Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das 2011er-Treffen der SFES in Hagenau/Elsass


  Windstein
  La-Petite-Pierre
  Bitche

"Kein schönrer Tod ist auf der Welt, als wer vom Feind erschlagen..", aus: Jahrgang 1902 von Ernst Glaeser, Berlin: Kiepenheuer 1929


Immer wieder, wenn ich nach Frankreich fahre, dann staune ich. Wie einfach ist das heute und wie freundlich sind die Menschen dort zu uns. Ich finde das überhaupt nicht für selbstverständlich. Mein Vater hat mir eine Geschichte erzählt, die er, leider, noch erlebt hat. Deutsche Offiziere haben sich in die Betten von französischen Bürgern gestellt und "hinein gepieselt". Stramm drauf stehend und voll ihre Verachtung für diese "frogs" hinausurinierend. So hat sich die provozierte, meist erzwungene (durch was denn?) Feindseligkeit, die sich über Hunderte von Jahren auch in Kriegen ausgetobt hat, gewaltätigst gezeigt. Hände, Beine, Köpfe und Körper sind geflogen, wurden verstümmelt, das Rot des Blutes war wohl lange die dominierende Farbe.

Und nun sitzen wir heute zusammen, beim Essen, beim Wein, bei gemeinsamen Vorträgen und geben uns am Ende die Hände, statt uns die Köpfe einzuhauen. Hoffentlich bleibt das für immer so, aber wer weiß, die Spaltungen bestehen nun vielleicht nicht mehr so sehr zwischen Franzosen und Deutschen oder zwischen Katholiken oder Protestanten, sondern, wieder, mehr zwischen Habenden (Betreten verboten! Privat!) und Nixhabenden, zwischen Nord und Süd, zwischen Menschen, die heute leben und denen, die vielleicht noch nach uns kommen.

Die SFES gibt es nun seit vielen Jahren und immer wieder sind auch aus Deutschland ein paar Teilnehmer bei den jährlichen Treffen dabei gewesen. Mir war es schon einmal, ausgerechnet 1992 in Saint-Rémy-sur-Durolle (Puy-de-Dome), vergönnt gewesen, einmal dabei zu sein. Das liege ungefährt in der  Mitte Frankreichs, und ausgerechnet dort, gibt es diese höchst seltsame Erscheinung der "Erdställe" auch. (Zufälle? Links neben mir saß 2011 am Tisch am Abend genau die Frau und ihr Mann, auf deren Grund einer der Erdställe liegt, den wir damals besucht haben???? Und es wurde eine Publikation herumgereicht, die sich mit den "souterrains annulaires" aus dieser Gegend befaßte.)

Souterains gibt es an vielen Stellen, also von Menschen errichteten Bauten unter der Erde, aber ein richtiger "Erdstall" ist das noch lange nicht. Ein Erdstall ist so eine Art "souterain+". Ein normales Souterain hat einen Zweck: man baut einen Keller, einen Tunnel, einen Stollen, einen Brunnen und so weiter. Warum Menschen "Erdställe" gebaut haben, das ist weiter rätselhaft. Eine "vernünftige", "rationale", "wissenschaftliche" Antwort wurde ja schon versucht: die "Fluchtthese". Man habe sich in schweren Zeiten verstecken wollen vor den Feinden, Verfolgern, Gegnern. Man hat in Versuchen es tatsächlich geschafft, dort zu überleben. Aber wurden sie aus diesem Grunde gebaut, so gebaut? Wohl eher nicht. Denn wenn der Mensch sich unter die Erde flüchten muß, um vielleicht zu überleben, dann schauen die unterirdischen Bauten anders aus, was man sehr gut an vielen Stellen in Frankreich sehen und erleben kann.

Sehr gut im "Elsass". Der "Krieg" war ein dominierendes Thema auf der 2011er Tagung der SFES, die von einer einzigen Person organisiert worden ist, Bertrand Ferrari. Ihm können wir nur herzlichst danken, daß er das in die Hände genommen hat, und daß alles so gut funktioniert hat.

