Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen im Lone- und Hürbetal, Schwäbische Alb


Höhle im Lehrhau

Charlottenhöhle

Bocksteinhöhle


Die Lone ist heute ein kleines Flüßchen von 30 km Länge auf der Schwäbischen Alb im Alb-Donau-Kreis und dem Landkreis Heidenheim. Der heutige Ursprung liegt in einem schönen Blautopf in Urspring, die Mündung ist bei Hürben/Giengen in die Brenz. Nur in Ausnahmefällen fließt noch so viel Wasser, daß größere Strecken von einem Bach durchflossen werden, ansonsten hat es meist den Charakter eines Trockentales. Trockentäler gibt es nicht viele in Deutschland, besonders nicht so lange, so daß es heute in die Liste der 77 bedeutendsten nationalen Geotope Deutschlands aufgenommen ist.

Was heute als "Lonetal" gilt, das ist nur noch der letzte kleine Rest eines einst wohl stattlichen Flusses, der "Ur-Lone". Flußgeschichtliche Untersuchungen, beginnend mit dem Tübinger Geologen Georg Wagner, haben ergeben, daß die Urlone ihr Wasser bis von den Osthängen des Schwarzwalds bei Nagold über die "Tübinger Lone" und nördlich von Stuttgart noch bezogen hat und in die Donau leitete. Dann trat der Neckar immer mehr in Erscheinung, der seinerseits eng mit der Bildung des Oberrheintalgrabens und den Veränderungen des Rheins in Zusammenhang steht.
Die alten Donaunebenflüsse wurden "geköpft und das Wasser floß auf einmal nordwärts dem Rhein zu. Tiefe Kerben sind heute im Albtrauf übrig davon. Sie bilden heute oft die Paßhöhe der Albsteige, so auch nach der Geislinger Steige. Bei Amstetten wird der Talboden der Ur-Lone auf 582 m erreicht. In einem wasserlosen breiten  Tal führt es hinunter bis nach Ursprung. Von da geht es dann Richtung Donau, zuerst in die Hürbe, dann die Brenz.

Im Internet ist bereits eine gute Beschreibung des Weges durchs Lonetal veröffentlicht, weshalb ich mir hier die Details erspare. Zwei Tage werden für den Wanderer angesetzt, in einem Tag kann man den Weg mit dem Fahrrad zurücklegen, hat aber halt das Problem, wie man, wenn mit dem Auto unterwegs anreist, wieder zurückkommt. So wird das am Ende doch eine lange Strecke, wenn man im Tal wieder zurückfährt.

Die bedeutendsten Höhlen sind alle gut angezeichnet, so daß sie jeder finden  kann. Große Informationstafeln zeigen den Besuchern den Höhlenplan und Bilder und Beschreibungen der wichtigsten Funde.

In Urspring - der Quelltopf und junge Lone
 
 
 
 
 
 

Haldensteinhöhle

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Unterwegs im Lonetal, vorüber an Lonsee und Westerstetten, Bernstadt

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Erste Höhlen, Salzbühelhöhle, Fohlenhaus

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Das Tal setzt sich fort, die Lone ist oft ausgetrocknet

 
 
Die Autobahnbrücke
 

"Im Felsmassiv des "Hohlen Steins" 3 km NO Öllingen befinden sich zwei bedeutende Höhlen... Die westliche Höhle war der Schauplatz der ersten urgeschichtlichen Höhlengrabung in Württemberg. 1862 förderte O. Fraas aus ihr über 10 000 Knochen, darunter über 100 Bärenschädel, Reste von Mammut, Wildpferd, Elch u.a. Von diesen Funden erhielt die Höhle den Namen Bärenhöhle.." Mit diesen Worten beginnt die Beschreibung dieses weltweit außergewöhnlichen Platzes im Lonetal im "Höhlenführer Schwäbische Alb" von Hans Binder. Den Rest kann jeder gerne dort weiterlesen. In unserem Zeitalter der Plagiate soll schon die Quelle angegeben werden, woher ich das meiste habe, was hier steht. Der Ort ist wirklich einen Besuch wert, auch weil er zeigt, wie wenig unharmonisch offenbar das Verhältnis Mensch und Höhle heute ist.

