Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
"Höhle" und "Abgrund" bei Friedrich Hölderlin
Im Hölderlinhaus, Herbst 2023
An den Ufern des Flusses gab es für Hölderlin noch Götter: verborgen, unverstanden von den Menschen in der Dunkelheit ihres Exils, in der Zerrissenheit der Moderne, und doch lebendig und gegenwärtig. Ungestört von der Prosa der Realität und gleichwohl dazu bestimmt, in einer utopischen Zukunft aufzuwachen, ruhte im Schlaf Deutschlands die Poesie des Herzens, die Befreiung, die Versöhnung." Krüger, Verabredung 230
..in Vorbereitung
Friedrich Hölderlin,
HÖHLE / GROTTE..
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..doch gräbt er sich Höhlen in den Bergen |
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..nach den Höhlen in Lemnos |
Zu lang schon waltest über dem Haupt mir Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit! Zu wild, zu bang ists ringsum, und es Trümmert und wankt ja, wohin ich blicke. Ach! wie ein Knabe, seh ich zu Boden oft, |
Such in der Höhle Rettung von dir....
DER ZEITGEIST |
Und wenn ich oft dalag unter den Blumen und am zärtlichen Frühlingslichte mich sonnte, und hinaufsah ins heitre Blau, das die warme Erde umfing, wenn ich unter den Ulmen und Weiden, im Schoße des Berges saß, nach einem erquickenden Regen, wenn die Zweige noch bebten von den Berührungen des Himmels, und über dem tröpfelnden Walde sich goldne Wolken bewegten, oder wenn der Abendstern voll friedlichen Geistes heraufkam mit den alten Jünglingen, den übrigen Helden des Himmels, und ich so sah, wie das Leben in ihnen in ewiger müheloser Ordnung durch den Aether sich fortbewegte, und die Ruhe der Welt mich umgab und erfreute, daß ich aufmerkte und lauschte, ohne zu wissen, wie mir geschah – hast du mich lieb, guter Vater im Himmel! fragt ich dann leise, und fühlte seine Antwort so sicher und selig am Herzen. |
..Schoße des Berges saß...
HYPERION |
Ein freundlich Wort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein Lächeln, worin die verzehrende Herrlichkeit des Geistes sich verbirgt, ist wenig und viel, wie ein zauberisch Losungswort, das Tod und Leben in seiner einfältigen Silbe verbirgt, ist, wie ein geistig Wasser, das aus der Tiefe der Berge quillt, und die geheime Kraft der Erde uns mitteilt in seinem kristallenen Tropfen. |
...die geheime Kraft der Erde uns mitteilt in seinem
kristallenen Tropfen..
HYPERION |
Einst war ich tief in die Wälder des Mimas hineingeritten und kehrt erst spät abends zurück. Ich war abgestiegen, und führte mein Pferd einen steilen wüsten Pfad über Baumwurzeln und Steine hinunter, und, wie ich so durch die Sträuche mich wand, in die Höhle hinunter, die nun vor mir sich öffnete, fielen plötzlich ein paar karabornische Räuber über mich her, und ich hatte Mühe, für den ersten Moment die zwei gezückten Säbel abzuhalten; aber sie waren schon von anderer Arbeit müde, und so half ich doch mir durch. Ich setzte mich ruhig wieder aufs Pferd und ritt hinab |
...steiler wüster Pfad ...durch die Sträucher sind
wand, in die Höhle hinunter, die nun vor mir sich öffnet..
