Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

14. Nationaler Kongress für Höhlenforschung

 in Interlaken 

vom 9. - 12. August 2019



Speläotechnikwettkampf auf der Erdoberfläche - SpeleoOlympics


"Jede geteilte Erinnerung und damit jede Geschichte bedarf einer anderen Geschichte, damit wir sie verstehen können. Jede Geschichte beschreibt und etabliert eine Beziehung, ein Gespräch zwischen sich widersprechenden, ergänzenden und erläuternden Erinnerungen. Jede Geschichte antwortet auf eine andere Geschichte, die wiederum ein Echo einer anderen Erzählung ist. In jeder Geschichte findet man die Spuren aller anderen Geschichten." (Lukas Bärfuss, Krieg und Liebe 202)


Exkursion: Das Bärenloch oberhalb Beatenberg, Kanton Bern / Das Schafloch im Justistal


"47 Schweizer Franken" für einen stylischen Männerhaarschnitt im Friseursalon im Oberlandshoppingcenter bei Interlaken (zuhause zahle ich 13 Euro beim Türkenfriseur in München-Pasing). Der Preis zeigt ein wenig das Niveau, auf dem man sich heute bewegt, wenn man sich in der Schweiz aufhält. Ein billiges Vergnügen war die Teilnahme am Kongreß sicherlich nicht, aber wert war sie jeden Franken. Und  manchmal passieren kleine Wunder, die vieles wieder neutralisieren. So wollte ich einmal zum Mittagessen zu meinem Auto gehen, kam an einem typischen Lokal mit Terrasse vorbei, der "Laterne", wo unter anderem ein älteres Paar mit dem typischen gelben Teilnehmerbändchen um den Hals saß. Ich fragte einfach über die Blumen hinweg, ob es da etwas Gutes zu essen gäbe, wir begannen ein kurzes Gespräch, und gleich darauf saß ich an ihrem Tisch, um auch etwas Feines zu mir zu nehmen. Beim Blick in die Speisekarte wurde, bildlich gesprochen, mein Hals ganz trocken - Wiener Schnitzel 43 Franken zum Beispiel. Eine kleine Anmerkung von mir über die Höhe der Essenspreise und schon war ich eingeladen. Sie würden für alles bezahlen, ich solle nur bestellen, was mir gefiele. Angeregt unterhielten wir uns über tausenderlei Dinge, die Zeit verging und wir versäumten einige sicherlich gute Vorträge - aber so eine herrliche Gelegenheit kommt ja selten! 

Zum dritten Male fand der nationale Kongress der Schweizerischer Höhlenforscher in Interlaken statt. Der Schweizerische Dachverband, die SSS-SGH, feierte zugleich das 80jährige Bestehen und die Höhlenforschergemeinschaft Region Hohgant HRH ihr 40-Jahre-Jubiläum. 7 Jahre waren seit der letzten derartigen Veranstaltung vergangen, damals war es im Muothatal. Es ist wohl nicht so leicht, so ein Ereignis mit einem so hohen Standard zu stemmen. Dazu braucht es einige Begeisterte, die weit über das übliche Maß hinaus zusammenarbeiten - und das über Jahre. Und die Besucher kamen, insgesamt waren es über 440 Teilnehmer.

Als Veranstaltungsorte standen das Gymnasium Interlaken (GYM) für das Kongressbüro, die Vorträge, die Workshops, die SpeleOlympics, die Ausstellungen und die Händler, das Kirchgemeindehaus Matten (KGH) für das Kulinarische und die Große Aula (SEK) für die Eröffnungs- und Schlusszeremonie zur Verfügung. 7 Parkplatzbereiche wurden gemanagt, Übernachtungsmöglichkeiten standen unter anderem in Schulturnhallen und auf einem Zeltplatz zur Verfügung. Wer zum Organisationsteam gehörte, das ziemlich groß war, war sofort am leuchtendroten T-Shirt mit SINTERLAKEN-Aufschrift erkenntlich.

Zum Rahmen der Tagung gehörte auch ein Plan- und ein Photowettbewerb und die Erstellung eines neuen Bandes der "Akten", in dem von allen Vorträgen eine schriftliche Fassung vorhanden ist. 

