Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

 

Das 2012er-Treffen der SFES in Villeneuve-sur-Lot, Lot-et-Garonne, Frankreich


Die Teilnehmer vor dem Veranstaltungsgebäude, versammelt zum Pressephoto / Im Steinbruch von Pech del Trel

 


Souterains in der Umgebung von Villeneuve-sur-Lot, F


 

Seit 35 Jahren gibt es nun schon die Société Francaise d'Etude des Souterrains, die SFES. Jährlich findet einmal ein Treffen in einer anderen Region statt. 2012 kam man schon zum dritten Male in Villeneuve-sur-Lot zusammen. Von Paris sind es gerade mal 600 km dorthin, von München aus fuhren wir schon um 1.500 km. Bei den guten Straßen, die es heute überall in Mitteleuropa gibt, ist auch das nur noch eine verlängerte Tagesreise.

Man traf sich in einem restaurierten Teil eines ehemaligen Zisterzienserklosters, der heute als "ESPACE ARCHEOLOGIE" dient. Hauptsächlich werden hier die Funde aus der Ausgrabung einer alten Römervilla ganz in der Nähe aufgewahrt. Nach zwei Seiten hin wird das Areal von den Mauern eines großen Gebäudekomplexes begrenzt, auf dem Stadtplan schamhaft als "MAISON CENTRALE D'EYSSES" bezeichnet, an anderer Stelle als "center de detention", anders gesagt, eines Gefängnisses. Schon ein außergewöhnliches Ambiente. Organisiert wurde die Tagung von Jean-Francois Garnier, dem wir alle nur dankbar sein können, daß er seine Aufgabe so gut erledigt hat. Drei Säulen hat so eine Veranstaltung hauptsächlich: die Vorträge, die Exkursionen und das Essen.

Das ist nicht nur wichtig zur Nahrungsaufnahme, sondern es ist  d i e Gelegenheit, gesellig zusammen zu sein, sich kennenzulernen und auszutauschen ("The hot spot for love in France is the table not the bed"). Hauptsächlich fand es im Restaurant "L'BUFFET" im Supermarkt Leclerc statt. Jeder konnte sich aus einem riesigen Büffet, bei dem es fast alles gab, von der frischen Fischsuppe bis zu feinsten petit fours, Pute in Safran bis zu Hummer. Und dann war auch noch der Wein und der Kaffee im Preis beinhaltet! Einmal ging es dann doch noch in ein anderes Restaurant, das LE TORTONI, gleich in der Nähe des Uhrturms an nördlichen Rand der Altstadt gelegen. Ein 5-Gänge-Menue gab es dort, in etwas stilvollerem Rahmen, aber vom Geschmack her wirklich nicht besser.

Schätzte man das Durchschnittsalter der Besucher der Tagung, dann liegt man wohl nicht falsch, es bei 60+ anzusetzen. Es ist wie bei so vielen Vereinen, der Nachwuchs fehlt. Die alten Veteranen bestimmen die Szene, aber sie beherrschen ihr Metier gut. Immerhin 60 Personen waren zusammengekommen.

Die Vorträge wurden an zwei Vormittagen gehalten, wobei sich die Fülle zu drei Gruppen zusammenfassen ließ: "Hydraulique Souterraine", also so etwas wie Wassergänge, hieß der erste Themenbereich. Lucas Martin berichete von den Wasserstollen, den "mines d'eau" in der Provence. Mangels geeigneter Wasservorkommen wäre so manches Gebiet dort nicht besiedelbar. Die Menschen waren erfindungsreich und gruben in die Erde Dutzende von kurzen Stollen ins Gestein bei Ries (Alpes de Haute Provence) und konnten so ausreichend trinkbare Flüssigkeit gewinnen. Roland Haurillons Vortrag beschäftigte sich mit 3 unterirdischen Drainagesystemen aus der Römerzeit in der Umgebung von Beziers. Gründlichste archäologische Arbeit wird hier geleistet, um Kenntnisse über diesen bislang nur wenig untersuchten Zweig der Geschichte zu gewinnen. Paul Courbon, Mitherausgeber des "ATLAS DES GRANDES CAVITÈS MONDIALES", hatte sich als Thema Brunnen aus der Zeit der Nabatäer bei Medain Salih in Saudiarabien gewählt. Das liegt in der Umgebung von Petra. Vor mehr als 2000 Jahren hatte man da schon für eine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser zu sorgen, was man mit einem ausgeklügelten System von Brunnen und Kanaaten schaffte. Viele davon sind inzwischen schon wieder mit Sand teilweise aufgefüllt. Seine Aufgabe war es, zu sehen, ob vielleicht nicht noch ein paar nutzbar wären. Und tatsächlich gelang das, was so eine Art "orgasmus" im übertragenen Sinne bei den Forschern zur Folge hatte. Im Hintergrund steht das Problem der starken Übernutzung der Wasservorräte, die wohl nur durch Umstellung des Verbrauchsverhaltens möglich wäre, ansonsten droht die Katastrophe. Giulio Grappa aus Italien lieferte einen ausführlichen Bericht über alte und neue unterirdische Aquädukte in Latium.

