Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen um Nans-sous-Saint-Anne, Doubs, F


Nans-sous-Sainte-Anne ist ein kleiner Ort (2010 lebten dort 155 Menschen) im Tal des Lison im Französischen Jura. 30 km sind es nach Norden nach Besancon, ebensoweit ist es nach Süden nach Salins-les-Bain. Aus den steilen bewaldeten  Talhängen ragen an vielen Stellen kalkweiße Wandpartien heraus. Die höchste Erhebung der Umgebung ist der 770 m hohen Montmahoux.

Die Gegend war schon früh besiedelt, was u.a. Höhlenfunde aus dem Neolithikum belegen. Aus dem 15. Jahrhundert stammen noch die zweischiffige Dorfkirche im spätgotischen Stil und das Château Mirabeau. Einige Häuser stind noch aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Die Wasserkraft wurde schon früh genutzt für den Betrieb von Mühlen, später von Eisenwerken. Heute lebt man vom Tourismus, eine Käserei gibt es mitten im Ort, eine Restaurant mit lokalem Angebot, eine Kochschule, ein geschlossenes Theater und die offenbar gut gehendes Gîte, in dem gerne Sportler und Wandergruppen absteigen.

Die große Attraktion ist die noch intakte Natur mit einigen herausragenden Karst- und Höhlenerscheinungen. Im Zentrum steht die Source du Lison, der Ort, wo das Wasser dieses Flusses, nach langem unterirdischen Lauf, endgültig an die Erdoberfläche tritt. Das Einzugsgebiet beträgt immerhin 140 qkm. Über eine Felsstufe ergießt sich spektakulär das Wasser und bildet einen ja nach Schüttung herrlichen Wasserfall. Die Schüttung kann bis zu 30 Kubikmeter erreichen. Das Wasser wurde früher auch schon zum Betrieb einer Mühle genutzt, als dann aber 1899 Pläne auftauchten, das gesamte Wasser für die Erzeugung von Elektrizität von Salins-les-Bains zu verwenden, gab es so etwas wie die erste Bürgerinitiative für den Umweltschutz in Frankreich. Der Gerichtsprozeß dauerte 3 Jahre und wurde dann im Sinne des Naturschutzes entschieden. In Gefolge dieses Vorgangs wurde dann am 21. April 1906 das erste Umweltschutzgesetz in Frankreich erlassen.

Im Eingang kann man in einen kleinen Seitengang hinaufsteigen, der versichert zu einem höher gelegenen Felsbalkon führt, von dem aus man einen Prachtblick auf den 30 m breiten und 50 m Eingangsraum hat. Wo kommt das viele Wasser her? Höhlentaucher haben inzwischen einen kleinen Teil des Geheimnisses schon gelüftet. Ein Teil des Wassers strömt durch den Creux-Billard, eine weitere spektakuläre Naturerscheinung, die nach 15 Minuten Fußweg leicht für jeden erreichbar ist. Ein 100 m tiefer Felskessel mit lotrechten Wänden befindet sich nicht weit hinter der Felszone, aus der die Lison austritt. Am Grunde sieht man einen See, der unterirdisch gespeist wird und der eine Verbindung mit der Lisonquelle hat. Daß es eine Verbindung gibt, das wurde schon 1889 ungewolltermaßen nachgewiesen. Eine junge Pariserin, die Tochter eines Geologieprofessors, rutschte im Felskessel aus und verschwand im Wasser. Drei Monate später wurden ihre "sterblichen Überreste" in der Lisonquelle gefunden.1973 tauchten erstmals Taucher der SHAG-Tauchergruppe in den Siphon, 1978 gelang Tauchern der GS Doubs die komplette Durchquerung, die eine Länge von 112 m hat bei einer maximalen Tauchtiefe von - 20 m. Der Hauptzubringer zur Quelle in der Galerie Nord Ouest verläuft seitlich davon und konnte inzwischen schon kilometerweit betaucht werden. Zurück im Creux-Billard fällt sofort das große Portal in der Schachtwand auf, aus dem gelegentlich auch ein Bach strömt. Man sich entweder von oben über die Wand abseilen oder einen Kletteraufstieg von 25 m zurücklegen. Inzwischen sind dort schon über 2 km Gänge bekannt. Man war nicht wenig erstaunt, als man bei der ersten neuzeitlichen Befahrung entdeckte, daß man nicht zu den ersten Menschen gehörte, die hierher gekommen waren. Eine Nadel aus Bronze ermöglichte die Datierung: Bronzezeit. Lag hier einmal ein Friedhof? Oder lebte vielleicht einmal eine Gruppe von Menschen in dieser fast unzugänglichen Höhle? Funde von Schweine- und Rinderzähnen könnten hierfür ein Beleg sein.

Zum System der Lisonquelle gehört auch die nahe Grotte Sarrazine. Sie stellt einen Hochwasserüberlauf für die Lisonquelle dar, die "anspringt", sobald diese "voll" ist. Dann kommt binnen kürzester Zeit ein Fluß aus dem großen Höhlenportal, das eine Höhe bis zu 120 m hat und heute eine beliebte Abseilstrecke für entsprechend ausgerüstete Freaks darstellt. Wenn kein Wasser aus dem breiten Felsmaul kommt, dann ist ein leichtes, die ersten Meter in die Höhle hineinzulaufen. Dann ist aber auch schon wieder Schluß, da dann ein See von Wand zu Wand reicht. Das Überwinden dieses Hindernisses erfordert entweder ein Boot oder eine wasserdichte Fischerhose (pontonière). Danach müßte man eine Sinterwand hochklettern und käme dann langsam ins System hinein, das inzwischen auf ca. 6 km Länge erforscht ist.

Die speläologischen Highlights von Nans-sous-Sainte-Anne sind damit noch nicht vollständig aufgezählt. Das wichtigste fehlt noch, das Verneausystem. Es liegt im Felsmassiv hinter dem Gîte und der Haupteingang ist in wenigen Minuten zu erreichen. Die Wasser des Vernaison kommen in einem mächtigen Felsraum wieder zutage und fließen nach kurzem Lauf in den Lison. Das Einzugsgebiet umfaßt 13 qkm. Man kann hier ein komplettes Höhlensystem erleben, das von den zahlreichen Ponoren und den daran sich anschließenden Ponorhöhlen bis zur Quellöffnung erkundet und erforscht ist. Insgesamt sind es heute 33 km Strecken bei einem Gesamthöhenunterschied von - 387 m.

 
 

Literatur:

Aucant, Yves, Schmitt, C., Urlacher, J.P. Le Verneau Souterrain, Edition SHAG 1985
Aucant, Yves, Frachon, Jean-Claude Speleo Sportive dans le Jura franc-comtois, EDISUD, Aix-en-Provence 1983
FFRandonnée TopoGuides La Franche-Comté ...à pied, ohne Jahresangabe
GIPEK Inventaire Speleologique du Doubs Tome 5, 2012
Minvielle, Pierre Guide de la France souterraine, TCHOU, 1970
Reilé, Pascal FAISCEAU SALINOIS ET SECOND PLATEAU: LES GRANDES RÉSURGENCES FRANC-COMTOISES, in: Grottes & Karsts de France, KARSTOLOGIA 19, 2010, p 79f

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