HYPERION |
Zur nahen Grotte trat ich dann in meinen friedlichen Träumen, da hätte der Alte, sagen sie, seine Iliade gesungen. Ich fand ihn. Jeder Laut in mir ... |
Zure nahen Grotte trat ich.... HYPERION |
Und da ich hörte, Der nahegelegenen eine Sei Patmos, Verlangte mich sehr, Dort einzukehren und dort Der dunkeln Grotte zu nahn. Denn nicht, wie Cypros, Die quellenreiche, oder Der anderen eine Wohnt herrlich Patmos, |
..der dunkeln Grotte zu nahn
PATMOS |
....ich glaube, die Lehre Chirons zu haben. Aus der Grotte nämlich komm ich Bei Charikli und Philyra, wo des Zentauren Mädchen mich ernähret, Die heilgen; zwanzig Jahre aber hab Ich zugebracht und nicht ein Werk Noch Wort, ein schmutziges, jenen Gesagt, und bin gekommen nach Haus, Die Herrschaft wiederzubringen meines Vaters. |
Aus der Grotte nämlich komm ich.... Jason, ein Zögling des Kentauren, tritt vor Pelias PINDAR-Fragmente: UNTREUE DER WEISHEIT |
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" ...gräbt er sich Höhlen in den Bergen und
späht im Schacht." MNEMOSYNE |
Herrlicher Göttersohn! da du die Geliebte verloren, Gingst du ans Meergestad, weintest hinaus in die Flut, Weheklagend, hinab verlangt in den heiligen Abgrund In die Stille dein Herz, wo, von der Schiffe Gelärm Fern, tief unter den Wogen, in friedlicher Grotte die blaue Thetis wohnte, die dich schützte, die Göttin des Meers. |
"... in friedlicher Grotte ACHILL |
So hatt ich einige Zeit gelebt, als eines Tages Notara zu mir kam mit einem jungen Tinioten, sich über meine sonderbare Eingezogenheit beschwerte, und mich bat, mich den andern Tag abends bei Homers Grotte einzufinden, er habe etwas Eignes vor, dem Tinioten zulieb, der so recht mit ganzer Seele am alten Griechenlande hänge, und itzt auf dem Wege sei, die äolische Küste, und das alte Troas zu besuchen, es wäre mir heilsam, setzte er hinzu, wenn ich seinen Freund dahin geleitete, er erinnere sich ohnedies, daß ich einmal den Wunsch geäußert hätte, diesen Teil von Kleinasien zu sehn. Der Tiniote bat auch, und ich nahm es an, so wie ich alles angenommen hätte, beinahe mit willenloser Lenksamkeit. Der andre Tag verging unter Anstalten zur Abreise, und abends holte Adamas, so hieß der Tiniote, mich ab, zur Grotte hinaus. Es ist kein Wunder, (begann ich, um andern Erscheinungen in mir nicht Raum zu geben, nachdem wir eine Weile am Meles auf und nieder unter den Myrten und Platanen gegangen waren,) daß die Städte sich zankten um die Abkunft Homers. Der Gedanke ist so erheiternd, daß der holde Knabe da im Sande gespielt habe, und die ersten Eindrücke empfangen, aus denen so ein schöner gewaltiger Geist sich mählich entwickelte. Du hast recht, erwiderte er, und ihr Smyrner müßt euch den erfreulichen Glauben nicht nehmen lassen. Mir ist es heilig, dieses Wasser und dies Gestade! Wer weiß, wie viel das Land hier, nebst Meer und Himmel, teilhat an der Unsterblichkeit des Mäoniden! Das unbefangne Auge des Kindes sammelt sich Ahndungen und Regungen aus der Beschauung der Welt, die manches beschämen, was später unser Geist auf mühsamem Wege erringt. In diesem Tone fuhr er fort, bis Notara mit Melite und einigen andern herankam. Ich war gefaßt. Ich konnte mich ihr nähern, ohne merkliche Änderung im Innern. Es war gut, daß ich unmittelbar zuvor nicht mir selbst überlassen war. Sie litt auch. Man sah es. Aber o Gott! wie unendlich größer! In die Regionen des Guten und Wahren hatte sich ihr Herz geflüchtet. Ein stiller Schmerz, wie ich ihn nie bemerkt hatte an ihr, hielt die frohen Bewegungen ihres Angesichts gefangen; aber ihren Geist nicht. In unwandelbarer Ruhe leuchtete dieser aus dem himmlischen Auge, und ihre Wehmut schloß sich an ihn, wie an