Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Verein für Höhlenkunde in München e.V. - 60 Jahre alt

- eine Jubiläumsfeier im Herrsching am Ammersee vom 20. bis 22. Juni 2014


Das Ende vom "Lied" am Samstagabend - gemeinsam am Holzfeuer am Ammersee sitzend


Anfang 2014 konnte man das Gefühl bekommen, daß es im 60ten Lebensjahr des Vereins für  Höhlenkunde in München keine Jubelfeier geben würde. Es hatte ja 40 Jahre gedauert, bis ein Vereinsjubiläum mit einer eigenen großen Veranstaltung gefeiert wurde, das erste Mal war das 1994 in Farchant der Fall gewesen. Ich war damals Vereinsvorsitzender und hab mich erwartungsvoll in das Abenteuer der Organisation einer Großveranstaltung gestürzt, unterstützt von einem Superteam von Vereinsmitgliedern, die beherzt und kompetent mitgemacht haben. Den 50er haben wir in Aschau zusammen mit einer Tagung des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher begangen, auch ein großer Erfolg, getragen von der Mitarbeitsbereitschaft vieler Höhlenforscher aus München und dem Chiemgau, der die potentiellen Synergieeffekte, die so ein Zusammenführen von Treffen freimacht, nutzt.

Nun, zum 60er, der Niedergang? Da von der Vereinsleitung lange nichts kam, machte Georg Ronge, unser neu gewählter Vereinsvorstand, einen eigenen Vorstoß. Tage darauf kam die Verkündung eines anderen Vorschlags, den die "alte Vereinsleitung" wie aus dem Hut zauberte: in der Scheuermannvilla in Herrsching sollte für ein Wochenende gefeiert werden. Schließlich wurden die Initiativen vereinigt: es würde ein Wochenende im Juni (ursprünglich hieß es Juli) geben, das Markus Auer, Toni Müller und Elisabeth Zahner organisieren, dann noch ein Forschungswochenende im Sommer, das Georg Ronge in die Hand nimmt und im November noch einen Vortragstag im November im Pelkovenschlößl in Moosach, wiederum von Georg betreut.

Groß war der Anspruch: "Ausgelassen feiern wollen wir gemeinsam mit vielen anderen Vereinen aus dem In- und Ausland." Die großen Speläofeste in Italien, zu denen 2.000 Menschen und mehr kommen, waren schon als "Vorbild" ins Auge gefaßt worden, viele Besucher aus Italien waren z.B. erwartet worden - es kam dann doch ganz anders.

Das Sprichwort aus Polen: "Willst du Gott zum Lachen bringen, mach einen Plan", traf voll zu. Die Zukunft läßt sich nun einmal nicht wirklich voraussehen, so viele scheinwissenschaftliche Versuche da auch auf so vielen Sektoren heute gemacht werden, sei das im Bereich der Wirtschaft, der Medizin, der Politik. Hier schlug der Zufall voll zu, da etwas passierte, was seit vielen vielen Jahren nicht der Fall gewesen war, ein handfester Höhlenunfall. Johann Westhauser, ein Mitglied des Bad Cannstadter Höhlenvereins, war im Riesending, der momentan längsten und tiefsten Höhle Deutschlands im Untersberg, von einem Stein getroffen worden, lag danach mit einem Schädel-Hirn-Trauma in der Höhle und wurde in einer Riesenaktion, an der 700 Personen beteiligt waren, 200 davon stiegen tatsächlich in die Höhle ein, erfolgreich wieder aus dem Berg geholt worden.

Das wirkte sich auch auf unsere Veranstaltung merkbar aus, weil sehr viel Manpower dorthin geflossen war, und wohl so mancher, der sich bei der Rettung bis zum berühmten Rand der Erschöpfung eingebracht hatte, für so ein Vereinsgeburtstagsfest nichts mehr übrig hatte. Zwei waren trotzdem dabei, Daniel Dauria, aktiver Bergwachtler und Höhlenretter, der eine maßgebliche Rolle beim Rettungseinsatz gespielt hatte, kam mit Familie vorbei und erzählte aus erster Hand von der Ereignissen - ein Glücksfall, und Markus Auer.

