Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen auf Island

- eine anthropospeläologische Betrachtung

 


Wer in Island in Höhlen geht, der darf seinen "Höhlenbegriff" in aller Regel erheblich erweitern. Das gilt natürlich auch noch für andere Flecken auf dieser Erde, Hawaii zum Beispiel. Klassischerweise versteht man unter "Höhlen" natürlich entstandene Hohlräume im Kalkgestein. Das ist kein Zufall. Überall tun sich in den Ablagerungen früherer Erdzeitalter, sei das schon 300 oder nur 100 Millionen Jahre her, Vergänglichkeitserscheinungen auf. Die alte Metapher von Petrus, dem Felsen, auf den man seine Kirche gründe, erscheint in solchem Licht auf einmal recht zwielichtig. Alles vergeht - und kommt in anderer Form wieder irgendwie zum Vorschein.

Das Werden und Vergehen kann man auf Island besonders gut studieren. Auf meine Frage, was denn die jüngste Höhle Islands sei, bekam ich eine schlüssige Antwort. Man muß nur schauen, wo der letzte Vulkanausbruch gewesen ist. Surtshellir ist ein guter Kandidat für die Antwort, aber auch die ist nur solange gültig bis sich auf dem dünnen Erdmantel wieder etwas getan hat. "Ewige" Antworten sind da nicht mehr zu erwarten, was aber auch gar nichts macht.

Noch deutlicher machen den Vergänglichkeitsbegriff ja die Gletscherhöhlen. Da kann sich binnen Sekunden alles ändern. Alles kracht zusammen, ohne Vorwarnung. Ganz einfach so. Wer sich dessen bewußt ist, der wird sich nur noch bedingt unter die Eisbrücken über einem stellen - und tut es dann doch. Es ist einfach zu faszinierend. No risk, no fun, no enthusiasm.

Die 2012er-Fahrt der Österreichisch-Isländischen Gesellschaft nach Island brachte uns ein wenig diesen Höhlen nahe. Gerademal 2 Wochen dort zuzubringen, das konnte nicht mehr als eine schnelle flüchtige Berührung mit dieser fremden Höhlenwelt sein. Und doch. Eine Menge bekannter und weniger oft aufgesuchter Lavaräume wurden von uns angeschaut. Sogar in die Welt der Gletscherhöhlen war ein ganz kurzer Ausflug möglich. Ein Spezialthema von mir, die "Höhlen hinter dem Wasserfall" war ja mit dem Seljalandsfoss und dem Skogarfoss aus bestens vertreten. Und sogar der mythische Bezug kam immer wieder vor. Wo wohnen denn die "Elfen"? Unter der Erde! Zum Beispiel in Hafnarfjördur. Wir liefen entlang der Straße, wo auf einmal zwischen den Häusern entlang der Straße krumme Felsen unberührt hervorlugten. Warum nur? Keiner hatte sie einfach "weggeplant". Später, im Reiseführer, las ich auf einmal darüber. Und vom Park Vidistadatun, der direkt unter unserer Unterkunft lag, voller "Eingänge in die Elfenwelt", und voller "Kunstwerke", auf einen ähnlich wenig wirklich "fassbaren" Teil unserer Wirklichkeit.

Ein paar Höhlenbezüge

Am Weg vom Parkplatz zum Askjakrater, einem dem Highlights von Island, tun sich an mehreren Stellen Erdöffnungen auf. Angesichts der Lage ist jede "Neubefahrung" eine, die viele schon vor uns gemacht haben. Es gibt auch schon schriftliche Aufzeichnungen darüber, aber an die muß man erst einmal kommen.
  Es macht jedenfalls wirklich "Spaß", da hineinzukriechen. Was im Halbdunkel- und Dunkelbereich ist, das muß man schon selber erkunden. Hier tut es gerade "unser" Heinz.
     
Endlich eine Gletscherhöhle! Wenigstens die Eingangsregion. Am Hvitarvatnsee

 

 
In der Nähe der Thorsteinhütte -

der Eingang in eine "Höhle" mit 1922 renoviertem Aufbau, aber einer Frischwasserquelle in der Tiefe

angeblich einer der vielen Aufenthaltsorte des sagenhaften Ausgestoßenen Fjalla-Evindur / es heißt, er habe dort den harten Winter 1774-75 zugebracht, sich nur von Heidekrautwurzeln und rohem Pferdefleisch ernährend

Kleine Lavahöhleneingänge im Vidistadatun, einem öffentlichen Park, in Hafnarfjördur, drittgrößter Stadt Islands, 15 km von Reykjavik entfernt

Auch dort soll sich das "Hidden Folk" aufhalten, das aus Elfen, Zwergen, Gnomen und Lichtfeen besteht.

Es werden regelmäßig geführte Touren für Touristen angeboten, auf denen auf die an sich nicht sichtbaren Wesen hingewiesen wird.

Besonders viele von ihnen soll es im Hellisgardi Park geben, dem "Höhlengarten".

