich finanzierten und hochgehaltenen religiösen "Sicherheiten", wurde von uns einfach "keck" unterbrochen. Gefragt war langsames Gehen. Sich an die kleinen Unebenheiten (in diesem Falle eher "Umgelenktheiten) des Wegs anpassendes Verhalten. Eben nach links und rechts ein bißchen abweichendes Gehen. Nicht einfach über die "Schwierigkeiten" hinwegsteigende Körperbewegung, sondern in der Horizontalen auf sie eingehende.

 

Absolute Darkness

 

Im Mittelteil änderte sich durch die Umstellung auf die Ein-Taschenlampen-Beleuchtung sehr viel. Alles wurde viel ruhiger. Einfacher. Iteratives Lernen. Schritt um Schritt. Finsternis war mit einer Fingerbewegung herstellbar. Eine kleine Bewegung. Die Dunkelheit, die absolute Schwärze, wurde mir immer wichtiger, je länger die Führungen dauerten. Das war ein Kern des Erlebnisses einer Höhle. Wie gehe ich mit der Dunkelheit um? Laufe ich davon vor ihr? Bekämpfe ich sie? Spüre ich sie? Habe ich Angst vor ihr? Nehme ich sie an? Als Schicksal, als Gegebenheit? Helfen mir meine gesellschaftlichen Krücken bei der Angst vor ihr? Wo geht meine, unsere, unser aller Reise hin? In eine helle oder eine dunkle Zukunft? Trage ich durch mein Handeln vielleicht dazu bei, daß der "pact between the dead, the living and the unborn" gebrochen wird? Oder versuche ich, ihn einzuhalten? Vielleicht weil ich eigene Kinder in diese, unsere einzige Welt, Gaia, gesetzt habe?

 

Another hole in the wall und another test of balance

 

Die nächsten Stationen waren ein bißchen Wiederholung des Vorangegangenen. Zuerst hatten wir uns nordwärts bewegt auf den "Langbänken" und durch das "Weiße Tor", jetzt ging es wieder südwärts - wieder durch ein "Weißes Tor" und über eine "Langbank". Aber so ist das Leben. Jeden Morgen geht die Sonne auf, sitzen die gleichen Menschen am Frühstückstisch (Gottseidank, sonst hätte sie der Tod vielleicht schon geholt), das Leben - eine bloße Wiederholung des Immergleichen oder Immerselben - oder "The Best is yet to come".!

 

A Dose of Carbide

 

Wir standen vor dem zweiten Paar Kletterwand. Ein bißchen Papier drumherum. Ich gab ein kleines Plastiksäckchen weiter. Forderte auf, hineinzugreifen, zu riechen. Manche taten es. Manche nicht. Die "Alles-schon-vorher-Wissenden". Andere sind die "Die-den-Moment-Erlebenden". Das Säckchen ging seine Runde. Erreichte mich wieder. Ich stellte es wieder hin.

Karbid, ein bißchen naß gemacht, entwickelt Dämpfe, Gerüche, wirkt.

 

Stepping Stones

 

Alle stehen vor der "Roten Kabine". Dazwischen ist "Wasser". Linoleumboden. Es ist leicht, trockenzubleiben. Man muß nur auf die papierenen "Trittsteine" treten!

 

The Red-Light-District

 

Die heiße Zone des Parcours. Niemand war gezwungen, da durchzugehen. Es gab einen mit Stricken markierten Weg außenherum. Nur ein junges Mädchen mußte ihn auf Geheiß ihres Vaters nehmen. Ich sagte vorher zu allen, daß es diesen Weg gäbe, um "sauber zu bleiben". Er war markiert und für jeden begehbar, keine Engstellen, kein Feuer, keine soziale Blamage. Niemand, bis auf das genannte "Dearndl" beging ihn, und sie auch nur unfreiwillig.

 

"The Hot Zone, The Red Zone" - "Don’t talk about...!" Das rotblinkende Licht des Hausmeisters war das eigentlich nicht mehr zu überbietende Highlight dieser Station. Kaum hatte das Auge des neugierigen Besuchers ein Objekt seines Interesses ausgemacht, war das Licht auch schon nicht mehr da. Sah nur noch Dunkel. Und es war auch meist nicht genügend Zeit, um alles aufzunehmen. Auszuwählen galt es. Der Stecker wurde wieder gezogen. Das Licht war aus. The show goes on - later. For others.

 

Intermingled rope floor / "Where is the way out/on?

 

Das "Lebensseil" hatte am "Speleo Eroticon" seine einzige Verzweigung. Danach trafen sich alle Stränge wieder. Nur kurz war der der klare, einseilige Weg. Dann lag da ein allen erfahrenen "Höfos" sehr vertrauter "Seilverhau". Der Strick lief über- und untereinander, verknotet, "verseilt". Wo war der Weiterweg?

Mein Vorschlag, nach vielen Führungen, die mir einen gewissen Erfahrungsvorsprung beschert hatten: Einmal sich um die eigene Achse drehen. Dann sieht man das einzige daraus fortführende Seil viel klarer. Der Weiterweg war trotzdem nicht einfach. Dem Ende zu führte auch er über einige "Trittsteine". Wir näherten und nähern uns dauernd, unserem Ende. Symbolisiert wurde das in zwei Stationen:

 

The Untouchable Stone

 

und

 

Die letzten Dinge / The last things / When the Music is over

.

