Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Herbsttagung der SSS/SGH in Habkern / 14.-16. Oktober 2016, Schweiz


Das Schulhaus in Habkern - der Versammlungsort


Rund um Habkern, Kanton Bern, Schweiz

Das Siebenhengste-Hohgant-Schrattenfluh-Höhlensystem, Schweiz

Die Seefeldhöhle, Schweiz


Zweimal im Jahr trifft sich der Schweizerische Höhlenforscherverband zu einem sog. "Delegiertentreffen". Dort werden die aktuellen Fragen und Diskussionspunkte abgehandelt und darüber abgestimmt. Rundherum ist es auch ein kleines Treffen kontaktsuchender Höhlenforscher.

Im Oktober 2016 war es wieder einmal die Sektion Bern der SGH, die die Ausrichter waren. Man hatte einen dafür ausgezeichnet geeigneten Ort gewählt - Habkern im Berner Oberland. In nächster Nähe liegen einige der bedeutendsten Höhlen der Schweiz, ja ganz Europas und die aktuelle Forschung hat hier einen ihrer Brennpunkte.

Die Gemeinde hat auch mitgemacht und das neu renovierte Schulhaus für das Wochenende zur Verfügung gestellt. In der großen Turnhalle war der Hauptversammlungsraum, aber auch die Küche, die Toiletten, der große Parkplatz und der überdachte Eingangsbereich waren wesentliche Elemente der sehr erfolgreichen Veranstaltung. 

Eine kleine fleißige Gruppe begann bereits am Freitagnachmittag mit der Vorbereitung der Tagung. Im Turnsaal wurde ein Netz unter die Decke gehängt und Dutzende aus Eierschachteln gebastelte schwarze Fledermäuse gehängt. Besonders die Kinder waren aktiv beim Falten der kleinen Papierfledermäuse, die überall im Raum angebracht wurden und später auf den Biertischen lagen. So wurde die nüchterne Atmosphäre ein wenig verzaubert. Draußen hingen weiße Luftballons mit aufgespritzten Fledermauskonturen, auch das ein Beitrag dazu, dem ganzen seinen übergroßen Ernst zu nehmen.

Am Abend war die Bevölkerung von Habkern und Umgebung eingeladen zur einem öffentlichen Vortrag über den Stand der Höhlenforschung in den Sieben Hengsten. Dazu gesellten sich dann schon etliche Höhlenforscher, die zeitig angereist waren und auch Zeuge eines höchst informativen Vortragsreihe wurden. In sieben Teilen präsentierte jeweils ein anderer sein Fachgebiet, z.B. den Bärenschacht, die "zone profonde" oder die Seefeldhöhle. Wie bei diesen Treffen üblich, wird alles auch gleich in die französische Sprache übersetzt, wobei vor allem Philipp Häuselmann gefordert war. Eine Besonderheit hatte die deutsche Version. Das wurde Berndeutsch gesprochen und das ist, mit Verlaub, kaum für Außenstehende verständlich. Um es bildlich zu sagen: Da hat jemand einen Tennisball im Mund während er seine deutschen Laute formt. Irgendwann habe ich es aufgegeben und war froh, wenigstens hie und da mal einen Brocken zu verstehen. Die wunderbaren Photos sprachen meist schon für sich. Da wurde von Spitzenforschung berichtet, die scheinbar mit den Aufgaben auch noch wächst. Da werden Schlote mit 100 m Höhe und mehr, als sei das heute eine Routineangelegenheit. Ist man dann oben, hofft man auf eine Fortsetzung, die tatsächlich auch in etlichen Fällen vorhanden ist! Besonders lohnend waren die Forschungen im Bärenschacht. Inzwischen kommt man immer weiter, spricht schon von Bär2 und Bär3. Wohin soll das nur eines Tages führen? Keiner weiß es heute.

Zum Schlafen verzogen sich die Teilnehmer in die Zivilschutzanlage, den Zeltplatz oder auch in die eigenen Fahrzeuge. 

Am Samstagmorgen bauten die Händler ihre Stände auf und hofften wohl auf ein gutes Geschäft. Ich verzog mich in die Berge, stieg hinauf zur Bäreneialpe und hinunter über die Chromatte, ziemlich steil und schweißtreibend, aber vollkommen alleine. Nach 1 Uhr begann die Delegiertenversammlung, zu der gut 50 Personen gekommen waren. Bei einem Mann-Frau-Team konnte man sich anmelden, bekam einen Namenssticker aus Seide und ein paar freundliche Worte auf den Weg. 

Von den verschiedenen Themen, die angesprochen wurden, blieb mir vor allem der Vortrag über die Fledermäuse und die Höhlenforscher in Erinnerung. Hier wurde auf sehr lockere Weise, aber kompetent, mit dem kritischen Thema umgegangen. Tenor: Wir wissen nur wenig und freuen uns über jede Meldung eines Kontakts mit den Viechern. In der Schweiz scheint das einfacher zu sein, da man ja ein Zentralinstitut hat, die ISKA, so weiß man gleich, wohin man seinen Beitrag schicken könnte.

