Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Chanten im "Alten Haus"

 


Traditionen beginnen immer ganz klein. Wir müssen nur unsere Geburtstage anschauen. Mit er 1 fängt es an, dann zählen wir anfangs oft heftig, gegen das Ende zu könnte es uns gar nicht langsam genug gehen. Da werden wir zu "Genießern". Wir spüren halt die Vergänglichkeit allen Seins immer mehr. Da kann dann ein kleiner Schritt weiter nur noch "Absturz" bedeuten, was vorher nur lang ersehnte Fortbewegung zu einem höchst ersehnten Gipfelziel sein sollte.

Das Höhlenchanten hat Wolfgang Friederich bei uns 2004 begründet. Zweimal sind wir schon im Schulerloch gewesen. Diesmal probierten wir, wirklich wir, es wo anders. Im Sommer 2005 habe ich ihm ein paar Höhlen auf der Südlichen Frankenalb gezeigt, die sich vor allem auch akustisch für so ein Unternehmen eignen könnten. Das "Alte Haus", so die alte Bezeichnung, schien uns ein passendes Naturobjekt zu sein.

Wolfgang übernahm die Organisation (publizierte alles fleißig auf seinen Flyern und der Webseite) und erlebte die inzwischen leider schon üblichen negativen "Überraschungen": ein kaum, bis fast nicht mehr fühlbares Echo. Alles stand kurz vor der Absage! Und am Ende dann ....... soll ich es "Triumph" nennen?

Die "Natur" bei uns, "Mother Nature" wo anders, hat einfach mitgespielt! Prachtvollstes Spätsommerwetter, kein Wölkchen mehr am Himmel (eine Woche vorher war ich im Toten Gebirge auf dem Appelhaus schon eingeschneit gewesen!), Bodenwärme, später ein makelloser Sternenhimmel an diesem 24. September 2005, einem Samstagabend. Vorangegangen war ein unvergeßlicher Sonnenuntergang, der uns alle überrascht hat. Auf einmal war die Sonne im Höhlenraum - nur für kurze Zeit, dann war sie schon wieder hinter der großen Felswand draußen verschwunden.

 
 

Vor dem Chanten haben wir ein kleines Picknick auf dem Vorplatz der Höhle gemacht. Erst einmal ankommen, dort, wo man ist! Da gab es lauter kleine Köstlichkeiten, vom Sauerrahmgemüsedip bis zum Sushi. In der Zwischenzeit machte Wolfgang ein paar Klangproben, um herauszufinden, welche Chants am Besten zu diesem Hohlraum paßten, weil das halt stark mit den akustischen Qualtiäten jeweils zusammenhängt. In Worten ausgedrückt hieß das dann: Die Höhle braucht "Lebendigkeit". So sangen wir dann Lieder wie "Mother I feel you under my feet". Ich kümmerte mich um den Zustand des Höhlenbodens, der noch voller Reste früherer Festiivitäten dort steckte. Ein mitgebrachter Eisenrechen leistete hervorragende Dienste und so wurde wenigstens der Zentralraum von all dem Stroh, Müll und den gröbsten Steinen gereinigt. Rundum wurden Teelichter aufgestellt, in der Mitte ein Kreis mit diesen Beleuchtungsmitteln. Für mein Gefühl hätten da ruhig größere Kerzen stehen können, da die einfach mehr Leuchtkraft haben und die manchmal sehr düstere Stimmung, wegen des fast schwarzen Höhlenbodens, etwas aufhellen hätten können.

Auf einmal kamen die Sonnenstrahlen hinter dem nördlich gelegenen Kalkfelsen in die große Kuppelhalle, leuchtete ein Felsareal rotgelb auf, wurde der ganze Höhlenraum etwas heller, wurde alles um Grade stiller. Dastehen, schauen, spüren, hören, ein paar Töne chanten, still wieder sein.... Ein Geschenk der Natur, so etwas mal miterleben zu können!

Es ist gar nicht so einfach, so ein Höhlenchanten zum "Swingen" zu bringen. Wir haben gesungen, was ging, aber es dauerte erst einige Zeit, eh wirklich so etwas wie Atmosphäre aufkam. Wenn es mehr Leute gewesen wären, dann hätte sich der Raum wohl mehr mit Klängen füllen können. So waren wir knapp 20 Leute in dem 20 m weiten Kuppelraum noch ein paar zu wenig. Sehr gut wurde es, als wir gegen die Höhlenwand, in einem kleinen Abschnitt der Höhle, das Alleluja von Pachelbel sangen. Der Blick fiel nur auf die beiden Teelichter in kleinen Nischen, die lange Schatten verursachten. Da war eine starke Resonanz zu spüren. Besonders gut gefiel mir der Chant nach den Eichendorff-Zeilen: "Schläft ein Lied in allen Dingen..." und das mit dem berühmten " sprichst du nur das Zauberwort" endet. Wie war das doch gleich wieder, das Zauberwort?

Zwischen hinein erzählte ich ein bißchen was von der Geschichte der Höhle, die ja bis in die Steinzeit zurückreicht. Danach war sie auch noch sehr bewegt, und ihre Verwendung als Konzertsaal durch uns gehört da eher in den "höheren" Bereich. Nach einer Sage hat sie ja auch schon als Gefängnis für gekidnappte Händler und benachbarte "Nebenritter" gedient, tatsächlich war ja auch die Lagerung von Kriegsgerät und Munition im Endstadium des Großdeutschen Reiches geplant.

Um die ganze Welt ging es musikalisch. Von Indianergesängen über das deutsche Liedgut bis zu einem indischen "Shiva"-Mantra bis zu Klängen der Sufis. Damit fand dann auch alles seinen guten Abschluß. Längst war es schon dunkle Nacht draußen, überwölbt von einem strahlenden Sternenhimmel. Nur wenige hatten ein Licht dabei. Die meisten liefen im Schein meiner Petzl-Tikka mit, hinunter in 10 Minuten Fußmarsch zum Parkplatz.

Ich glaube, für alle, bis auf mich, lag noch der Weg auf der Autobahn nach München noch ihnen. Mich trug es zurück zum 2005er Erdstalltreffen - etwas für Kenner und ...r.

Am nächsten Mittag fuhr ich noch einmal zur Höhle, bewaffnet mit einem Müllsack und räumte auch die allerletzten Spuren unseres Singens und auch Etliches von all den anderen Höhlenbesuchern auf. Der Zustand der Höhle hat sich durch unseren Besuch nur gebessert!

 

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