Immerhin konnte ich im Dezember 2011 mindestens die ersten Meter der beiden Höhlen, der "Bärenhöhle" und dem "Stadel" betreten, aber dann blockieren in beiden Gängen massive Doppelgitter den Weiterweg. Aus "Naturschutzgründen" würden die inneren Teile der Höhle "geschützt". Wer "schützt" denn wen vor wem? Beim Fohlenhaus hieß es noch, daß es "Steinschlag" sei, weshalb man nicht in das Innere der physisch offenen Erde eintreten dürfe. Die sehr geringe Menge an Steinchen auch dem Boden läßt mich einfach zutiefst zweifeln, ob das stimmt. Und was verändere ich durch den Eintritt "into the bowels of the earth", was könnte ich  negativ oder positiv  beeinflussen? Den DAX? Den Kurs des Euros? Mich selber? Höhlen sind auch Psychotope, aber welche Wirkungen von ihnen ausgehen, wer möchte das schon mit Bestimmtheit angeben können?
Verzeihung, aber die ganze Absperrerei von seit Jahrzehntausenden bekannten Höhlen, die seit zwei Jahrhunderten von Archäologen ausgeschürft wurden, was passiert da, wenn ein Mensch diesen Ort aufsucht? Muß man ihn von den inneren Teilen wirklich aussperren? In der Bayerischen "Nachkriegs"Verfassung steht noch, daß alle Menschen ein Recht auf das Betreten der Natur haben würden. Das war wohl ein aus heutiger Sicht unglaublicher Versuch, "Natur" als unverzichtbaren Teil unseres Menschseins zu sehen und leben zu wollen. Hingehen, schauen, hören, spüren, und dann auch wieder diesen Ort verlassen. Was hat dazu geführt, daß hier der "Löwenmensch" in die Welt getreten ist? ("Bei der Sichtung und Auswertung des bei Ausbruch des 2. Weltkriegs verpackten Fundguts wurde 1970 eine 28,1 cm große menschliche Figur aus Elfenbein, die dem Aurignacien zugeordnet wurde, entdeckt...") Das ist ein Rätsel und ihm mindestens nachzuspüren, das ist schon das Aufsuchen dieses besonderen Ortes wert.


Oscar Fraas hat sich im Jahr 1866 in seinem Buch "Vor der Sündfluth! - Eine Geschichte der Urwelt" noch mit anderen Fragen im Zusammenhang mit dem "Hohlestein im Lonethal" auseinandergesetzt. In ihm würde sich der beste Beweis dafür finden, daß sich die "Spuren von Menschen und die Reste der verschwundenen Pflanzen- und Tierwelt mengen" und damit in ursprünglichen Lager beisammen liegen würden - oder nicht. Der Hohlestein..."eine der großartigsten Bärenhöhlen, die man kennt", besteht aus "der 30 Fuß hohen Halle, durch die ein 120 Fuß langer Schlupf führt". In ihr liegen zuoberst in einer achtzölligen Lehmschichte Hafenscherben, Kohle, Asche, Steinbeile, Broncegegenstände und Menschengebeine, vermengt mit Bärenzähnen und Knochen." Es ging Fraas um die Grundfrage, ob Höhlenbär und Mensch gleichaltrig wären, und sein Urteil ist negativ. Das gemeinsame Vorkommen der Knochen habe ihre wahre Ursache in derWühlarbeit von Füchen und Dachsen und nicht in der Historie. S. 462


Aber warum sich über das Absperren so vieler Höhlen sich aufregen? Es hat schließlich schon beste Tradition. Gerade hier am Stadel läßt sich das zeigen. Schon 1591 ließ der Rat der Reichsstadt Ulm den Eingang schließlich vermauern, um "Bösen Buben" den Unterschlupf zu verwehren. Jede "Ordnung" produziert komplementierenderweise auch ihre "Unordnung" mit, aus Ausgestoßenen, die An-den-Rand-Gedrängten, die outlaws, die Armen und Hungernden, das ist heute nicht anders. Die haben damals einfach ein Dach über dem Kopf gesucht, wir freuen uns einfach am Naturerlebnis.