Auf zwei der großen Stellwände, die einen Teil der großen Höhleninformationsausstellung bildeten, fanden sich viele Zeitungsausschnitte von dem Unglück. Auf einmal hatte ja die ganze Höhlenforschung einen richtigen Sprung in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gemacht - und das war vielleicht auch daran schuld, daß so mancher Spaziergänger, der entlang des Ammersees unterwegs gewesen ist, vorbei geschaut hat. Es war ja alles frei und offen zugänglich. Sogar die Hunde hätten mit hinein gedurft. Ein eigenes Schildchen am Eingang machte darauf aufmerksam.

Ein kleines Team von Helfern aus dem Verein hatte bereits am Donnerstag Zugang zum Schlößl und begann mit dem Aufbau der diversen "Attraktionen".

Im Außengelände stand die "Schlufbox", die nur wenig Beachtung fand. Wenn jemand draußen stand und wie ein Jahrmarktsausrufer, die Leute direkt ansprach, dann hielten ein paar Leute, viele eilten aber einfach weiter, konnten mit diesem seltsamen Ding, das noch dazu überall schwarz war und für manchen wohl wie eine Art Sarg aussah, wenig anfangen. An der Pforte stand eine lebensgroße Plastikpuppe in Schlazmontur, die wie die Papppolizisten an den Landstraßen auf mich wirkte. Links zeigte ein Weiser zur Kinderbetreuung, wo die Kleinsten, die nur in geringer Anzahl da waren, zum Basteln von Fledermäusen und ähnlichen Speläozubehör angehalten wurden. Hatte man die Eingangsschwelle überschritten, grüßte gleich das Büffet, wo es etwas zum Essen zu sehr anständigen Preisen gab. Ein paar Stufen höher führte eine Glastür links in einen Seitenraum, wo ein wenig die "Händlerzone" war. Carsten Peters tolle Bücher gab es zum Jubiläumspreis, die Mühlbachler boten ihre Publikationen und Photos an, Peter Hofmann machte Werbung für die Inntaler Unterwelt usw.. Wer vom Gang nach rechts abbog, der kam in die Cafeteria, wo es auch reichlich Bier in Kästen gab. Eine Treppe führte hinauf in den ersten Stock, wo ein Teil der Ausstellung auf Stellwänden war, und der Vortragssaal. Dies war ein sehr kritischer Punkt. Wären, wie in Farchant, 150 Gäste da gewesen, dann hätte schon die schiere Anzahl der Teilnehmer alles gesprengt. So paßten die maximal 40 Personen geradeso hinein. Wenn bei einem Vortrag noch weniger da waren, dann viel da bei der geringen Größe des Raums auch nicht so auf. In Vortragssaal gab es die heutige Standardausstattung mit einem Beamer und Lautsprechern. Auch hier zeigte sich, daß die modernste Technik noch immer störanfällig bis zum Hinwerfen ist und Weitermachen mit dem nächsten Vortragenden nur als gescheiteste Lösung blieb. Alle Vorträge wurden digital abgewickelt bis auf zwei, die von mir. Ich konnte noch auf die alte 6x6-Diatechnik zurückgreifen und postierte einfach auf dem großen Batzen Beamer die zarten Füßchen meines 6x6-Halbautomatikprojektors, der einwandfrei funktionierte. Von den Vorträgen später.

Im Treppenhaus konnte man noch ein weiteres Stockwerk erklimmen. Auch dort war der Raum voller "Höhle". Tonis Biwakmodelle war genauso zu sehen wie der neueste Plan des Leiterkopfsystems im Steinernen Meer, auf einer Stellwand wurde über den Erdstall Höcherlmühle informiert, auf einer anderen über die Vogelherdhöhle, auf einer anderen waren die Zeitungsausschnitte über das Untersbergunglück angepinnt usw...

Toni und Elisabeth haben ein Klassevortragsprogramm zusammenbekommen, das wirklich staunen machte. So manche Verbandstagung hat nicht so ein reiches Spektrum an hervorragenden Vorträgen zu bieten. Ich pflege eine "Askese des Schauens", weshalb ich, ehrlich gesagt, nicht alle angeschaut habe. Es geht gar nicht, will man seine  begrenzte Aufmerksamkeit nicht vollkommen "fluten".

