Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höllern

- eine amtlich gesperrte Gipshöhle in Franken

Der Eingang


"Die Aussperrung, die Trennung des Menschen von der Natur gehört in unserer Zeit zu den größten Problemen des Naturschutzes. Sie ist nur dort und nur zu solchen Zeiten zu rechtfertigen, wo es wirklich (und für die Naturfreunde nachvollziehbar) um den Schutz vor Störungen oder Zerstörungen geht. Wären die Ausnahmen intuitiv plausibel, gäbe es auch keine Akzeptanzprobleme. Wo Sperrungen, Betretungsverbote und Wegegebote jedoch keinen ersichtlichen Grund haben, wird man solche Einschränkungen als unangemessen empfinden. Natur, die vorenthalten wird, eignet sich nicht dafür, das Anliegen des Naturschutzes zu verbreiten..."Naturschutzgebiet - Betreten verboten!" ist jedenfalls die schlechteste Werbung für den Naturschutz". Josef H. Reichhoff, Naturschutz - Krise und Zukunft, Berlin 2010, S. 146


Meine erste Begegnung mit dieser außergewöhnlichen Höhle war noch Ende der 60er Jahre. Damals fuhren wir einfach in die Gegend von Markt Nordheim, suchten im Gelände nach den Eingängen und verschwanden darin. Kein Mensch regte sich darüber auf, eigentlich kümmerte es ja niemanden und wir zogen genauso wieder von dannen.

Dann wurde die Höhle zusammen mit dem nahe gelegenen "Gipshügel Sieben Buckel" zum 1.9.1986 unter Naturschutz gestellt. Die genannten Gründe waren folgende:

a) Größte bekannte Gipshöhle in Süddeutschland

b) Erhaltung der natürlichen Eigenart des Höhlensystems

c) Erhaltung als Forschungsobjekt, besonders der Karsthydrologie

d) Schutz der überwinternden Fledermäuse.

Alles ehrenwerte Gründe, allein, warum ist dafür ein "Generelles Betretungsverbot" auf einmal notwendig? Warum darf niemand mehr diese Naturschönheit genauso wie wir früher kennenlernen? Für "begründete Forschungsvorhaben" müsse eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden, der bloße Wunsch auf "Genuß der Naturschönheiten", wie es noch in der Bayerischen Verfassung heißt, genügt wohl nicht mehr.

Wer die Höhle kennt, weiß, daß es mit dem "Genuß" für die meisten Menschen eh nicht weit her ist. Wer kriecht schon gerne durch Schlamm und Wasser, sieht über sich lockere Gipsbrocken an der Decke, die durchaus runterfallen, wenn man drankommt, und wer würde schon gerne einem leibhaftigen Fuchs unmittelbar ins Auge schauen, wenn der sich in seinem unterirdischen Bau von so einem Menschenwurm gestört fühlt? Die frischen Fuchsspuren im weichen Lehm zeigen, daß er immer wieder hier herunterkommt.

Was man mitnimmt ist ein besonders Höhlenbefahrungserlebnis, das mich sehr an die Vergänglichkeit allen Seins erinnert hat - auch der Höhle. Insbesondere die Gipshöhlen haben ja selber natürlicherweise keine hohe Lebensdauer.

Hauptauslöser für die Unterschutzstellung waren die Begehrlichkeiten der Gipsindustrie gewesen, die die dortigen Gipsvorkommen gerne abgebaut hätten, um sie zu Bauplatten und ähnlichem zu verarbeiten. Dem wurde damit, zumindest für einige Zeit, ein Riegel vorgeschoben. Unsere Kollegen im Südharz haben ganz ähnliche Probleme mit den dortigen Gipskarstgebieten.

Dann gab es plötzlich in den Verbandsmitteilungen 1996 eine Hammernachricht: Die Höllern würden dem Gipsabbau zum Opfer fallen. Fiktion? Wirklichkeit?

Ich weiß nicht, wie der Sachstand heute tatsächlich ist, aber möglich ist bei uns anscheinend alles. Da wäre es viel gescheiter gewesen, wenn mehr Menschen diese außergewöhnliche Höhle besucht hätten und sich vielleicht später auch stark gemacht hätten, daß sie erhalten bleibt. So hat man alle ausgesperrt, ihnen damit das Machen persönlicher Erfahrungen in dieser Höhle verwehrt, die Menge möglicher Abbaugegner nieder gehalten.