Ich fuhr von München am Freitag, den 9. August, in der Frühe los, passierte die Strecke  über Lindau, das Rheintal und dann entlang des Walensees reibungslos. Stockend wurde es in der Gegend um Zürich, wo gerade die Straße in Richtung Luzern wegen einer Baustelle blockiert war. Dick kam es dann bei Luzern, wo es etwa 1 Stunde dauerte, ehe dieses Nadelöhr, verursacht durch eine weitere Baustelle bei Hergiswil, passiert war. Ich machte noch einen kurzen Abstecher nach Ennetbürgen und suchte und suchte und suchte und fand dann tatsächlich den Eingang in die Friedhöflerhöhle mitten in einer Villensiedlung. Zurück auf der Autobahn wartete schon der nächste Stau auf mich. Wieder dauerte es eine Stunde, bis der Kopf der "Verkehrsstörung" erreicht war - und genau in diesem Moment entfernte ein Feuerwehrmann die temporäre Sperre und alles konnte einfach wieder so weiterfließen. Allerdings hatte ich noch Glück gehabt. Stunden später kam es am Brünigpaß wegen eines Unfalls zur Totalsperre und alle mußten wieder zurück fahren und konnten dann über Luzern - Bern wieder hinein in die Berge nach Interlaken. Ein zuverlässiges Verkehrssystem ist etwas anderes! Und dabei tun die Schweizer ja mit ihrem vorzüglichen Bahnsystem ja schon viel mehr Zukunftsträchtiges als hier in Deutschland diesbezüglich geschieht!

Der Freitag war der Tag der Workshops. Themen waren Biospeläologie, Biwak, Photographie, neue Einrichtungs- und Klettertechnik, Speleo-Elektronik, Färbversuche in der Praxis usw.. Um 20 Uhr gab es den ersten Höhepunkt: die Eröffnungszeremonie in und um die Große Aula. Richtig förmlich ging es zu, Ansprachen von Marie-José Gilbert, der OK-Präsidentin, auch vom Bürgermeister, ein großer Plenarvortrag über das Réseau der Siebenhengste, ein Willkommensaperitif, gesponsert u.a. von der Gemeinde Interlaken, und dann der "Surprise". Wir wanderten zur großen Zentralwiese in Interlaken und auf einmal begann ein Feuerwerk. Zwischen den sausenden Raketchen leuchtete dann "80 SSS-SGH" in der Dunkelheit. Clever gemacht. Wer noch weitermachen wollte, bewegte sich in Richtung KGH, wo es noch Barbetrieb und Musik gab. 

Der Samstag begann im KGH mit dem großen SGH-Brunch, für den 2 Stunden vorgesehen waren. Danach begann der Vortragsmarathon mit zwei parallelen Reihen: Höhlen im Ausland und Vorträge über Hydrogeologie und Höhlenschutz. Mich interessierte vor allem Ulrich Meyers Vortrag über den neuesten Stand der Forschung im Riesending. In Deutschlands längster und tiefster Höhle geht es momentan nicht mehr in dem gewohnten Tempo weiter. "Das große Aufräumen" war sein Motto, was gut die momentane Situation beschreibt. Außerdem gab es u.a. noch Beiträge über Myanmar (Dreybrodt), Höllengebirge (Wielander), Kolumbien (Habka), Steinbockschacht (Plan). Vom zweiten Block hörte ich mir Thomas Kesselrings Überlegungen zum Höhlenschutz an.

Nachmittags begannen die Vorträge über Schweizer Höhlen und da gab es Gewichtiges zu präsentieren: Die Höhlen der Sulzfluh (Klampfer), das Höhlenpuzzle östlich des Höllochs (Auf der Maur), Ostkarst der Silberen (Betschart), Wägital (Dickert), Unter-Gletscher-Forschungen in den Schweizer Alpen (Favre), Réseau der Siebenhengste / Zone Profonde (Siegenthaler), Geltenbach (Loretan, Kallen). Parallel dazu wurde bei der Archäologie/Paläontologie/Zoologie von Funden menschlicher und tierischer Überreste erzählt und von Fledermäusen berichtet.