Hier hat die Installation aufgehört, Spaß zu sein. Wenn es um den Tod geht, höre ich auf, Witze zu machen.

 

The Untouchable Stone

 

Eine Woche vorher war ich, zusammen mit Christian Kriesten und Alfred Schlagbauer in Südfrankreich gewesen. Wir besuchten einige Höhlen zwischen Ardèche und Cèze. In der Grotte Cimetière-Hasard bei Tharaux nahm ich einen Stein mit, brachte ihn nach Garmisch und wollte ihn dort eigentlich auch nur als "stepping stone", vielleicht, wenn es paßte, einbauen.

 

Dann wurde er plötzlich zu einem Angelpunkt: einer "Axis mundi". Präsentiert auf zwei übereinander gelegten blauen Hochsprungmatten, umgeben von einem naturfarbenen Springseil, das verknotet den geschützten Raum um ihn herum markierte, versehen mit dem aussagestarken Schild "Untouchable Stone".

Bei der nächsten Gelegenheit, wobei man "Gelegenheit", ich weiß, weit interpretieren muß, bringe ich ihn wieder an seinen Ursprungsort zurück. Ich bin froh, wenn ich die Verantwortung wieder abgeben kann.

 

Die Letzten Dinge / When the music is over

 

Für mich war das die emotional belastendste Situation. Aber notwendig. Wie soll man denn den Verlust so vieler Freunde in und um die Höhlen verwinden?

 

Der Generation vor mir, die den Krieg noch kennengelernt hat, ist diese schwierigste Grundsituation des Lebens, der plötzliche Tod eines geliebten Menschens, noch in schmerzlichster Erinnerung. Da ist der Lebenspartner, der Freund, die Eltern, deine Kinder gerade noch lebendig bei dir. Und dann eine Bombe, eine Granate, ein Pistolenschuß, und dann nichts mehr.

 

Was bleibt von uns, wenn wir nicht mehr sind? Wenn unser Lebensfaden ausgelaufen ist?

 

"Ein paar Knochen, ein paar Zähne, ein paar Erinnerungen." Das habe ich wiederholt am offenen Holzkasten erzählt, ein umgekehrter Sprungkastendeckel aus dem Schulinventar.

Da lagen ein paar Rückenwirbel und Zähne vom Höhlenbären aus der Mixnitzer Drachenhöhle, ein paar Zeitungsausschnitte, eine Todesanzeige. Drei Menschen habe ich namentlich erwähnt - Mario Taucher, Klaus Cramer, Christian Deubner.

 

 

Noch mehr hätte ich aufzählen können, Reinhard Maier...., allein, ich konnte das emotional nicht mehr aushalten.

 

Als ich meinen Text an dieser Station erzählte, trieb es mir immer wieder die Tränen in die Augen - das hier war nun wirklich kein "Kinderspielplatz" mehr, sondern ernsteste Auseinandersetzung mit dem Thema "Höhle und Tod".

 

"This is the End" hat Jim Morrison gesungen, jetzt ist er tot. Noch lebe ich. Wofür eigentlich? Erwartet ihr eine Antwort?

 

See you again! Hopefully!

 

Wie heißt das: "The Best is yet to come!"

"Die letzen Dinge" - "When the music is over.." (Photo Torsten Kohn)

 


Als Macher eines solchen Projektes, mit anfangs ziemlich unbekanntem Ziel und später unbekanntem Ausgang, halte ich mich natürlich gerne an die letzten Reste auch auf Papier festgewordenen Resultate unseres, der ganzen Initiatoren und Mitwirkenden, Werk. Peter Hofmann hatte glücklicherweise noch die Idee, ein "Gästebuch" auszulegen und schuf so die materielle Grundlage erstmal dafür. Ein paar Auszüge daraus:

 

 


Wann ist so ein Projekt zu Ende? Wenn alles abgerissen und aufgeräumt ist? Für mich gab es noch ein besonderes Anliegen. Ich wollte die beiden Steine, die eine so wichtige Rolle gespielt haben, zurückbringen an der Ort ihres Herkommens.

Deshalb fuhr ich am 3. Januar 1998 zur Falkensteiner Höhle auf der Schwäbischen Alb. Seltsam war die Szenerie und die Dramaturgie schon. Im Dunkel der Nacht brachte ich den Stein zurück in das große Portal, aus dem gerade Hochwasser strömte. Nun liegt er wieder dort, wo er herkam, im Bachbett - auch nur einer unter vielen.

Der "Wishing Stone

FL am 3. Januar 1998 in der Falki / Der Stein zurück im Wasser

Im Juni 1998 vollendete ich in einer einsamen Aktion die "Rückbringaktionen". Auch der "UNTOUCHABLE STONE" kam zurück an den Ort, wo er herstammte, in die Grotte du Cimetiere-Hasard in der Nähe von Tharaux/Gard/F. Jetzt ist er wieder dort, genauso wie sein "Bruder". Damit ist mir ein weiterer Stein "vom Herzen gefallen".

"The Untouchable Stone"

Bilder von der Aktion im Juni 1998:

Der "Stein" im Dachkasten auf dem Auto Blick aus dem Innern der Höhle zum Eingang mit der Abgrenzungsmauer auf der links in der Mitte der "Stein" liegt Der "Stein" zurück in seinem Ambiente im Eingangsraum der Höhle

 

 

 


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