Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Rehtiahöhle im Stubaital, Tirol, A


Es gibt Gebirgsgruppen in den Alpen, in denen bis jetzt noch überhaupt keine Höhle, egal welchen Typs, entdeckt worden ist. In der Katastergruppe 2342 SAILE, die eine Zone südlich von Innsbruck am Eingang ins Stubaital mit abdeckt, gibt es mindestens eine: "001 Prähistorische Höhle bei Mieders, 680 m Seehöhe". In einigen Ländern auf der Erde beginnt eine Höhle überhaupt erst, wenn sie mindestens 20 m lang ist, weil es dort gar so viele gibt - ein klarer Hinweis darauf, daß "Höhlen" nicht zuletzt eine "anthropozentrische Idee" sind. Dort würde man so ein kleines Felsloch einfach ignorieren. In Tirol ist das glücklicherweise ein wenig anders. De Bedeutung dieses unterirdischen Objekts liegt nicht in seinem speläologischen Umfang, sondern in seiner archäologischen Relevanz.

Im Reclam-Kunstführer ist eine kurze Lageangabe angeführt, aus der besonders der Hinweis auf den Gallhof wichtig ist, denn in dessen Nähe liegt sie. Wir versuchten im Juni 2014, sie einmal aufzusuchen, was fast gescheitert wäre. Denn die Route, die wir gewählt hatten, trotz Karte und Beschreibung, erforderte erheblichen Muskeleinsatz. Von Telfes her suchten wir immer auf den Schildern nach dem "Gallhof", was zeitweise erfolgreich war, dann aber an gesperrten Fahrwegen endete. Von da ging es zu Fuß weiter, ohne weitere Hinweise. Auf einer Wiese begegneten wir einem Bauern und seiner Frau, die gerade heuten. Auf die Frage, ob sie von einer Höhle in der Umgebung wüßten, kam gleich die Antwort: Ja. Wir müßten immer geradeaus gehen, dann kämen wir 50 m von dem nächsten Hof entfernt bei Bienenhäusern vorbei und dann noch ein wenig weiter. Wir gingen und gingen, keine Bienenhäuser irgendwo. Ich las noch einmal die Beschreibung, da stand etwas von einer "Zisterne", mir kam wieder ins Gedächnis, daß wir vor 10 Minuten an etwas Gemauertem vorbeigekommen waren in einer Wiese, wo unten Wasser rauschte. Sollte es da gewesen sein? Ich drehte um, untersuchte diesen Ort, aber das war nur eine Betondrainage, die diese Wiese trockenlegen sollte. Ich war am Umkehren. Fritz, mein Begleiter, war etwas durchhaltewilliger, winkte, schien etwas gefunden zu haben. Ein letztes Zusammensammeln der Kräfte, ich machte den Weg zum zweiten Male. Er hatte auch noch nichts. Da wir jetzt schon da waren, ein letzter Vorstoß. Weiter auf der Teerstraße. Weiter. Weiter. Da, die Bienenhäuser. 50 m waren "leicht" zu wenig geschätzt. In der Beschreibung stand etwas davon, daß die Höhle bei Wegarbeiten gefunden worden wäre, damals 1976. Würden da irgendwo Straße und Fels näher zusammenkommen?

Tatsächlich. Und was war da? Ein stählerner Schaukasten am Wegesrand! Seltsam. Da war schnell alles klar. Wir hatten die Höhle gefunden. Ein kunstvoll geschmiedetes Tor verschloß den Zugang. Man hatte den Eingang abgemauert und die Öffnung verschlossen. Warum nur? Dahinter kommt nicht viell. Ein kurzer Felsgang, der aussieht wie Hunderttausende anderer auf diesem Planeten und sich allenfalls durch die Geschichte von all den anderen unterscheidet. Am Ende sammelt sich "kalkreiches Wasser mit eigenartigem Geschmack, das als Komponenten Magnesium, Sulfat und Hydrokarbon enthält" (Reclam, S. 473).

Dieses Wasser scheint Ursprung eines Rehtiakultes gewesen zu sein. Man schöpfte das Wasser, wohl als heilbringend angesehen, und deponierte Votivgaben dort. Das geschah zur Freude der Archäologen, die 2.000 Jahre später über 200 gut erhaltene Tongefäße fanden. Außerdem gab es noch jede Menge von sog. Astragalis, das sind Fußknochen von Schaf und Ziege.

Über die Ergebnisse der Forschungen erfährt man eine Menge in dem einsamen Schaukasten am Eingang, der auch Nachbildungen der Tongefäße und der Tierknochen enthält.

Im Stubaital unterhalb von Telfes
     
   
     
Der Eingang an der Straße
     
Der Schaukasten
     
 

 

Literatur:

Fuhrmann, Franz, Laurin Luchner, Karl Oettinger u.a. Reclams Kunstführer Band II, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Baudenkmäler, 1982
Kaltenhauser, G. Die urzeitliche Zisterne im Stubai. In: Veröffentlichungen des Museums Ferdinaneum. 58 (1978) 67-119
Kusch, Heinrich Höhlen in der Urgeschichte, in: Spötl, C., Plan, L., E. Christian (Hrsg.), Höhlen und Karst in Österreich. - Linz 2016 (Oberösterreichisches Landesmuseum), S. 280f.
Sydow, W. Das latènezeitliche Quellheiligtum bei Telfes im Stubaital (Tirol). In: Kult der Vorzeit in den Alpen. Katalog zur Jubiläumsausstellung der ARGE ALP (Innsbruck 1997) 41f.

Links:

Urlaub im Stubaital: Hotel | Ferienwohnung | Appartement | Zimmer. Winterurlaub und Sommerurlaub im Stubaital in Tirol, Österreich.

JSTOR: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, Vol. 52 (Jul. - Dec., 1922), pp. 212-229

http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?t=2770

Landschaft und Höhlen in Tirol

 


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