Um 17.15 Uhr trafen sich alle zum großen Kongressfoto, das wieder von Philippe Crochet arrangiert und zusätzlich von Miriam, Mü, Widmer, aufgenommen wurde. Ab 18 Uhr war Zeit zur Teilnahme vom großen Gala-Dinner im KGH, das sehr liebevoll und gelungen abgewickelt wurde. (Vorspeise: Kalte Gurken/Apfelsuppe, frisches Habkernbrot - Hauptgang: Sennenbraten oder Gemüseburger, Härdöpfugratin, glasiertes Sommergemüse - Zwischengang: Sinterlakenkäseteller aus dem Oberland mit Hausgebackenem Früchtebrot - Desser: Oberländer Nidlecréme mit Meringuen).  Wer wollte, der konnte z.B. dazu ein Rugen Spez. Offen für 6 Fr oder eine "Petit Arvin" Rotwein für 20 Fr die Flasche genießen. Zwischen den Gängen gab es Programm: Beim ersten großen Abstiegsversuch in den Bärenschacht war vor 40 Jahren auch ein Rundfunkreporter dabei, den man wieder auftreiben konnte und der nun, sichtlich gereift, mit spürbarer Freude von damals erzählte. Er war nur der erste in der langen Reihe, die dann noch folgte. All die Kämpfer von früher wurden auf die Bühne geholt und gaben kurze Statements. Untermalt war das alles von Ausschnitten aus der Originalrundfunksendung und alten und neuen Bildern aus dieser inzwischen 80 km langen Riesenhöhle. Zum Abschluß gab es dann noch etwas zum Schlemmen: das HRH-Dessert, lecker zubereitet im Sporthotel Habkern. 

Der Sonntag sah ziemlich ähnlich wie der Samstag aus. Den ganzen Tag hindurch gab es in zwei Sälen Vorträge: u.a. über da(s Karstgebiet Sägistal (Marwan), Hohlaub (Hof), Seefeldhöhle (Hof), Bärenschacht (Höttl, Siegenthaler), einen Plenarvortrag über die "Grottes aux Fèes", die neue Superhöhle im Schweizer Jura mit inzwischen über 30 km Länge, die "calcFlow-Method" bei der Eishöhlenforschung (Schellenberger Eishöhle) und so weiter. Am Nachmittag hielt ich zwei Vorträge, einen über die Gräserhöhle bei Arcegno und einen über Caspar Wolf, den "Höhlenwolf".

Im Anschluß fand auf dem Freigelände das Finale der SpeleOlympics statt, wobei richtig Stimmung aufkam und die Wettkampfteilnehmer wirklich beklatschenswerte Leistungen erbrachten. Blumenberg hat einmal Höhlenforscher als Wesen mit einem Mangel an Selbstschonung bezeichnet. Die Natur hat vorgegeben, was der Mensch tun muß, um in ihr Inneres vorzudringen. Hier tut es der Mensch selber und macht runde Betonröhren extra nass, damit sie richtig rutschig sind, zwingt den Olympioniken zum Kopfstand in ein tiefes Wasserbecken, in dem ein Gipstropfstein eine weitere Verbiegung verlangt, will man zum steingefüllten Schleifsack, den es ab da auch noch durch die verbarrikatierte nächste Röhre zu schleppen gilt und so weiter und so weiter...

Ein dritte Veranstaltungsschiene neben den Vorträgen lief im SpeleoKino, wo verschiedene ältere und aktuelle Diaschauen und Höhlenfilme vorgeführt wurden, u.a. mit Oliver Schölls Siebenhengste-Film (den haben wir einige Tage später noch einmal auf der Verbandstagung in Nesselwang sehen können), Au Coeur de la Terre, eine Diaelegie von Philippe Crochet und vieles andere. 

Um 19.30 Uhr startete in der Großen Aula die Schlußzeremonie, die sehr vergnüglich verlief. Die Überraschungsmomente kamen durch die Prämierung der Teilnehmer an den Wettbewerben zustande. Eine Person wurde fast zugeschüttet von Preisen: Mü, Miriam Widmer. Ihre Photos erreichten sowohl von der Jury als auch vom Publikum höchste Werte, verdientermaßen für die hohe Qualität. Aber wenn man Gewinner kürt, dann entwertet man ein wenig auch die Arbeit der anderen, man braucht "Verlierer". Und das haben sie eigentlich oft nicht verdient. Mir gefallen Photopräsentationen besser, wenn alle einfach nur teilnehmen und eine Stufung unterbleibt. Das ist das Prinzip, das wir seit 40 Jahren bei unseren jährlichen Höhlenphotographentreffen HÖPHO anwenden. Die Preise waren teilweise sehr namhaft, So spendierte SCURION etliche Lampen. Chapeau.