Auch das ist ein negatives Beispiel dafür, wozu Naturschutzgesetze richtiggehend "mißbraucht" werden können. Wozu denn dieser Naturschutz? Wer schon einmal in den amerikanischen Nationalparks gewesen ist, ist möglicherweise auch auf deren dahinterstehende Philosophie gestoßen, ähnlich wie auch in Großbritannien beim "National Trust". Kernziel ist die Bewahrung des Reichtums der Natur und Kultur für möglichst lange Zeit und damit auch viele Generationen von Menschen. Allerdings hätte das Ganze nur wenig Sinn, wenn wir die heutigen Menschen völlig davon ausschließen. Deshalb gibt es die vielen Aktivitäten, um die Vielfalt und Schönheit zugänglich zu machen, allerdings halt nur in dem Rahmen, der möglich ist.

Wir haben da ja auch schon einen kleinen Ansatz in diese Richtung, größere Initiativen, wie die Gründung einer Art "National Trusts" auch in Deutschland, sind schon kraftvoll niedergemacht worden, von wem wohl? Der kleine Ansatz ist der "Tag des Denkmals". Da werden wenigstens für einen Tag im Jahr Kulturdenkmäler zugänglich, die ansonsten der Öffentlichkeit aus oft sehr nachvollziehbaren Gründen nicht zugänglich sind. Wie wäre es, wenn dieser "Denkmalstag" auch auf die Höhlen ausgedehnt werden würde? Wenn an wenigstens einem Tag, die "legalen Schranken" aufgehoben würden, und jeder Bürger dieses Landes die Möglichkeit hätte, auch die unterirdischen Naturschönheiten "zu genießen", so wie es in unserer Verfassung steht und wie es ihm halt möglich ist - die Grenzen sollten dann hauptsächlich die natürlichen Faktoren sein - die Enge der Kriechstrecken, die Tiefe des Schlamms, die Höhe oder der Verschmutzheitsgrad des Wassers, die Tiefe der Schächte und wie die ganzen anderen unterirdischen Schikanen halt bezeichnet werden. Ich denke, daß wir hier nur mehr echte Verteidiger der Höhlenwelt, "Höhlenschützer", gewinnen könnten, als weniger. Diese Idee sollte diskutiert werden!

"Unsere Hochzivilisation mit ihrer Raffgier kann nur bestehen, indem sie Naturressourcen aufbraucht. Wer am schnellsten, am billigsten, am primitivsten etwas erzeugt und die ökologischen wie sozialen Folgen ignoriert, der ist der Größte."


Beim Durchlesen meiner Emails fiel mir gerade wieder ein Text in die Hände, der sehr gut zum Thema "Höhlenschutz und Höller" paßt und über speleo-de digest veröffentlicht worden ist. Solche Nachrichten haben ja oft nur ein sehr kurzes Leben, verdienen aber sehr wohl, für länger vorgehalten zu werden:

" Subject: Gipskarst in Mittelfranken<BR>

Message-ID: <39A23B4C.794B@dlr.de><BR>

Content-Type: text/plain; charset=iso-8859-1<BR>

Content-Transfer-Encoding: 8bit<BR>

<BR>

aus den aus den NÜRNBERGER NACHRICHTEN,<BR>

22.08.2000<BR>

<BR>

<BR>

<BR>

Zwischen Markt Nordheim und Herbolzheim im<BR>

Windsheimer Becken befindet sich eine der letzten<BR>

Steppenheiden<BR>

Naturschützer bangen um die ,,Sieben<BR>

Buckel"<BR>

Seltenes Refugium durch den Gipsabbau bedroht? -<BR>

Im Regionalplan kein Vorranggebiet mehr für die<BR>

Ausbeutung des Baustoffes<BR>

VON HORST M. AUER<BR>

<BR>

MARKT NORDHEIM - Der Bund Naturschutz (BN) kämpft um den Erhalt einer<BR>

der letzten Steppenheiden in Nordbayern: Durch den geplanten Gipsabbau<BR>

in<BR>

unmittelbarer Nachbarschaft eines Naturschutzgebietes bei Markt Nordheim<BR>

(Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) sieht der Verband eines der<BR>