Die Themen und Vortragenden in Kurzform:

Freitag:

- Hermann Mader: WELT KULTUR SPRUNG im Lonetal und im Achtal
- Peter Hofmann: Unterirdisches Istrien
- Henning Harzer: Die Bleßberghöhle
- Markus Auer: Naica
- Dolfi Triller: Meine ersten Jahre im VHM
- Dieter Gebelein und Stefan Glaser: Mühlbachquellhöhle
- Peter Hofmann: Höhlenphotographie XXL

Samstag:

- Alex Bengel, Timo Hess: Caves International
- Jürgen Bohnert: Tauchvorstöße in der Hessenhauhöhle
- Steiner, Helmut: Höhlenfauna in Laos
- Müller, Toni: Neuland im Steinernen Meer
- Völkl, Gerhard: Die Gruberhornhöhle im Göllmassiv
- Klappacher; Walter: Tantalhöhle
- Franke, H.W.: Höhlen in der Wüste, Höhlen auf dem Mars, ...in der Zukunft

Sonntag:

- Lindenmayr, Franz: Höhlen um den Königssee
- Lindenmayr, Franz: Windlöcher/Untersberg

Danach bin ich heimgefahren. Das Programm ging wohl noch ein wenig weiter.

Meine Favoriten waren Dolfi Trillers Vortrag über die Anfangsphase des VHM, der natürlich ein Kernstück der ganzen Veranstaltung bildete. Er war der Letze, der die Anfangsphase noch selber mitgemacht hat und davon in seiner sehr lebendigen Art darüber berichtete. Da war doch ursprünglich geplant gewesen, daß man in München einen eigenen Verein gründen wollte, aber der sollte dem Verein für Höhlenkunde in Salzburg untergeordnet sein. Als das einige aufmerksame Forscher aus München damals diese Formulierung mitbekommen haben, gab es sofort Widerstand dagegen und offenbar waren die Befürworter der Salzburglösung nicht stark genug - ein eigenständiger Verein bildete sich, mit engen Verbindungen nach Salzburg zwar, aber schon selbstständig! - und der Jürgen Bohnerts Beitrag über die Hessenhauhöhle. Hier klopfte förmlich das Herz des Höhlenforschers, des richtigen, der wirklich neue Teile dieser Erde betritt. Das ist heute, den Umständen geschuldet, nur noch selten der Fall, sehr selten, aber ist halt nicht unmöglich. Allerdings sind die Anstrengungen schon fast übermenschlich. Bislang ging ja alles gut bei der Erforschung des Blautopfsystems, aber wenn hier einmal ein Unfall passieren sollte. Unmöglich ist das nicht, siehe Riesending. Da bohrt man am besten wohl schnell ein großes Loch von oben in den Erdmantel. Im Vergleich zum Untersberg wäre da nur mal vielleicht 100 m notwendig.

Ein Höhepunkt war natürlich auch Herbert W. Frankes Vortrag über "Höhlen in der Wüste, Höhlen auf dem Mars..." Diese drei Punkte waren keine Zufall, denn da kam noch etwas. Herbert ist ja schon so etwas wie eine "Legende", hat mit "Wildnis unter der Erde" einen Klassiker der Höhlenliteratur verfaßt, hat sich auch wissenschaftlich mit dem Thema Höhle befaßt, was bleibt da noch? Die Wüste, die Höhlen auf dem Mars zum Beispiel und in der "Zukunft". Eine Lesung von ihm aus einem seiner Science-Fiction-Romane über die Speläonauten bildete den Abschluß seines Vortrag. Um besser lesen zu können, hatte er eine Stirnlampe auf dem Kopf... klassische Minuten im Leben für von uns an Höhlenabenteuern interessierten Menschen.

Am Ende jeden Vortrags bekamen die Referenten entweder vom Markus oder vom Georg meistens eine "Münchner Höhlengeschichte Teil 2" überreicht als Dankeschön, eine gute Geste.

Als am Samstagabend der Vortragsreigen beendet war, ging es weiter zum Seestüberl. Eigentlich ist ja der Zeitraum des Samstagabends der Kernraum für ein Jubiläumstreffen. Da holt man das "Tafelsilber aus dem Schrank", wenn nicht da, wann dann? Nun, offenbar gab es keines. Ursprünglich war einmal geplant, eine Band spielen zu lassen, auch das Auftreten einer Tanzgruppe soll geplant gewesen sein. In äußerer Konkurrenz zum internen Geschehen der VHM-Geburtstagsfeier stand das Ganze natürlich mit der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Ausgerechnet zu dieser Zeit spielte Deutschland gegen Ghana (Sorry, ich hatte "Brasilien" ursprünglich geschrieben und mußte mich von meinem Sohn Michael, der den Text in Indien gelesen hatte, korrigieren lassen - wo weit geht man Fußballunverstand und unsere weltweite Vernetzung inzwischen!).