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2020
night fall
Die Vogelherdhöhle
 
 
Lontal
Die Mündung der Lone in die Hürbe oder ist es nicht eher anders herum?
Im Hürbetal
Hürbetal Richtung Charlottenhöhle
September 2021 Speläo-Südwest-Tagung
Hürbequelle
Häuschen der Albwasserversorgung über der Häuselbachquelle
   
   

Aus: Axel Braig, Allein und zu Fuss durch Deutschland, S. 185f.

"Am Abend komme ich zur Vogelherdhöhle. Wenn es auf der Welt überhaupt so etwas wie magische Plätze gibt, dann ist dies einer davon. Die etwa 40 Meter lange Höhle liegt auf einer Anhöhe über dem Lonetal, umgeben von einem natürlichen Felsengarten. Die Abendsonne beleuchtet eine Blütenpracht mit zartrosa blühenden Hundsrosen, gelben Steinkräutern, tiefblauem Wiesensalbei und pinkfarbenen Taglichtnelken. Einige knorrige Bäume haben es geschafft, sich zwischen den Felsen zu verwurzeln. Zwei hohe Eingänge führen das Höheninnere mit mehreren gewölbeartigen Räumen. Hier wurden einige der ältesten bekannten menschlichen Kunstwerken gefunden..... an diesem vermutlich schon von den Steinzeitmenschen als heilig angesehenen Ort bin ich während des ganzen Abends vollkommen allein. Nur die Geräusche aus der Ferne vorbeifahrenden Autos erinnern mich daran, dass ich im Industriezeitalter lebe. Zum Schlafen lege ich mich unter einen Baum beim Höhleneingang. Als es in der Nacht zu tröpfeln anfängt, ziehe ich mich in die Höhle zurück."

 


Literatur:

