Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

 

La Verna- eine Schicksalshöhle des heiligen Franziskus
und weitere "Franziskushöhlen"


"Und da versucht er, auf dem Stein zu liegen
und aufzustehn, wie er bei andern sieht,..."

Rainer-Maria Rilke, Das Stunden-Buch


Kunstwerk in Assissi, Eremo


Es ist hier wie so oft. Die geringe Größe dieser Höhle sagt nur wenig aus, welche Bedeutung sie hat. Bedeutung ist hier natürlich nicht eine absolute Kategorie, wer könnte denn das für irgend etwas auf dieser Erde wirklich für sich behaupten? Vielleicht religiöse Fanatiker, die "für die Bauern denken"... (Hanif Kureishi, The Black Album).

Die gemeinte Höhle wird selbst von den Menschen, die die gesamte Örtlichkeit kennen und beschreiben, kaum als solche wahrgenommen. Und doch, da ist ein Hohlraum im Gestein, und da hat sich, zumindest der "Folklore" nach, Bedeutsames abgespielt.

La Verna liegt in der Nähe des Geburtsorts von Michelangelo, Caprese. Der liegt wiederum in der Provinz Arezzo und die liegt in der Toskana, Nordostecke. Im Polyglott - APA GUIDE "Toskana" heißt es lapidar: "Die Gegend kann zu Zeiten des heiligen Franz von Assisi kaum anders ausgesehen haben, der sich auf eine einsame, von Birken gekrönte Felsenspitze des Monte Penna, nahe bei La Verna, begab und dort eine Nische zwischen zwei Felsbrocken zu einer Einsiedelei machte. An dieser Stelle soll er im Jahre 1224 im Gebet die Stigmata erhalten haben." Der Weg da hinauf, so der Führer, "gleicht einer Pilgerfahrt ins Mittelalter. Kurvenreich klettert man durch Birken- und Kiefernwälder hinauf, bis es schon merklich kühler wird".

Ich bin einmal dort gewesen, im April 1992.

 

Der Eingang in die Felsenkammer
   
Ein Bild in der überdachten Bildergalerie
am Weg zur Felsenkammer

Mit dabei waren damals Michael und Carmina Laentzsch. Es war recht ruhig dort oben. Der Parkplatz war fast leer, aber die Größe deutete daraufhin, daß es da manchmal recht zugeht. Kein Wunder, denn es ist ein schöner Ort. Durch seine Lage sehr abgehoben von unserer hektischen Welt. Wie es wohl früher hier oben gewesen ist? War es noch einsamer? Irgendwie scheint sich seit Jahrhunderten hier nicht viel verändert zu haben.

Mit dem Jahr 1214 beginnt die Geschichtsschreibung von diesem Ort. Damals soll Franz von Assissi dort eine Einsiedelei gegründet haben. Er besuchte sie immer wieder und schließlich, 1224, soll sich dort etwas ganz Entscheidendes ereignet haben: Franz sei dort "stigmatisiert" worden. An Händen und Füßen hätten sich plötzlich Wundmale wie bei Christus gezeigt.

Gibt es so etwas denn wirklich? Scheinbar doch. So berichtete die BILD-Zeitung am 10. April 2000 unter der Überschrift "Der Auserwählte Gottes verkauft ätherische Öle" von einem ganz neuen Fall aus Pöcking am Starnberger See. Bei einem Johannes Hellmer hätten sich plötzlich auch diese Stigmatas gezeigt. Dreihundert solcher Fälle seien inzwischen der katholischen Kirche bekannt. Handelt es sich um göttliche Zeichen? Andere argumentieren damit, daß es sich vielleicht um eine Allergie handeln könnte oder um Zeichen von Hysterie, von verdrängten Problemen, die sich psychosomatisch äußern würden.

10.4.2000

Jedenfalls gibt es in La Verna eine Chiesa delle Stimmate, eine bereits 1263 von einem Grafen Simone da Battifolle gestiftete Kirche, in der täglich um 15 Uhr sich die Klosterbrüder zum Gebet einfinden. Und man kann sich der "Grotte" nähern. Leider ist auch hier, wie an so vielen anderen heiligen Orten heute kein persönlicher Kontakt mehr möglich. Ein Gittertor versperrt den Zugang. Es ist nur ein Blick durch die Sprossen auf die steinerne Nische mit dem flachen Felsbett unter den Verbruchblöcken möglich, die einstmals der Lebensraum des Heiligen gewesen sein soll.