> www.alfar.is

 

   

Für die Höhlen Islands gibt es ein literarisches Denkmal, das weltweit bislang nicht überboten ist: Jules Vernes Roman von der Reise zum Mittelpunkt der Erde. Schließlich liegt dort angeblich in einem Vulkanschlot des Snaefells der Eingang zu einem Weg dorthin.

Die Akustik spielt in einigen Höhlen Islands eine bedeutsame Rolle, was sich schon am Namen der Höhle zeigt. "Sönghellir" heißt eine davon. Sie liegt auf der Snaeellsnes-Peninsula in der Nähe von Arnarspai. Sie enthält viele Graffitis aus dem 18. Jahrhundert, was darauf hinweist, daß sie damals oft besucht worden ist. Es heißt, daß darin die Gesänge der Zwerge widerhallen. (lonely planet 173).
Touristen werden mit dem Boot zu Brandungshöhlen auf der Insel Heimaey gebracht. In der Höhle von Klettshellur hören sie dann live Saxophonmusik, was bei der ausgezeichneten Akustik eine starke Wirkung haben soll.

Historische Stationen der Erkundung der isländischen Höhlen:

VIII. bis XV. Jahrhundert Erste Erwähnungen von Lavahöhlen in den isländischen Sagas (Völuspa-Surtshellir)
1022-1024 Grettis, der geächteste aller Geächteten Islands, verbringt Jahre in einer Höhle Westislands
1675 T. Arngrim erwähnt in einem Brief von Ole Borrich die Surthellirhöhle
1752.und 1757 Im Auftrag des dänischen Königs wird das Land erkundet. Dabei entstehen die ersten schriftlichen Berichte über Lavahöhlen in Island.
1772 Erste Veröffentlichung einer Karte der Surtshellirhöhle, aufgenommen von Eggeert Olafson und Bjarni Palsson
1803 Immanuel Kant erwähnt Surtshellir in seiner "Physischen Geographie, erste Analyse der Entstehung eines Lavatunnels
1806 Olafsosson u. Pálsson erwähnen die Höhlen Hrúturhellir, Vidgelmir und eine Höhle im Budahraun
1809 Erwähnung von Höhlen in William Jackson Hookers "Journal of a tour in Iceland in summer of 1809"
1818 E. Henderson erwähnt die Fiarhellir und die Hundahellir
1836 Expediton von P. Gaimard, A. Mayer zeichnet dabei die Eingangshalle der Surtshellirhöhle
1852 Erwähnung von Höhlen in Ida Pfeiffers "Journey to Iceland: and travels in Sweden and Norway"
1863 Erwähnung von Höhlen in Sabine Baring-Goulds "Iceland: its scenes ans sagas"
1893 Erste Photos einer isländischen Höhle aus der Surtshellir von J. Munro
1906 Besuch der Surtshellir-Höhle durch W. v. Knebel ("Erste vernünftige Längenangabe..1,5 km)
1932 Erster schriftlicher Bericht der Raufarhíshellirl von S. Hejelmqvist
1954 Prof. H. Munger veröffentlicht die erste Skizee einer isländischen Höhle, Raufarholshellir
1955 Jean Corbel erkundet Lavatunnels in Island
1963 Th. Thorsteinsson beschreibt verschiedene Höhlen des Hallmundarhraum
1964 Dr. Sigurdur Thórarinsson dokumentiert die Entstehung einer Lavahöhle während der Surtsey-Eruption
1967 Expedition der Grupo Exploraciones Subterraneas GES des Club Montanes Barcelones nach Island, Erforschung von einem Dutzend Höhlen
1971-2006 Höhlenerkundungen durch den Shepton Mallet Caving Club
1974 Erstbefahrung des Thriknukagigur-Schachtes durch Arni Steffanson
1980, 1982, 1984 Forschungsfahrten von Gerald Favre und anderen Schweizer Höhlenforschern in Höhlen im Kverkfjöll, Erforschung des -525 m tiefen "Riviseére supérieure (froide) de Kverkfjöll"
1985 Erkundungsreise in isländische Höhlen durch Fritsch und Eichbauer
1986 Forschungsfahrt der Höhlen- und Karstforschungsgruppe Nordrhein nach Island, Bericht Michael Laumanns
1989 Gründung der Icelandic Speleologicla Society ISS
2000 Entdeckung der Hulduhellirhöhle, der "Versteckten Höhle", 350 m lang, eine Verlängerung des Surtshellig-Stefanshellir-Systems ohne Zugang
2002 Abhaltung des 10. Symposiums für Vulkanspeläologie in Rejkjavik
2005 Búri - Entdeckung durch Björn Hróarsson 

Anthropospeläologisch bemerkenswerte Höhlen:    