einen göttlichen Tröster. Adamas fuhr fort, wo er unterbrochen worden war; Melite nahm teil; ich sprach auch zuweilen ein Wörtchen. So kamen wir an die Grotte Homers. Stille traurende Akkorde empfingen uns vom Felsen herab, unter den wir traten; die Saitenspiele ergossen sich über mein Innres, wie über die tote Erde ein warmer Regen im Frühlinge. Innen, im magischen Dämmerlichte der Grotte, das durch die verschiedenen Öffnungen des Felsen, durch Blätter und Zweige hereinbricht, stand eine Marmorbüste des göttlichen Sängers, und lächelte gegen die frommen Enkel. Wir saßen um sie herum, wie die Unmündigen um ihren Vater, und lasen uns einzelne Rhapsodien der Ilias, wie sie jedes nach seinem Sinne sich auswählte; denn alle waren wir vertraut mit ihr. Eine Nänie, die mein Innerstes erschütterte, sangen wir drauf dem Schatten des lieben blinden Mannes, und seinen Zeiten. Alle waren tiefbewegt. Melite sah fast unverwandt auf seinen Marmor, und ihr Auge glänzte von Tränen der Wehmut und der Begeisterung. Alles war nun stille. Wir sprachen kein Wort, wir berührten uns nicht, wir sahen uns nicht an, so gewiß von ihrem Einklang schienen alle Gemüter in diesem Augenblicke, so über Sprache und Äußerung schien das zu gehen, was jetzt in ihnen lebte.
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...der mich bat, mich an andern Tag abends bei Homers
Grotte einzufinden...
...drinnen im magischen Dämmerlicht der Grotte....
FRAGMENT VON HYPERION
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Abgrund / Schacht
Ach! wär ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft, der ich in den Schacht hinunter folgte, von der ich, jugendlich töricht, die Bestätigung meiner reinen Freude erwartete, die hat mir alles verdorben. Ich bin b |
..der ich in den Schacht hinunter folgte..
HYPERION |
Aber dreifach fühlt ich ihn und mich, wenn wir, wie Manen aus vergangner Zeit, mit Stolz und Freude, mit Zürnen und Trauern an den Athos hinauf und von da hinüberschifften in den Hellespont und dann hinab an die Ufer von Rhodus und die Bergschlünde von Tänarum, |
..die Bergschlünde von Tänarum
HYPERION |
Voll Güt ist. Keiner aber fasset Allein Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. Im Finstern wohnen Die Adler und furchtlos gehn Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg Auf leichtgebaueten Brücken. Drum, da gehäuft sind rings, um Klarheit, Die Gipfel der Zeit, |
..Söhne der Alpen über den Abgrund hinweg
PATMOS |
Herrlicher Göttersohn! da du die Geliebte verloren, Gingst du ans Meergestad, weintest hinaus in die Flut, Weheklagend, hinab verlangt in den heiligen Abgrund In die Stille dein Herz, wo, von der Schiffe Gelärm Fern, tief unter den Wogen, in friedlicher Grotte die blaue Thetis wohnte, die dich schützte, die Göttin des Meers. |
"....weheklagend, hinab verlangt in den heiligen
Abgrund..." ACHILL |
Die Sandalen des Empedokles am Kraterrand...aus der Sicht von E. Garcin
Literatur
Binder, Wolfgang (1987): Äther und Abgrund in Hölderlins Dichtung, in
des.: Hölderlin-Studien, hrsg. von Elisabeth Binder und Klaus Weimar,
Frankfurt a.M., 110-134
Garcin, Etienne & A. Dan (2022): Philosophix, Knesebeck, München, 3.
Auflage
Krüger, Michael (2023): Verabredung mit Dichtern, Suhrkamp, Berlin
Rehm, Walter (1957): Tiefe und Abgrund bei Hölderlin. In ders.:
Begegnungen und Probleme. Studien zur deutschen Literaturgeschichte. Bern
Reitani, Luigi (2007): Ortserkundungen, Raumverwandlungen. Zur poetischen
Topographie Hölderlins, in: Hölderlin-Jahrbuch, 35. Band,
Hölderlin-Gesellschaft, Tübingen und Edition Isele, Eggingen, 9-29
Links:
https://www.hoelderlin-gesellschaft.de/
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