Albrecht, Rolf Höhlen, Felsen und Ruinen, Verlag E.+S. Fleischmann, Esslingen 1980
Bauer, Ernst Waldemar, Schönnamsgruber, Helmut Das große Buch der Schwäbischen Alb, Theiss-Verlag, Stuttgart, 3. Auflage 2004
Beck, D. Das Mittelpaläolithikum des Hohlenstein - Stadel und Bärenhöhle - im Lonetal.  Bonn, Habelt, 1999
Binder, Hans Höhlenführer Schwäbische Alb, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen 1977
Braig, Axel Allein und zu Fuß durch Deutschland, Frankfurt a.M. 2006
Conard, Nicholas Tonnenweise Funde aus dem Abraum - neue Grabungen im Vogelherd, Archäologie in Deutschland 6-2016 26-27
Conard, Nicholas J., Kind, Claus-Joachim Als der Mensch die Kunst erfand - Eiszeithöhlen der Schwäbischen Alb, Theiss, 2017
Conard, Nicholas J., Wertheimer Jürgen  Die Venus aus dem Eis - Wie vor 40000 Jahren unsere Kultur entstand, Knaus, München 2010
Conard, Nicholas International beachtete Eiszeitfunde aus der Vogelherdhöhle auf der Stuttgarter Landesausstellung 2009, in: Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher 1-2008, S. 10ff.
Feil, G. Höhlen im Lonetal, Laichinger Höhlenfreund 5-1968, S. 2ff.
Fraas, Dr. Oscar Vor der Sündfluth! - Eine Geschichte der Urwelt, Stuttgart 1866
Hahn, Joachim, Müller-Beck, Hansjürgen, Taute, Wolfgang Eiszeithöhlen im Lonetal, 2. Auflage, Stuttgart 1985
Hahn, Joachim, u.a. Eiszeithöhlen im Lonetal. Archäologie einer Landschaft auf der Schwäbischen Alb. Von Joachim Hahn, Hansjürgen Müller-Beck, Wolfgang Taute. Stuttgart, Verlag Müller & Gräff, Kommissionsverlag, 1973
Heidenreich, Stephan M., Meister, Conny High-Tech trifft Jungpaläolithikum, Archäologie in Deutschland 6-2016 34-35
Holzhaider, Hans Der Löwenmensch von Schwaben, Süddeutsche Zeitung 14. November 2013, Nr. 263, S. 18
Holzhaider, Hans Die Knochen von der Lone, Süddeutsche Zeitung Nr. 112, 15. Mai 2019, S. 14
Jantschke, Herbert Eine neuzeitliche Inschrift am Hohlenstein im Lonetal, Mitt. Verb. dt. Höhlen- und Karstforsch. 34 (1/2), 39-42, München 1989
Kind, Claus-Joachim Das Lonetal - eine altsteinzeitliche Fundlandschaft von Weltrand, Archäologie in Deutschland 6-2016 22-25
Krämer, Günther, Wehrberger, Kurt Karstlandschaft Lonetal - ein Fluss geht in den Untergrund, in: Rosendahl, Wilfried, Junker, Baldur, Megerle, Andreas, Vogt, Joachim (Herausgeber), Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München 2006
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hrsg.) Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 6. Stuttgart Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung 1981, Festschrift für Hartwig Zürn. Enthält das Schriftenverzeichnis Hartwig Zürn u. Aufsätze, z.B.: Eine Löwenkopfplastik aus Elfenbein von der Vogelherdhöhle
MacGregor, Neil Leben mit den Göttern, C.H.Beck, München 2018
Meister, Conny, Heidenreich, Stephan M. Zwei Täler, sechs Höhlen, ein Antrag, Archäologie in Deutschland 6-2016 32-33
Natworking-AG des Robert-Bosch-Gymnasiums Langenau Ein Fluss schleicht sich davon - Das Lonetal auf der Schwäbischen Alb, in: Look, Ernst-Rüdiger, Feldmann, Ludger, Faszination Geologie - Die bedeutendsten Geotope Deutschlands, Stuttgart 2006
o.V. Spektakuläre altsteinzeitliche Kunstwerke aus der Vogelherdhöhle, Laichinger Höhlenfreund 2007, S. 139
PÖRTNER, RUDOLF Bevor die Römer kamen. Städte & Stätten deutscher Urgeschichte, Berlin, Deutsche Buch-Gemeinschaft, um 1961, 3. Die Bildschnitzerschule d. Vogelherhöhle
Rieck, G. Die Mammutjäger vom Lonetal Ulm, 2000, online: https://sites.google.com/site/noicaterderw/die-mammutjaeger-vom-lonetal-26152354
Rind, Michael M. Menschenopfer, Universitätsverlag Regensburg, 2. Auflage 1998
Seewald, C. Urgeschichtliche Funde aus dem Lonetal. Ausst'kat. Mus.Ulm. , 1962
Wehrberger, Kurt, Wahl, Joachim Die "Mammutmelkerin" vom Lonetal, Archäologie in Deutschland 3-2020, S.44-45
Wetzel; Robert Die Bocksteinschmiede ... Ein Beitrag zur Europäischen Urgeschichte des Lonetals... 1. Teil.Kohlhammer-Vlg. 1958.
Wetzel, R. Die Kopfbestattungen und die Knochentrümmerstätten des Hohlensteins im Rahmen der Urgeschichte des Lonetals, in: Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Rassenforschung 9,1938 p. 193-212, Stuttgart 1938

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