Baulahellir (Kuhhöhle) Höhle an der Nordküste im Raum Akureyri - am Strand in der Bucht Baulubas gibt es eine Höhle, von der die Sage geht, daß sie durch das Gebirge darüber bis Atlastadir reichen soll. Eine Kuh habe einmal diesen Weg genommen. Ein Bauer verschloß daraufhin die Höhle, weil von ihr erzählt wurde, daß sich auch ein Meeresungeheuer darin aufgehalten habe
Budahellir Höhle in der Snaefellsnesregion, der Überlieferung nach soll von dieser Höhle ein mit Goldstaub bedeckter Gang bis zur Höhle Surtshellir führen
Hrútshellir (Hrútshöhle) Isländische "Tempelhöhle" im Eyiafjallahreppur, SW-Ende des Drangshlidarfjall
Hveravellir Gebiet im Hochland, dort sollen der in inzwischen eine isländische Legende gewordene Eyvindur Jónsson und seine Frau Halla auch in eine Höhle geflohen sein
Ishellir Eishöhle im Lavastrom Hallmundarhraun
Am Eingang gibt es Felsritzungen, die angeblich von Geächteten dort hinterlassen wurden.
Kirkjulaekur Höhle im Midsudurland - "nordwestlich des Hofes, die bis 1894 als Versammlungsstätte der Gemeinde genützt wurde" Fritsch 2, S. 21
Kverkhellir Höhle in der Nähe der Markarfljotbrücke - 13 m Länge, regelmäßiges Kastenprofil, bearbeitete Wände, Einbauten, eingemeißeltes Kreuz, angeblich heidnischen Ursprungs, vermutlich Versammlungsplatz Fritsch 2, S. 29
Raufarhólshellir Große Höhle auf der Halbinsel Reykjanes - im Eingangsbereich noch befindet sich an der Wand eine Gedenktafel mit einem englisch-isländischen Text und einem Indianerbild. Die Übersetzung lautet: SELKNAM-YAMANA-ALACULUF. Dies sind die Namen der Indianerstämme, die einst den äußersten Punkt Südamerikas bewohnten. Der letzte von ihnen starb 1984 in Ushaia. Für die Asche ihrer Lagerfeuer wurde ein friedvoller Platz auf der Erde gesucht, den ein Waldo Bien offenbar in dieser isländischen Höhle gefunden hat. (Fritsch 2-S.14)
Für mehrere Filme diente die Höhle schon als Kulisse, z.B. der Neuverfilmung der "Reise zum Mittelpunkt der Erde"
Skogafoss Einer Legende zufolge soll dort der Siedler Prasi eine Kiste voll Gold in einer Höhle hinter dem Wasserfall versteckt haben.
Sönghellir Höhle bei Arnastrapir mit hervorragender Akustik und alten Ritzzeichen. Der Sage nach war sie Aufenthaltsort von Bardur, einem Halbtroll
Sottarhellir (Pesthöhle) Höhle im Midsudurland - in der Nähe von Húsadalur, Länge 10 m, einer Sage nach sollen hier 17 Menschen an der Pest gestorben sein, verflucht von einer Hexe, die sie verhöhnt hätten Fritsch 2- S. 26
Surtshellir "Berühmteste Höhle Islands", schon in den Sagas erwähnt
In der "Beinahellir", einem Seitenteil des Hauptgangs, wurden Knochensplitter gefunden. Dort soll der Aufenthaltsort eines Ausgestoßenen gewesen sein, der in der Höhle Unterschlupf fand. Nach der Überlierferung lebten 18 Outlaws jahrelang in der Höhle und hielten sich gestohlenen Schafe, bis sie von Bauern aus der Umgebung gestellt wurden.
Tindastoll 20 km langes Bergmassiv zwischen Reykjaströnd und Laxardalur - dort habe einst ein Riese in einer Höhle gelebt. Er entführte die Tochter des Bischofs von Holar und hielt sie in der Höhle gefangen (Fritsch 2, S. 15)

 

Literatur:

Bigalke, Silke Thor sei bei dir, Süddeutsche Zeitung Nr. 89, 18./19. April 2015, HF2, S. 9
Fritsch, E., Eichbauer, E. Islands Höhlenwelt, Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Oberösterreich, 1/1986, S.5-34
Hrjóarsson, Björn Islenskir Hellar, 2006
Hróarsson, Björn Hraunhellar á íslandi, 2. Auflage 1991, Rejkjavik 1990
Hróarsson, Björn Hellahandbókin, Leidsögn um 77 islenska braunhella, 2008
von Knebel, Walter Studien in Island im Sommer 1905. In: Globus, Band 88, № 20, 22 & 24, 1905, Braunschweig, Seiten 309–314, 341–346 und 373–380.
Laumanns, Michael Die Höhlen Islands, Mitt. Ver. dt. Höhlen- u. Karstforsch. 33 (1) München 1987, p. 4-15
Verne, Jules Reise zum Mittelpunkt der Erde, Diogenes Verlag, Zürich 1976

Links:

Landschaft und Höhlen in Island


 

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