Im Seestüberl hatte man eine "SPELOBAR" eingerichtet, verkaufte dort seine Würstl, Pommes Frites und verschiedene Biersorten, hatte auch ein paar Fotokopien von Höhlenmalereien an den Tresen getuckert. So saßen wir dann alle, verteilt in kleine Grüppchen, plaudernd, diskutierend, sich anziehend und sich aus dem Weg gehend. Irgendwann tauchte ein Eisengestell auf, in das Holzscheite eingefüllt wurden und dann angezündet. Ein harter Kern bildete sich langsam, eine Schachtel mit Gummibärchen kreiste herum, das Feuer brannte nieder und konnte nicht mehr nachgefüllt werden, weil nirgends auch nur die Spur von brennbarem Material noch gefunden werden konnte. Gegen 1 Uhr erlosch das Feuer. Alle bewegten sich in Richtung auf ihre Schlafstätten.

Am Sonntag gab es eine Exkursion in das Angerloch, geführt von Georg und Verena. Die Ausstellung war ja noch immer geöffnet, ständig kamen Spaziergänger vorbei und schauten sich in den Räumen um. Einige blieben auch hängen und schauten bei den Vorträgen zu. Ich zeigte noch Bilder von Höhlen um den Königssee und von unseren Forschungen in den Windlöchern am Untersberg. So kamen ganz spannende spontane Gespräche zustande, denn offenbar gibt es ein latentes Interesse bei vielen Menschen an den Höhlen, aber sie haben halt fast nie die Gelegenheit, mit einer "passenden Menschen" darüber zu sprechen. Hier gab es einmal eine solche, und sie wurde genützt.

Das ist ja der wichtigste Punkt an solchen "Feiern", der menschliche Kontakt. Die Höhlen sind das Kontaktmittel, der Schmierstoff. Oft klappt es, aber das ist nicht selbstverständlich. Gerade wir "Münchner" waren hoffentlich nur ein sehr zerstrittener Haufen in den letzten Jahren, finden wieder zurück zu alter Gemeinsamkeit und "Größe". Allein die Existenz eines zweiten Münchner Höhlenvereins, der nun seit der Höhlenforscherverbandstagung 2014 in Waischenfeld auch dort Mitglied ist, ist ein starkes Mahnzeichen. Viele haben den Verein, ich finde, leider, verlassen, viele, die echte "Leistungsträger" waren. Hoffentlich kommt der Verein mit Georg Ronge als neuem "Chef" wieder auf die Füße.

Ungeplanter Höhepunkt unseres Herrschinger Treffens war für mich das Auftreten von "Daniel", dem Höhlenretter. Eigentlich war im Programm eine Demonstrationsübung der Höhlenrettung geplant gewesen. Die fiel aus, weil es momentan kein frei verfügbares Material mehr "gab". Das war alles noch am/im Untersberg im Gefolge der Rettungsaktion. "Solange der Forscher noch "warm" ist retten wir ihn", wir fragen nicht nach "Kosten" oder sonst etwas, wir holen ihn heraus. Die Geschichten von Menschen, für die einfach das "Geld" noch nicht das Höchste auf der Welt ist, die helfen bis zur Selbstaufgabe, wo "Speziwirtschaft" auf einmal auch sehr positive Töne bekommt, weil der "kurze Dienstweg" Dinge möglich macht, die auf Grund der sog. "Aktuellen Rechtslage" eigentlich verboten sind, die Sonne geht eigentlich jeden Morgen wieder neu auf, das ganze Dunkel des letzten Tages verschwindet so wieder...

Allen Engagierten müssen wir alle natürlich herzlich danken. Auch da passierte etwas, was nie mehr wiederkommen wird. Es gibt keinen "return"-Button dafür. Man muß schon dabei gewesen sein, an welchem "Zipfel" auch immer, um wenigstens ein wenig mitreden zu können!


Unkommentierte Schnappschüsse von der Feier:

 

 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     

 

Literatur:

   

Links:

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