Zum Abendessen ging es wieder ins KGH, wo es ein großes Raclette gab. Ganz so einfach war das auch wieder nicht, denn es schüttete massiv und gelegentlich hagelte es auch noch dazu. War am Vortrag jeder Platz im Saal besetzt, füllten die Anwesenden  gerade noch den halben Raum. Viele Teilnehmer waren schon abgereist, weil sie halt am nächsten Tag bereits wieder in die Arbeit mußten. Hauptsächlich waren nur noch die da, die am nächsten Tag an einer der Exkursionen mitmachen wollten. Wer sich für eine der schweren Touren angemeldet hatte, dem stand vielleicht eine Proberunde bei den SpeleOlympics bevor, um zu sehen, ob er wirklich die nötigen Qualifikationen hatte. Es gab drei Klassen von Exkursionsangeboten: schwierig, mittel, leicht. Und zwei Angebote, die man vollkommen unabhängig von anderen unternehmen konnte: in die Seefeldhöhle und das Schafloch.

Montagfrüh trafen sich die Teilnehmer an den Exkursionen zu unterschiedlichen Zeiten am Parkplatz beim Gymnasium GYM. Genau wurde registriert, wer dabei war, es wurde geprüft, ob man über eine passende Versicherung verfüge, ein Alarmzeitpunkt wurde ausgemacht, dann konnte es losgehen. Wir waren zu viert: Sibylle, kompetente, kundige und umsichtige Führerin, die sogar schon organisiert hatte, daß wir fast bis zum Bärenloch oberhalb von Beatenberg hinauffahren konnten, Laura aus Rumänien, die eigens die weite Reise zum Kongreß unternommen hatte, Jean, erfahrener Siebenhengstler aus Belgien, und ich. Alles verlief reibungslos, einige gute Photos entstanden und am Ende hatte jeder auch noch ein dickes Paket Alpkäse erworben. Am Parkplatz in Beatenberg trennten sich unsere Wege. Ich zog weiter zur nächsten Veranstaltung, der Tagung des VdHK in Nesselwang.

Ein großes MERCI für unsere Schweizer Kollegen, die so viel für uns alle getan haben, damit die 4 Tage in Interlaken zu einem unvergesslichen Erlebnis wurden.

 

Donnerstag

< Der Empfang

> Verbotsschilder vor der Photoausstellung

Die Aula - Veranstaltungsort von Anfangs- und Endzeremonie

> Der offizielle Beginn

< Alphornbläser zu Beginn
> Der Apero 

 

Feuerzauber zum Jubiläum

Freitag

< Vorträge

>  Wettbewerb

< Ein neuer/alter Trend: Reparieren statt neues Zeug zu kaufen 
Werner Janz

> Der Raum um den Imbissstand

Das Gruppenphoto
Die Gruppenbild-
photographen: Miriam und Philippe

> Händler am Werk: Scurionstand

Das Gala Dinner im KGH

unter einem Himmel von Fledermäusen

Das Gedeck

Wanddekoration

Die Nachspeise: das HRH-Dessert
Sonntag

Weitere Wettkämpfe

 

> Die Schlußzeremonie
in der SEK
< die Organisatoren der Veranstaltung

 

> das Schlußwort des momentanen Vorsitzenden der SSS/SGH Martin Reber

     
  Montag
19. August 

An der Abgangsstelle der Exkursionen beim Gymnasium 

 
Die Speisekarte für das Gala Dinner

Literatur

Höhlenforschergemeinschaft Region Hohgant HRH (2019): Akten des 14. Nationalen Kongresses für Höhlenforschung, Interlaken 2019
OK Sinterlaken 2019

Böke, Arniko (2019): Sinterlaken Speleokongress 2019, in: Höhlenwurm 158-2019, S. 27-29

Links:

https://sinterlaken.ch/

https://www.interlaken.ch/

https://speleo.ch/joomla/index.php/de/ SSS/SGH

Speläologische Ereignisse / Veranstaltungen / events......... künftige und vergangene.


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