Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

"Höhlen" in den Eremo delle Carceri, Assissi, Umbrien, I


grotta di San Franceso, 2007


"Die Menschen ertragen die Stille nicht,
es würde heißen, daß sie sich selbst ertrügen."
Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon

 

"Geh in die Stille, denn die Stille wird dich alles lehren."
hl. Antonius

"..eine echte Oase der Stille" heißt es auf einer Internetseite, die 2007 abrufbar ist- was für eine Lüge, zumindest während des Tages....


 

Die "Höhlen" habe ich absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, denn bei dem Wort "Höhle" verstehen viele "richtige" Höhlenforscher, sicherlich was ganz anderes darunter, als was hier mit diesem Wort meist abgedeckt wird. Wer vor die Tore von Assissi, diesem inzwischen als Weltkulturerbeort von der UNESCO geadeltem Ort in Umbrien fährt, der gelangt, wohlbeschildert, nach 4 km dorthin. Wählt er einen ungünstigen Zeitpunkt, der wird er sicherlich keinen Parkplatz in der Nähe mehr finden. Es geht sehr zu dort, auch schon im Juni.

Die Eremo di Carceri gilt als ein wichtiger Rückzugsort von Franz von Assissi. Viele viele Menschen fahren heutzutage dorthin und übersehen einfach, worum es dort immer schon gegangen ist und geht! Die Stille! Da steht ein Schild nach dem anderen, daß es sich um einen Ort der Ruhe und Stille handele - und "sie" reden weiter, einfach weiter - ohne Unterlaß. Als ich dort war, da hab ich das beobachtet, und war erschreckt. Was nehmen diese Menschen eigentlich noch wahr? Mehr oder weniger nichts mehr. Da stand einer dieser Franziskanermönche im Klosterhof und wies die Leute, die ihm bestürmten mit irgendwelchen nichtigen Fragen, darauf hin, daß es hier um "silentio" ginge, und sie brabbelten weiter, redeten an den Handys, machten einfach weiter wie immer - und erlebten überhaupt nicht, was hier anders war, oder zumindest sein könnte, nähme man wahr. In was für einer verkehrten Zeit leben wir? Und wie großartig findet sie sich!

Einmal nichts reden, nur sein, nur sehen, das Gemäuer, den Himmel, den Brunnen und tausend andere Sachen, riechen, die frische, vom Wind durchgewirbelte Luft, hören, die unendlich vielen Vogelstimmen, typisch Franziskus, und das Quickquackquatschi der unaufmerksamen Besucher, spüren, die kalten Steinrahmen an den Türen, schmecken, da hab ich nur wenig die eigene Mundhöhle wahrgenommen, was noch vom Frühstück übrig war, mein Gleichgewicht in der engen Zugangspassage zur Grotte des Franziskus ein wenig durcheinander gebracht, tausend sinnliche Eindrücke.

In 791 m Seehöhe steht heute ein kleine Klosteranlage, die im 14. Jahrhundert von San Bernardino da Siena in Auftrag gegeben worden war. Sehr hübsch ist der kleine Klosterhof mit einem Brunnen in der Mitte, um den die verschiedenen Gebäude angeordnet sind. Da ist eine kleine Kapelle für die einen Ort der Andacht Suchenden. Manchmal ist die Tür zum Refektorium offen, das direkt an die Felswand gebaut ist, dann man einmal die einfache Einrichtung des Speiseraums der Mönche sehen, die an uralten Holztischen hier sitzen. Ein weiterer Trakt führt erst in eine Kapelle und dann über einen steile Steinstiege in die Grotta di S. Franceso. Von einer Grotte ist da fast nichts zu sehen außer dem kahlen Felsboden. Man betritt den Raum und verläßt ihn auch wieder durch enge und niedrige Türpforten. Die stammen noch aus Zeiten, wo man noch auf andere Dinge geachtet als nur die Bequemlichkeit! Beim Hinausgehen fällt ein Loch im Boden auf. Schaut man hindurch, dann blickt man in die Tiefe der Felsschlucht, an deren Rand das Kloster gebaut ist. Schaut man genau hin, dann sieht man in der Tiefe viele Geldstücke liegen, wohl ein Opferbrauch verbunden mit dem Wunsch um ein günstiges Schicksal.

