Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

"Moderne Höhlen"

Diesen neuen Begriff habe ich bei HÖPHO 2003 und bei HÖREPSY 2003 zum ersten Male ventiliert. Inhaltlich ist er nicht gut bestimmt, aber das ist ja auch die Absicht. Weil er damit sehr offen ist für alles mögliche, was sich darunter dann subsumieren ließe.

Gegenbegriff dazu wären wohl die "Alten Höhlen". Da wird ja intensivst danach in allen Teilen der Erde geforscht. Vieles ist schon bekannt, aber wohl noch um einiges haben wohl die Menschen bislang noch nicht gefunden. Und intensiv wird darin nicht zuletzt die Zeit darin erforscht. Klimaarchive der Vergangenheit seien da, oft wird mit viel Aufwand und Geldaufwand versucht, Vergangenes genauestens zeitlich zuzuordnen.

Ein bißchen gerät dabei aus dem Blickwinkel, das die "Höhle" in erster Linie ein anthropozentrischer Begriff ist. Schon was als "Höhle" gilt ist an den Maßstab des Menschen gebunden. Ob es nun mindestens 3 oder 5 oder 20 m Länge sein müssen, ehe so eine Naturerscheinung für Wert befunden wird, in eine Höhlenverzeichnis aufgenommen zu werden, da ist ganz nach Region verschieden.
Dann müsse es ein Hohlraum im "Gestein" sein, der auf Grund von Naturvorgängen entstanden ist. Viele viele Gründe kennen wir heute dafür. Da gibt es klassische, wie die Korrosion und Erosion, aber auch unorthodoxere, wie das Erstarren heißer Lava oder das Zerbrechen von Riesenblöcken in kleinere Teile oder das Aufhäufen von Steinen durch Gletscher oder das Ablecken von Salzvorkommen an den Wänden durch wilde Tiere.
Den Menschen nehmen wir uns gerne von den "natürlichen Ursachen" aus. Das ist eine eingeschliffene Denkweise. Ist der Mensch auch eigentlich nicht nur ein Teil der Natur, ein Teil, der meint, sich von ihr immer mehr lösen zu können und sie sich ihr "Untertan" machen zu können, aber der letztlich doch wiederum nur zu Staub wird. Alle, ohne Ausnahme. Wenn man hier weiterdenkt, dann wäre all das, was der Mensch unter der Erde macht z.B. auch nur Höhlenbildung. Anthropogene halt. Das öffnet den Blick für vieles, was heute passiert.

Völlig Unterschiedliches läßt sich hier anführen:

• Die Ausstellung "Sonne statt Regen" im Kunstbau des Lenbachhauses in München im Frühjahr 2003. Der Kunstbau ist so eine Art künstliche Höhle. Entstanden ist er wohl eher unabsichtlich. Beim U-Bahnbau war ein Hohlraum freigeblieben zwischen Straßendecke und U-Bahn-Nutzraum. Irgendwann hat jemand entdeckt, daß da ein ungenutzter Platz frei geblieben war, entwickelte einen Plan der Erweiterung der Schauräume für die städtische Kunstsammlung und der wurde realisiert.
  Die Installationn von Eliasson ging nun perfekt darauf ein....
  
  

• Im Jahre 2003 war Graz die Kulturhauptstadt Europas. Aus diesem Anlaß wurde im Stollensystem des Grazer Schloßbergs die Ausstellung "BERG DER ERINNERUNGEN" gezeigt. Allein schon das Ambiente mit seinen rohen felsigen Strukturen wies für mich in Richtung auf "Moderne Höhlen"..
  
  
  Im Prospekt für das Projekt heißt es: "Das labyrinthische Stollensystem im Innern des Berges dient der Ausstellung als Metapher für die verschlungenen Pfade des Gedächnisses. Die Besucherinnen und Besucher können sich - wie durch die Windungen des Gehirns - in jede Richtung frei bewegen, um Bekanntem, fast Vergessenem und vielleicht Verdrängtem wieder zu begegnen...Die Wege, auf denen sie durch die Ausstellung wandern, folgen eher den Pfaden der spontanen Assoziation, als denen einer rigiden Chronologie."

• Die Süddeutsche Zeitung vom 13. Mai 2003 berichtete unter der Überschrift "Ein Mann geht nach innen" von dem Unternehmen des Schweizer Künstlers Jean Odermatt im Sankt Gotthard-Massiv in der Schweiz. Dort habe er in den Fels "eine Höhle für Sinnsucher gebohrt". Praktisch ist es eine Neuverwendung alter, heute nicht mehr genutzter militärischer Anlagen, der Artilleriefestung San Carlo. Dort betreibt er jetzt ein unterirdisches Hotel und Tagungszentrum mit Namen "La Claustra". "Fernab von Tageslicht und Handygeklingel, sollen Theaterleute, Chemiker, Geologen, Ärzte oder Psychiater tief im Fels "grenzensprengende" Projekte angehen, Projekte, die im weitesten Sinne mit dem zu tun haben, was die Welt im Innersten zusammenhält.
  Es gibt sogar eine Adresse: Stiftung La Claustra, St. Gottgard, CH-6780 Airolo, eine Telefonnummer: 0041/9188805055.
   
• Führernd beim Thema "Moderne Höhlen" scheint mir seit ein paar Jahren Thomas Hirschhorn zu sein. Ein Beispiel für seine Arbeiten füllte den Pavillion der Schweiz auf der Biennale 2011.
  ..\..\..\orte\venedig\venedig.htm

.wird fortgesetzt

Literatur:

Links:
..\..\..\..\kuindex.htm