Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die 2016er-Tagung des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher in Rübeland
Die momentane Führungsriege - Bärbel Vogel und Andreas Wolf
"Freunde helfen nicht nur bei Umzug und Liebeskummer - sie sind auch wirksamer als Morphium...je größer das Netzwerk aus guten Bekannten ist, auf das man sich verlassen kann, desto mehr Schmerzen lassen sich aushalten...Menschen mit einem großen Freundeskreis schütten offenbar mehr körpereigene Endorphine aus....Endorphine sind die natürlichen Schmerzkiller unseres Körpers und geben uns dieses herrliche Gefühl des Wohlbefindens." (Bartens, S. 16) Diese Zeilen standen in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung und paßten genau zu dem, was wir alle, die zur 56. Verbandstagung der deutschen Höhlen- und Karstforscher gekommen waren, wohl so ziemlich alle erlebt hatten.
Einer beherrscht die Kunst des Freundegewinnens in
Höhlenforscherkreisen besonders gut und der wurde ausgerechnet am Festabend in
der Baumannshöhle am 7. Mai 2016 zu einem neuen Ehrenmitglied ernannt: Réné
Scherrer. Seit Jahren schon taucht er auf sehr vielen höhlenkundlichen
Veranstaltungen auf und scheint ein unerschöpfliches Reservoir an Kraft und
Freude zu haben. Einen Monat vorher hatte ich ihn in Divnogorje in Russland
getroffen bei einem höhlenkundlichen Symposium, auf meine Frage, was er
vorhabe, antwortete er: Nächstes Wochenende bin ich Slowenien beim
Eishöhlensymposium und 4 Wochen drauf schon wieder. Da gibt es eine Fortbildung
für Höhlenforscher. Unglaublich, wie vital er noch ist. Es gibt noch ein neues
Ehrenmitglied: Dr. H.W. Franke. Er war per Videobotschaft präsent und so
bekamen auch die Jüngeren ein wenig mit, was für bedeutende Leistungen er
vollbracht hat. Ich denke da z.B. an das Buch "Wildnis unter der
Erde", das ich für ein Meisterwerk der Höhlenliteratur halte.
Die Verbandsehrungen waren nur ein Teil des Festabends, für den man kaum einen
besseren Ort hätte finden können. Das Ambiente einer Tropfsteinhöhle, farbig
ausgeleuchtete Sinterkulissen, die sich in einem See spiegeln, eine
Mordsakustik, viele bequeme Sitzgelegenheiten, nur ein wenig kalt war es halt.
Das ist nur begrenzte Zeit auszuhalten, egal wie gut das Programm ist. Eine
ausgezeichnete Idee war der Auftritt eines Chores, der ziemlich gut passende
Lieder von sich gab, auch ein richtiges "Höhlenforscherlied".
Natürlich gab es die einfach notwendigen Ansprachen der Honoratioren und zwei
gelungene Vorträge: A. Ipsen stellte das ziemlich ungewöhnliche
Rettungsprojekt Grottenolme vor und F. Knolle schilderte gekonnt "150 Jahre
Höhlenforschung in der Hermannshöhle". Vorausgegangen war ein
"Rustikales Buffet" im Eingangsbereich der Hermannshöhle.
Darüber wird sich keiner beklagen. Als allerdings immer mehr Teilnehmer zurückkamen zum Tagungsort, der "Harzbaude Susanne", da fanden sie nur eine verschlossene Türe. Die Wirtsleute hatten zugesperrt und wohl nicht damit gerechnet, daß da noch durstige und hungrige Höhlenforscher durchs Gelände streifen und Gelüste haben. Es wurde trotzdem noch ein genüßlicher Abend, hatten doch einige gut vorgesorgt. Aus den Autos wurden die Bierkästen geholt, auch schärfere Alkoholikas tauchten auf, wie Edelbrände, über Gold verbessert, Knabbereien - Höhlenforscher müssen Meister im Umgang mit Schwierigkeiten sein, so war das nur eine kleine Fingerübung, um noch einen vergnüglichen Abend zu haben.
Die Luft war an diesem Abend fast schon wieder heraus, nachdem wir schon 3 Tage volles Programm erlebt hatten. Am Donnerstag, den 5. Mai 2016, und am Freitag gab es ein sehr umfangreiches Exkursions- und Vortragsprogramm. Bei der Fülle war die Auswahl schwer. 4 Oberflächenexkursionen und 15/16 Höhlenausflüge pro Tag, am Sonntag dann noch einmal 12 Exkursionen. Das muß man erst einmal stemmen! Für jede Exkursion mußten Betreuer gefunden werden, die Besucher kamen dann schon, meistens. Es gab "Renner": Wettelrode. Und "Hänger": z.B. Bielshöhle, Labyrinth.