Gleich danach überspannt eine weite Brücke die Schlucht, über die man die andere Talseite erreicht, wo einige kleinen Wanderwege ansetzen. Von dieser Schlucht wurde erzählt, der Teufel habe sie plötzlich aufgerissen, als er von dem Pater Rufino gefangen gesetzt worden war. Außerdem steht bei dieser Brücke die berühmte Eiche, wo die Vögel in den Zweigen gesessen hätten, denen Franziskus gepredigt habe.

2007 war links vom Weg eine Franziskusstatue zu sehen, ein Franziskus der in seiner Kutte auf der blanken Erde liegt, eine Geschichte die ja von La Verna bestens überliefert ist. Ein breiter Weg führt zu einer Andachtskapelle, wo viele Gläubige ihr Anliegen auf Zettel schreiben, Steine damit umwickeln und sie dann alle möglichen Bau- und Felsritzen stecken.
Ein zweiter Weg führt leicht bergab und direkt zu einer kurzen Naturhöhle, die den Namen des frate Leone trägt. Sie ist mit einem Eisengitter zwar verschlossen gewesen, aber das ist längst wieder aufgebrochen worden. Man kann gebückt in den gerade körperbreiten Felsgang einige Meter hinein, dann verschließt auf der anderen Seite ein weiteres Gitter, das wie ein Kreuz mit mehreren Querbalken in verschiedener Höhe aussieht, endgültig den Durchgang. Gab es da einmal einen Durchschlupfbrauch vielleicht? Denkbar wäre es, aber eine zeitlang versuchte ja die katholische Kirche diesen uralten Brauch als heidnisch abzustempeln und zu verhindern.

Geht man noch weiter, dann kommt man zu 3 kleinen Grotten, die sich unter Felsdächer ducken. Überall sind kleine Mäuerchen davor. Dahinter kann man dann geduckt hinein. Kleine Holzkreuze sind da drinnen, manchmal auch an die Felswand kleine Kreuze geritzt. Üppige Holzschilder mit den Namen der Grotte liegen auf kleinen Felspodesten, z.B. "Grotte del Beato Sivestro 1860).

Wer noch mehr "Grotten" sehen will, der muß sich schon gut auskennen, damit er sie findet. Außer der pauschalen Erwähnung auf einer großen Übersichtstafel am Eingang gibt es keinen weiteren Hinweis. Man muß hinter dem Kloster an den Toilettenanlagen vorbei , Ein breiter Weg nimmt einen auf. Eine Schild macht einen drauf aufmerksam, daß es sich hier um eine private Trüffelsuchzone handle. Und dann große Holzschilder der Staatsforstverwaltung, die auf die beiden Grotten hier verweisen. Dieser Teil des Gesamtbezirks wurde früher wohl mehr besucht, aber im Moment ein wenig in den Hintergrund gerückt. Zwei kleine Felsgrotten öffnen sich da, speläologisch völlig uninteressant, aber kulturhistorisch durchaus erwähnenswert. Als sind mit schmiedeeisernen Namensschildern versehen, vor einer ist ein namhafter eiserner Zaun mit Türe vor der Grotte, die absolut kein Geheimnis enthält, außer daß man sich die Frage stellen kann, was sich hier wohl abgespielt haben mag in der 4 m tiefen, 1 m hohen und 3 m breiten Felsöffnung (Grotta B. Rufino). Immerhin lagen am Boden ein paar kleine hölzerne Kreuzchen. Zur unteren Grotte führt eine verfallende Stiege. Dort war 2007 ein kunstvoll gebundenes hölzernes Kreuz aufgestellt und einige Wunschzettel ausgelegt (grotta frate Masseo). Da erhoffen sich offensichtlich immer noch Menschen Beistand bei ihren irdischen Dingen von "höheren Mächten".

 

Literatur:

Kazanzakis, Nikos Mein Franz von Assissi
Hecht, Martin Die Wiederentdeckung der Stille, PSYCHOLOGIE HEUTE Januar 2007, S. 26ff.
Engels, Christoph 1000 heilige Orte - Die Lebensliste für eine spirituelle Weltreise, Potsdam 2009

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