Der zweite Themenbereich war mit "CARRIERES SOUTERRAINES" betitelt, was "unterirdische Steinbrüche" bedeutet. Von Fabienne Gaubert hörten wir eine Menge Interessantes über die Steinbrüche von "Pech del Trel" bei Fumel, einem Ziel der Nachmittagsexkursion. Seit Jahrhunderten wird dort der goldgelbe Coniacienkalk unterirdisch auf drei Ebenen und oberflächlich abgebaut und für viele Zwecke eingesetzt. Auf dem Fluß Lot wurde der Stein mit Schiffen bis nach Bordeaux zum Hafen von Condat gebracht. Den Höhepunkt seiner Verwendung erlebte das Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Ausweitung der Städte u.a. Agen, Villeneuve und Bordeaux auf Anregung des Barons Hausmann. An den Wänden findet man zahlreiche Graffiti und Inschriften aus früheren Tagen, die bemerkenswert vielfältig sind. Da steht der Name des Ortsfriseurs, wird die Regionalzeitung von früher, "Lou Calel", erwähnt, findet sich ein begeistertes Bekenntnis zur Republik, eine Anmerkung zu den gegen die Buren kämpfenden Engländer, Rechnungen über den Steinabbau und vieles andere mehr wieder. Eine zeitlang wurde der zerriebene Kalkstein zu einem Kopfwehmittel für die Armen eingesetzt. Joern Kling brachte auch einmal etwas über eine unterirdische Anlage in Deutschland, die Ofenkaulen in Königswinter am Rhein. Schon im Mittelalter war man daraufgekommen, daß der Stein aus dem Innern des Berges sich gut zum Bau von Öfen verwenden ließ. Die Öfen wurde nach ganz Norddeutschland verkauft, in die Niederlande, nach Belgien und Nordfrankreich. Zwanzig Familien fanden damit ihr Auskommen. Nach dem 1. Welt begann der Niedergang bis zum völligen Ende 1954. 30 unterirdische Anlagen gibt es. Die mittlere Größe der Gänge beträgt 5 m, aber es gibt auch solche mit einer Höhe von 10 m. 1944 passierte ein besonders trauriges Kapitel der Steinbruchgeschichte. 400 Zwangsarbeiter wurde in einer unterirdischen Fabrik festgehalten und mußten ihren Frondienst für die damals herrschenden Deutschen leisten.

Den dritten Themenkreis bildeten die "SOUTERRAINS AMENAGES", wo es um die Nutzung der unterirdischen Anlagen ging. Das können Wohnzwecke sein, Fluchburgen, Ställe und sonst noch was. Jean-Francois Garnier stellte die Souterrains des Departements Lot-et-Garonne vor, was eine gute Einführung in unsere Exkursionsziele darstellte. Ähnliches tat später Robert Coustet, der die "souterrains ruraux médiévaux du Tarn", dem Nachbardepartement, vorstellte. 25 Anlagen sind dort in gut 150 Jahren bekannt geworden. Viele sind nur schlecht dokumentiert und so manche ist schon wieder verschwunden. Die jüngsten Entdeckungen werden mit äußerster Akribie wissenschaftlich untersucht und lieferten ziemlich genaue Aufschlüsse über Entstehungs- und Auflassungszeit. Einige gleichen stark unseren Erdställen! Jean-Louis Camuset zeigte uns die Ergebnisse der archälogischen Ausgrabung der "Grotte du Sabotier" in Ivry-la-Bataille (Eure), der Höhle der Holzschuhmacher. Bis ins kleinste Detail wurde da ein kleiner künstlich geschaffener, später zu einer kleinen Höhlenwohnung ausgeweiteter Hohlraum. Es ist schon erstaunlich, was da nicht alles zum Vorschein wieder kommt! Den stärksten Lokalbezug hatte für mich der Vortrag von Serge Avrilleau über die "cluseaux doubles". "Cluseau" ist der Name eines Typs von unterirdischem Bauwerk, den es eigentlich nur im Südwesten Frankreichs gibt. Meist vollkommen unzugänglich in hohe Felswände hineingearbeitet finden sich noch heute hunderte dieser Anlagen. Man schuf sich Fluchräume, um sich seiner Feinde wenigstens einigermaßen erwehren zu können. Und ein "cluseaux doubles" ist eine Verdoppelung so einer Anlage. Wie das geht und funktioniert, das bekamen wir anschaulich gezeigt.

Für so eine funktionierende Organisation ist es notwendig, daß sie sich auch zusammensetzt und eine Jahreshauptversammlung abhält. Das passierte dann auch erfolgreich, wobei die wichtigste Entscheidung noch nicht endgültig gefällt worden ist: Wo treffen wir uns nächstes Jahr? Im Gespräch ist ein Ort im Departement Charente-Maritime.

Über die Exkursion und die dabei besuchten Objekte gibt es eine eigene Webseite: Souterrains um Villeneuve-sur-Lot, Lot-et-Garonne, F

   
 

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