Die Grotte

Das Felsbett

Schade. Schließlich gehört zum "Heiligen" auch der ganz enge eigene Kontakt mit den Stellen, mit den Steinen. Es ist einfach großartig, wenn z.B. in Lourdes die Menschen an den Felsen direkt entlang schleifen, mit dem Fingern, mit dem Körper, manche küssen sogar den Stein. (Das kann man ja auch in Assissi am Grab von Franziskus beobachten. Da berühren unendlich viele Besucher die nähestmöglichen Stellen! Warum dürfen das die Menschen dort nicht?) Das bedeutet etwas. Immer nur mit den Augen dem Guten nahezukommen ist zu große Distanz, TV-Gefühl, oberflächlich. Unsensibel, die Menschen auszusperren. Für wen? Warum? Wovor fürchtet man sich? Warum darf man dort nicht einfach sitzen, die Augen schließen, dem Klang um sich herum nachhängen, genauso wie der Heilige vor 800 Jahren schon?

Neben diesem besonderen Naturort kann der Besucher noch weitere religiöse Andachtsstätten anschauen, die Chiesa Maggiere und die Kapelle Santa Maria degli Angeli. Kunsthistorisches darüber gibt es in jedem guten Reiseführer über die Toskana.

Die Geschichte von La Verna kam einem auch ganz wo anders wieder begegnen. Als wir im März 2000 zum Beispiel in Gößweinstein in der Fränkischen Schweiz unser jährliches HÖREPSY-Treffen abhielten. Gleich hinter der großen und berühmten Wallfahrtsbasilika ist eine kleine Freifläche, früher vielleicht mal ein Friedhof, woran sich eine weitere alte Kirche anschließlich. Im Unterbau ist rechts eine Lourdesgrotte und links geht man über Stufen hinunter in einen kleinen kryptaähnlichen Kirchenraum. Dort ist im Wandbild auf der linken Seite genau diese Stigmatisierungsszene wieder zu sehen mit den Felsen und einer dunklen Stelle dabei, eben diese Wandnische andeutend.

Von Jakob Philipp Hackert stammt das Gemälde "Die Grotta di S. Francesco auf dem Monte Verna", das heute im Museum Folkwang in Essen hängt. Es zeigt einen Mönch in einer dramatischen Höhlenkulisse. Man kann es sich für 35 Euros fürs eigene Heim heute über das Internet bestellen

> The Grotto of St. Fancis on Monte Verna Kunstdrucke von Jacob-Philippe Hackert bei AllPosters.de

> BADV - Provenienzdokumentation - La grotta di San Francesco a l`averna (Die Franziskushöhle; Die Grotta di San Francesco alla Verna)

Franziskaner von La Verna

Santuario della verna


 

La Verna ist nur eine von zahlreichen anderen Kultstätten, die mit Franziskus verknüpft wurden und werden. In Italien gibt es noch mehr davon.

Höhlen bei der Eremo delle Carceri in Assissi
Grotta di San Francesco bei Cetona
Grotta di San Francesco bei Greccio Felskrippe soll noch erhalten sein, darüber ein Altar
Fontecolombo  

Eine Briefmarke aus Peru zeigt Franziskus in einer Höhle

Literatur:

Diener, Gangolf Umbrien, 2. Auflage, Bamberg, München 1952
Engels, Christoph 1000 heilige Orte - Die Lebensliste für eine spirituelle Weltreise, Potsdam 2009
Hofer, Markus Wilde Orte, Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2004
Melchers Das Große Buch der Heiligen, Ludwig-Verlag, München 1999
Overbeck, Gerd, Niemann, Ulrich Stigmata - Geschichte und Psychosomatik eines religiösen Phänomens, WBG, Darmstadt 2012
Polyglott APA GUIDE Toskana, Langenscheidt-Verlag, Berlin und München 1999
Schophoff, Julius Auf Fels gebaut, DIE ZEIT N°17, 16. April 2014, S. 59
Wolff, Uwe Geheimnisvoll wie die Muschel - oder Staunen über den inneren Reichtum, HERDER spektrum, Freiburg im Breisgau 2002

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