seltensten<BR>

Lebensräume Frankens bedroht.<BR>

<BR>

,,Adonishügel" heißt im Volksmund wegen der gelbblühenden<BR>

Frühlings-Adonisröschen die kleinräumige, hügelige Gegend zwischen<BR>

Herbolzheim und Markt Nordheim. Dolinen, eingebrochene Hohlräume im<BR>

Boden,<BR>

sind charakteristisch für das Karstgebiet ,,Sieben Buckel". Die zweite<BR>

Bezeichnung ,,Höllern" weist auf eine weitere Besonderheit hin: Im<BR>

Untergrund<BR>

dehnt sich die größte Gipshöhle Bayerns mit einem weit verzweigten<BR>

Gangnetz<BR>

aus. Seit vielen Jahren steht das Refugium unter Naturschutz.<BR>

<BR>

Nach der Eiszeit<BR>

<BR>

Gipskeuper und klimatisch günstige Bedingungen haben laut dem<BR>

BN-Landesbeauftragten Hubert Weiger dafür gesorgt, dass auf den ,,Sieben<BR>

Buckeln" eine ,,historische Vegetation" überlebt hat: Die dortige<BR>

Steppenheide<BR>

ist ein so genannter Reliktstandort, Überbleibsel einer vergangenen<BR>

Landschaft.<BR>

Nach der letzten Eiszeit hatten sich vor rund 10 000 Jahren allerlei<BR>

wärmeliebende Pflanzen und Tiere in Mitteleuropa ausgebreitet. Ihre<BR>

Heimat<BR>

waren die Steppen Osteuropas und Asiens. Als das Klima später wieder<BR>

kühler<BR>

und regenreicher wurde, verschwanden die Steppen bis auf kleine Reste -<BR>

wie<BR>

die im Windsheimer Becken. Hier wachsen und gedeihen noch Gräser und<BR>

Kräuter, wie man sie erst wieder 1000 Kilometer weiter östlich in den<BR>

Steppen<BR>

Russlands oder Ungarns findet.<BR>

<BR>

,,Ein Pilgerziel für Botaniker, republikweit", erläutert Biologe<BR>

Wolfgang von<BR>

Brackel. Auf den typischen Trockenrasen, ,,Filetstücke des Naturschutzes<BR>

in<BR>

Nordbayern", sind Federgras und Dänischer Tragant, Steppengreiskraut und<BR>

Geflecktes Ferkelkraut heimisch. Experten haben auf den Gipshügeln<BR>

allein 28<BR>

Arten registriert, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten<BR>

Pflanzen aufgeführt sind. Auch Heide-Grashüpfer und Erdbock fühlen sich<BR>

hier<BR>

wohl.<BR>

<BR>

Doch die Idylle ist bedroht: Die Firma Knauf (Iphofen) möchte im<BR>

direkten<BR>

Anschluss zum Naturschutzgebiet ,,Sieben Buckel und Höllern" rund 300<BR>

000<BR>

Tonnen Gips abbauen. Nach BN-Angaben hat das Unternehmen bereits im<BR>

Januar die erforderliche Genehmigung beim Bergamt Nordbayern (Bayreuth)<BR>

beantragt. Auf einer Fläche von 11,5 Hektar sollen 5,4 Hektar<BR>

Gipslagerstätten<BR>

ausgebeutet werden. Die Gipsbrüche werden sich fast auf Steinwurfnähe an<BR>

das<BR>

Gelände heranschieben und es von drei Seiten regelrecht in die Zange<BR>

nehmen,<BR>

befürchtet der Bund Naturschutz. Und das, obwohl die ,,Sieben Buckel" im<BR>

Regionalplan für Westmittelfranken nicht mehr als Vorranggebiet für die<BR>

Gipsgewinnung aufgeführt sind.<BR>

<BR>

Präzedenzfall?<BR>

<BR>

Dennoch will der Konzern offenbar einen Präzedenzfall schaffen, arg<BR>

wöhnt<BR>

Weiger, der den entschiedenen Widerstand des BN ankündigte. Knauf gehe<BR>

es<BR>

wohl darum, beispielhaft zu zeigen, dass Gipsabbau und Natur in Einklang<BR>

zu<BR>

bringen seien. Damit ließen sich Abbaupläne in anderen Regionen leichter<BR>

durchsetzen.<BR>

<BR>

Dabei gibt es dem Landesbeauftragten zufolge derzeit allein in<BR>

Westmittelfranken<BR>

rund 2200 Hektar an Vorranggebieten und etwa 10 000 Hektar<BR>

Vorbehaltsflächen für die Gipsgewinnung. Angesichts dieser Zahlen<BR>

plädiert der<BR>

Bund Naturschutz für einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen. Kaum<BR>