Ein spezieller Programmhöhepunkt jeder Höhlentagung in der Schweiz ist immer der Aperó. Den hatte auch hier die Gemeinde gesponsert. Der Bürgermeister erschien persönlich und hielt uns eine lange Rede. Wir erfuhren fast alles über die Gemeinde, den Viehbestand, das neue Gewerbegebiet, den Schulneubau, auch die Geologie kam dann vor. Dann, das erlösende Wort: Das Büffet wurde freigegeben und alle holten sich, was da war: große Hefeteigzöpfe, fein aufgeschnittenen Käse, gekühlten Weißwein, Orangensaft... Das Wetter spielte mit, die Gespräche kamen in Gang, der Bürgermeister schenkte nach. Diesmal gab es keinen Alphornbläser und keine Goislschnalzer - aber so etwas muß nicht bei jedem Treffen sein.

Luftholen, Pause machen, dann gab es noch ein paar abendliche Höhepunkte. Die Berner hatten ein glorioses Küchenteam, das für uns das Abendessen vorbereitet hatte (Kosten 35 Franken). Gemüse in der Nudelsuppe, gemischter Salat, Hirschpfeffer oder Quorn für die Vegetarier, Dessertköstlichkeiten. Serviert wurde die Hauptspeise vom fledermausbemützten Höfopersonal, das sich alle Mühe gab, damit der Abend zu einem echten Erfolg wurde.

Dann gab es noch zwei Vorträge: Riesending und Bärenschacht. Das war schon seltsam. Wer die neuesten Ergebnisse der Riesendingforschung mitbekommen wollte, also einer Höhle in unserem Katastergebiet der Bayerischen Alpen, der mußte ins Berner Oberland reisen! Die Aktualität konnte nicht größer sein, denn Ulrich Meier und ein Team aus Schweizer Höhlenforschern war die Woche vorher nach mehreren Jahren Pause nach dem großen Unfall zum ersten Male wieder in der inzwischen längsten und tiefsten deutschen Höhle. Zwei Tage braucht man inzwischen zum Forschungsendpunkt, zwei Tage standen für Explorationen zur Verfügung und zwei Tage brauchte man auch wieder heraus. Dazu kommen noch Anreise und Anmarsch zum Untersberg. Das macht man nicht mehr nebenher. Die Ergebnisse sind enttäuschend und hoffnungmachend. In den riesigen Krakencanyon, immerhin soll er eine Höhe von 200 m haben, kam nach wenigen Metern ein Siphon, der an dieser Stelle kein Fortkommen mehr ermöglicht. Dafür wurde in einem bislang noch nicht untersuchten "Seitenteil" weitergemacht, der jetzt schon so etwas wie das Riesending2 werden könnte. Die sehr günstige Wetterlage führte zu einem niedrigen Wasserstand, so daß die Bezwingung der Wasserfallstrecken wohl überhaupt erst möglich war. Wirklich spektakuläre Photos, wohl nur möglich dank SCURION, ließen uns Hallenhocker ein wenig an den Entdeckungen teilhaben. 

Noch eine Nacht auf dem Parkplatz. Dann ein üppiges Frühstück für 10 Franken, dann der Aufbruch zu den Exkursionen. An alle hatte man gedacht: von der Geologieexkursion über die Schachtspezialisten (Faustloch, Senkloch, Frustration), die Aquatiker (Beratushöhle), die Nostalgiker (Muldentalhöhle), die nur in Stoffschlaz und Karbidlampe befahren werden durfte, bis zu den Normalos, die sich zur Seefeldhöhle, einer 2 km langen Sandsteinhöhle, aufmachten. Der Vertrag mit "Petrus", dem Wetterschicker, hatte hervorragend geklappt. Wir hatten ein Kaiserwetter und keine Wolke am Himmel. Über die Hochmoore oberhalb der Chromatte im herbstlichen Ambiente mit dem Blick auf die Gipfel des Berner Oberlandes zu wandern - ein Höchstgenuß. Da seine Nase in ein finsteres Loch zu stecken, das war nicht wirklich verlockend, weshalb die Höhlentour auch nicht sehr lange dauerte. Dafür hatte man dann den Luxuspanoramablick ja wieder auf dem Rückweg.

Ein kurzer Abschied auf dem Parkplatz vor der Schule - dann war schon wieder, leider, ein sehr vergnügliches, informatives und begegnungsreiches Wochenende vorbei. 

     ei
     
> Das Empfangsteam

Literatur:

   

Links:

http://www.speleo.ch/~site/

https://sghbern.ch/newsghbern/


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]