Da hatte ich mich angemeldet und war der Einzige. Trotzdem, für mich war das genau das Richtige. Salvatore Bologna, Vorstand des Speläologen Bund Hildesheim, führte mich und stand geduldig als Photomodell zur Verfügung. Wir wurden sogar von der Kinderführung in die Bielshöhle überholt, die gleichzeitig in der Höhle war. Die schönen Bilder, die dabei entstanden sind, sind nur so zu machen. Dank an Salvatore.
Für das Vortragsprogramm gab es veröffentlichte Angaben, die man dann allerdings variierte und per kleinem Aushang auch veröffentlichte. Wer sich auf das Urprogramm verließ, war der Ausgeschmierte oder auch nicht, weil er es ja gar nicht mitbekam. Es wurde ein zweiter Vortragssaal gefunden, wo etwa Michael Laumanns z.B., eigens unter Hinweis auf die Flüchtlinge, die im Haus nebenan untergebracht sind, einen Vortrag über Höhlen in Kurdistan und in Syrien hielt. Er bot sogar an, das in Englisch zu tun. Das Echo bei der Zielgruppe war "bescheiden". Trotzdem, ein Moment, wo es sich lohnte, dabei gewesen zu sein. Wenn da einmal wieder Frieden herrscht....
Abends, bzw. nachmittags gab es Vorträge, beachtenswerte. Aber ich habe jemanden getroffen, der ging zu keinem davon. Er faßte es kurz zusammen: Neue große Höhle, schöne Höhle, nächster Vortrag: neue große Höhle, schöne Höhle,...... und so weiter. Ihn langweilte das inzwischen, diese dauernden Wiederholungen. Sieht man von allen Einzelheiten ab, von Lage, Gestein, Inhalt usw., dann hat er schon irgendwo recht. Aber irgendwo auch nicht. Es gab sehr gute Vorträge von einigen Brennpunkten heutiger Spitzenhöhlenforschung in Deutschland: Hessenhauhöhle, Blauhöhlensytem, Fuchslabyrinth, Herbstlabyrinth. Ein Brennpunkt fehlte: das Riesending. Auch von den lokalen Höhlen wurde kompetent berichtet: Südharz, Rübeland, Iberg, Numburghöhle. Außer der Reihe sahen wir dann noch einen Bericht von offenbar recht erfolgreichen Forschungen in Laos.
Der wesentlichste Grund, warum man hier zusammenkommt, ist die
Jahreshauptversammlung des Verbandes. Sie war für den Samstagvormittag ab 9 Uhr
vorgesehen. Man könnte das als eine langweilige Routineveranstaltung ansehen,
für dieses Mal galt das nicht, zumindest am Anfang. Zum Versammlungsleiter wurde Friedhart Knolle gewählt, der eloquent und
souverän den Verlauf steuerte. Der erste Eklat kam bald. Er bezog sich auf die
Genehmigung des Protokolls der letzten Jahreshauptversammlung, das im letzten
Mitteilungsheft veröffentlicht worden war. Im Text war er als "Ralf
Müller" bezeichnet worden, auch das wurde von ihm beanstandet.
"Ralph" wäre richtig. Vor allem ging es um eine Formulierung:
"...es handelt sich offenbar nicht um gravierende und unheilbaanz anderer
Meinung. Friedhard nahm den Beitrag gekonnt wie ein Florettfechter auf und
parierte. Auch bei seinem Namen gäbe es öfters Verunbuchstabierungen:
Friedhard oder Friedhart? Erst sah es nach einer Verschiebung der Entscheidung
aus, aber offenbar waren die allermeisten das Thema leid. Es kam zur Annahme des
alten Protokolls mit allergrößter Mehrheit.
Die Berichte das Vorstands schlossen sich an. Bärbel ist als
"Flaggschiff" des Höhlenforscherverbands sehr gefragt und vertritt ihn
auf vielen Konferenzen und in vielen Institutionen. Am Ende stellte sie mit
Recht heraus, daß diese ehrenamtliche Tätigkeit ihre Grenzen hat! Auch
Andreas Wolf war vielbeschäftigt, auch noch mit den Nachwehen des
Riesendingunfalls, der ihn u.a. zu einer Konferenz über Höhlenrettung in
Spanien führte. Im Solidaritätsfonds der Höhlenrettung sind rund 40.000 Euros
gebunkert für den Notfall - nicht viel. Und so weiter und so fort. Eine
wesentliche Entscheidung war schon im Jahr zuvor gefallen: Wo findet die
nächste Hauptversammlung statt. Die Antwort: In Laichingen. Da feiern die ein
Jubiläum - und da können wir sicher sein, daß da Profis mitorganisieren.