Chancen gibt der BN dem Konzept, in ausgeräumten Gipsbrüchen die<BR>

spezielle<BR>

Steppenvegetation, wie man sie von den ,,Sieben Buckeln" kennt,<BR>

ansiedeln zu<BR>

wollen.<BR>

<BR>

Seit 1960 hat der BN 3,6 Hektar der Gipshügel erworben. Angesichts der<BR>

Abbaupläne hat der Verband angeboten, durch den Kauf weiterer Flächen<BR>

,,der<BR>

Nachwelt ein besonderes Kleinod zu sichern". Dieses Vorhaben droht nun<BR>

zu<BR>

scheitern. Kreisgruppenvorsitzender Friedrich Buer: ,,Die Grundlage für<BR>

die<BR>

Erweiterung des Naturschutzgebietes wird weggebaggert".<BR>

 


Bilder der Gegend vom Juli 2007

Die flache Landschaft zwischen Markt Nordheim
und Krautostheim
Wo früher einfache Felswege waren, das
ziehen heute Bänder aus Teer und Beton
durch die Gegend
Hier irgendwo war/ist? der Eingang in die
Höllernhöhle
Darum geht es hauptsächlich - Gips!
Bei den "Sieben Buckel"-Gipshügeln
 
Hier das Naturschutzgebiet - hier das Steinbruchgelände
keine 20 m voneinander entfernt  

2024

Die Sieben Buckel

2007
2024

Literatur:

AA In Höhle verirrt, Nürnberger Nachrichten (Nr. 261, S.13) 12.11.1990
Cramer, H. Die "Höllern", eine Gipshöhle im fränkischen Gäu. Die fränkische Alb 1931, Nr. 8, S. 118-122
Gropp, Christoph Höhlenrettungseinsatz "Höllern" am 11.11.1990, Gut Schluf 21-1991, S.2ff.
Götz, J. Der Gipskarst bei Markt Nordheim, Natur und Mensch 1979, Jahresmitteilungen der NHG Nürnberg e.V., S. 27-31, Nürnberg 1980
Götz, Hans-Joachim Altbekanntes und Neues zur Gipshöhle Höllern bei Markt Nordheim, Laichinger Höhlenfreund 40 (2), Laichingen 2005, S. 97-106
hmg karst-telegramm, Mitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 30, 1987
Konopka, Tom Geplanter Gipsabbau am Naturschutzgebiet Sieben Buckel - Bund Naturschutz protestiert gegen den Abbaubeginn druch KNAUF, Mitteilungen Verb. dt. Höhlen- und Karstforsch. 50 (4), München 2004, S. 124
Preu, Dieter Der "Rettungseinsatz" in der "Höllern" (Versuch einer Analyse), Fränkischer Höhlenspiegel 34-1991, S. 15ff.
Wolf-Mutzke, Christine Geplanter Gipsabbau an der Gipshöhle Höllern und am HSG Sieben Buckel bei Markt Nordheim, Mitt. Verb. dt. Höhlen- und Karstforsch. 48 (4), München 2002, S. 103f.
Wolf-Mutzke, Christine, BN Bayern Geplanter Gipsabbau an der Höllern bleibt höchst umstritten - Umweltprobleme beim Gipsabbau durch Fa. Knauf im In- und Ausland, Mitteilungen Verb. dt. Höhlen- und Karstforsch. 50 (4), München 2004, S. 123
 
 
 
 

 

Links:

http://www.gipskarst.de/3landsch/gips_wo-gibt-es-gipskarst.htm

Knauf - der Gipsabbaubetrieb

SiebenBuckel - 7buckel.pdf

Regierung von Mittelfranken

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