Am Freitag, den 15. Juli 2011, gab es eine Vorexkursion nach Vieil Armand. Es handelt sich hier um eine große Bergfestung mit zahlreichen Souterrains aus dem 1. Weltkrieg an der Route des Crêtes zwischen Ufholtz und Wattwiler. Die Teilnehmer kamen tief beeindruckt davon wieder zurück.

Am Samstag war der Tag der Vorträge und der Hauptversammlung der SFES. Als Leitthema hatte man gewählt: "Evolution du rôle des souterrains et des structures creusées dans les structures défensives", also die Entwicklung der Rolle, die vom Menschen geschaffenen Räume in der Erde für ihn gehabt haben, insbesondere deren Bedeutung in Kriegen. Treffpunkt war in einer großen öffentlichen Halle mitten im Ort, der "Salle des Corporations". Ein großer Büchertisch stand gleich beim Eingang, wo man die ansonsten oft nur schwer erhältliche Literatur günstig kaufen konnte.

Man ließ sich Zeit mit dem Beginn der Vorträge. Luc Stevens, langjähriger Vorsitzender, eröffnete schließlich die Veranstaltung und stellte auch gleich den ersten Vortragenden vor, Eric Zipper, an diesem Vormittag gleich zweimal Beiträge lieferte: die souterrains von Pfastatt und der Brunnenschacht von Haut-Koenigsbourg. Die gezeigten Bilder hatten oft eine ausgezeichnete Qualität, so daß das Zuschauen ein Vergnügen war. Konnte man kein Französisch, dann hat man schlechte Karten, denn die Vorträge waren überwiegend in dieser Sprache. Raymond Delavigne bot eine ausgezeichnete Übersicht über die "paysages troglodytiques" der ganzen Welt, aber natürlich mit dem Schwerpunkt Frankreich. Da steckte ein halbes Leben Arbeit drinnen. John Van Schaaik aus den Niederlanden führte uns in das "secret of the Municipal Quarry of Valkenburg" ein. Als Besucher bekommt man ja nur einen ganz kleinen Teil des riesigen unterirdischen Areals mit und darin und dahinter verbergen sich noch viele erzählenswerte Geschichten. Etwas unheimlich wurde es dann, als Martin Dixon, der Vorsitzende von "Subterranea Britannica", von den TITAN II Silos in den USA berichtete. Diese Bauten waren einst das "backbone" der nuklearen Abschreckung der USA. Heute gibt es nur noch einen und der wird im ursprünglichen Zustand an Erinnerung erhalten. Am Ende griff das Thema Krieg noch Luc Stevens mit einem Referat über den Afghanistankrieg und die Höhlen von Tora Bora und andere auf.

Spät am Nachmittag vollzog sich noch die Jahreshauptsammlung der SFES, dann waren alle reif für ein schmackhaftes Abendessen im Freien vor dem Restaurant "LE TIGRE". Anfangs war es ja noch freundlich zu uns, das Wetter, aber später mußte schon ein großes Regendach ausgefahren werden, um nicht die gute Stimmung an den Tischen zu verderben.

Der Sonntag diente dann einer großen Exkursion durch das Elsass mit drei Schwerpunkten: der Höhlenburg Windstein, den unterirdischen Anlagen zur Wassergewinnung von Petite Pierre und schließlich noch die Soutterrains in der Zitadelle von Bitche. Gesellschaftlicher Höhepunkt war ein gemeinsames Essen in einem Lokal in Petite Pierre, das ausgezeichnete Elsässer Speisen auf den Tisch brachte. Das Wasser und der Wein waren auch noch inklusive. Die ganz Unentwegten trafen sich dann abends noch einmal in Haguenau im Restaurant "Campanile" wieder zum Essen und Beisammensein.

Alles in allem war der Kongreß sehr gelungen und machte Lust, auch im nächsten Jahr dabei zu sein. Dann werden es aber von München aus nicht nur 400 km sein, sondern bis nach Villeneuve-sur-Lot sind es bestimmt 1.500 km. Dafür gibt es dann aber auch wieder ganz andere Souterrains zu sehen.

 

In Haguenau

- das Tagungslokal

 
 
 
 
 
 
Unterwegs am Windstein
 
 
 
In Petite Pierre
 
 
 In Bitche

 


Literatur:

Bloy, Léon Blutschweiß, Matthes & Seitz, Berlin 2011

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