Es gibt das offizielle, sich an der Oberfläche abspielende Programm und es gibt, um im Höhlenbildfeld zu bleiben, auch das inoffizielle, "untere". Das ist für jeden von uns ein anderes sein, weil er anderen Leuten begegnet oder aus dem Weg gegangen ist. Unter zwei Aspekten möchte ich ein paar von meinen Erlebnissen vorstellen: Einswerden und Entzweien. 1981 ist ein Artikel in KARST UND HÖHLE erschienen: "Die Schauhöhlen der Deutschen Demokratischen Republik". Schon der Titel kommt einem heute sehr fremd vor. 8 Jahre später löste sich dieses politische Gebilde auf, aber wer hätte 81 jemals gedacht, daß so ein Ereignis jemals hätte eintreten können? Man diese Idee daran prüfen, sich einmal vorzustellen, daß es in 50 Jahren vielleicht wieder so eine Grenze gäbe! Unvorstellbar?! Es war sehr aufschlußreich, abends auf dem Campingplatz, der alle 2 Jahre Schauplatz eines großen Pfingsttreffens der Höhlenforscher ist, mit unsern "Brüdern und Schwestern aus dem Osten" zusammenzusitzen und sich zu unterhalten. Sie hatten ja ihre Kindheit und Jugend noch unter den alten "sozialistischen" Verhältnissen zugebracht und nun ihre Eingemeindung unter den Bedingungen des Kapitalismus. Früher sei es "menschlicher" zugegangen, man habe sich untereinander mehr geholfen, sei sich näher gestanden - aber zurück möchte keiner mehr. Das Sichentzweien, das Separieren, tauchte auch auf. In einem Bonmot beschrieb ein Höhlenforscher aus dem Schwabenland das Verhältnis der Höhlenforscher und -gruppen als einen permanenten "Krieg", vielleicht besser "Fehde", wobei man meist erst am Ende die Gründe für die Entzweiung nachreiche, weil sie von Anfang an meist gar nicht feststünden. Und ein anderer Zusammenhang: Bayern wird aus dem deugtschen Höhlenforscherverband ausgeschlossen! Schier unglaublich, aber darüber wurde tatsächlich am Biertisch diskutiert. Schuld war der Alleingang der bayerischen Höhlentierschützer, stellvertretend Martin Hader, der sich ziemlich isoliert vorkam, die für ganz Deutschland einheitlich gestalteten Fragebögen für die Höhlenerfassung nicht einzuführen. Man wolle ein eigenes Papier, einfacher gehalten, nicht so kompliziert, wobei man vorher schon am Entwurf der Gesamtlösung mitgewirkt hatte, aber halt im letzten Moment einen Rückzug machte. Allgemeine Konfusion und Verärgerung.
Was in Rübeland nicht so glatt lief, das kommt sicherlich auch durch mangelnde Routine im Umgang mit vielen Besuchern, mit unterschiedlichen Interessen und Möglichkeiten.
Trotz allem: Rübeland hat sich gelohnt. Tausend Dank an alle, die sich da engagiert haben.
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< In der Mitte der Tagungsraum, rechts das Asylantenheim | ![]() |
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< zentral: die Tourenorganisationstafel
> draußen haben wir uns danach sortiert
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> Der Schlafplatz beim Schützenplatz | ![]() |
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Die Jahreshauptversammlung | ![]() |
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Beim Jubiläumsessen vor und im Schauhöhlengebäude der Baumannshöhle | ![]() |
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Im Goethesaal bei der Jubiläumsveranstaltung | ![]() |
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< Der Chor | ![]() |
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Die neuen Ehrenmitglieder:
< Réné Scherrer > Dr. H.W. Franke |
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Auf dem Weg zu Höhlentouren
< Hermannshöhle > Eisensteinstollen |
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Literatur:
Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. | Einladung zur 56. Jahrestagung des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., in: Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. Nr. 1/2016, S. 26ff. |
Bahl, Jürgen | Die Schauhöhlen der Deutschen Demokratischen Republik, KARST UND HÖHLE 1981, S. 5ff. |
Bartens, Werner | Schön, dass du da bist, Süddeutsche Zeitung Nr. 106, 9. Mai 2016, WISSEN, S. 16 |
Strahlendorf, Jörg, zusammengestellt von | Exkursionsunterlagen VdHK-Jahrestagung 2016 in Rübeland/Harz, Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. Neue Folge Heft 8, Goslar 2016 |
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