Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

2019er Tagung des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher

in Nesselwang




Bärbel Vogel, die momentane Verbandsvorsitzende, bei ihrer Eröffnungsansprache


Anthopospeläologische Führung zu Höhlen um Füssen


Wieder einmal eine Tagung im Allgäu der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Ich kann mich noch gut an Sonthofen erinnern, später einmal Oberstdorf. Diese Orte waren viel näher an den großen Karstgebieten, aber bei unseren modernen Verkehrsmitteln wird die geographische Nähe immer weniger bedeutend. Früher gab es enge, kurvige Straßen, schmale Ortsdurchfahrten, viele Verkehrsampeln. Heute moderne Verkehrssysteme und - organisation. Und Autos, deren Umweltverträglichkeit immer fragwürdiger wird. Ist ein SUV wirklich noch prestigefördernd? Oder ist nicht ein Besucher der Tagung, der mit Bahn und Bus kommt, viel "zukunftsgerechter"? Und jemand, der im teuren Hotel schläft, gesellschaftlich hochrangiger als jemand, der im Auto oder im Massenlager biwakiert? 

Warum Nesselwang? Der Grund lag sicherlich an der Person der derzeitigen Vorsitzenden des Verbandes, Bärbel Vogel. Sie ist hier aufgewachsen und hat ihren momentanen Lebensmittelpunkt dort. In einem Gespräch mit dem Bürgermeister wurde die Grundlage gelegt, daß der Tagungsort bestimmt werden konnte, die Alpspitzhalle. Und sie war zum richtigen Zeitpunkt verfügbar: vom 15. bis 19. August 2019. Unterstützung bekam sie von den Chiemgauer Höhlenbären, vom Sonthofener Höhlenverein, vom Verein für Höhlenkunde in München und sicherlich auch von weiteren Personen und Einrichtungen..

Als "Schirmherr" für die Veranstaltung wurde der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber gewonnen. Wir konnten ihn alle am Hauptabend auf der Leinwand bei einer Videobotschaft sehen, wo er in höchsten Tönen die Leistungen der Höhlenforscher lobte.

Man hatte auch ein Begleitprogramm entwickelt: Peter Hofmann hatte den "Nesselwanger Höhlenweg" entwickelt und stellte seine Höhlenpanoramaphotos in zahlreichen Geschäften des Ortes aus. Der Fledermausstammtisch Ostallgäu hatte in den Räumen der Alpspitzhalle eine Fledermausausstellung eingerichtet, der Verein für Höhlenkunde in München hatte die Schlufkiste mitgebracht, die insbesondere von den Jüngeren getestet wurde, und die Bergwacht Höhlenrettung Murnau stellte ihr Material vor der Halle zur Schau. Mehrere Ausstelle hatten Räume in der nahen Schule belegt und haben hoffenltich gute Geschäfte gemacht. Mehrere Partner wurden gewonnen, die unterschiedlichste Leistungen und Dinge zur Verfügung stellten. 

Es gab einen Wohnmobilstellplatz und Möglichkeiten zum Zelten beim Sportplatz und ein Massenquartier in der Alpspitzhalle. Auf dem Parkplatz vor der Alpspitzhalle und in der Tiefgarage gab es zahlreiche Parkmöglichkeiten. Das Team der Chiemgauer Höhlenbären kümmerte sich engagiert um Speis und Trank, das meist irgendwo anders gekocht worden ist und pünktlich angeliefert wurde. Die Preise waren angemessen moderat (Allgäuer Kässpatzen mit Röstzwiebeln 7,50 Euro z.B.) und wem das nicht genügte, der konnte sich ja in den umliegenden Wirtschaften und Restaurants bestens bedienen lassen. 

Am Donnerstag waren 13 Exkursionen vorgesehen, am Sonntag weitere 9. Aus verschiedenen Gründen mußten einige abgesagt werden, mal wegen fehlender Anmeldungen, mal wegen ungünstiger Bedingungen. Unfälle gab es keine, so daß abend eine warm gelaufene bunte Gruppe von Höhlengogeren (so nennen das unsere fränkischen Freunde) beim Grillabend der Chiemgauer Höhlenbären aufeinander traf - leider unter ungünstigen, weil regnerischen Bedingungen. Einige hatten hinterher noch Lust auf Edukation und konnten noch zwei Workshops besuchen: "HöNoPs", wo es um psychosoziale Aspekte bei Unglücksfällen ging und wie man sich darauf vorbereiten könne und um "Hängetrauma - Historische Mythen, altbewährtes..Strategie..". 

Am nächsten Tag gab es noch zwei Workshops: "SRT Basic und Kameradenrettung" und "CaveLifeApp" zur Erfassung (bio)speläologischer Daten. Parallel dazu oder auch hintereinander liefen drei Vorträgsblöcke zu Themen über Höhlen in Deutschland oder über Höhlenschutz. Man hatte es geschafft, die große Halle ausreichend zu verdunkeln, so daß man tatsächlich gute Projektionsbedingungen geschaffen hatte (keine Selbstverständlichkeit, da gab es schon Tagungen, da wurden alle Bilder vom Tageslicht verschluckt). Themen: Über 100.000 Höhlenbesucher in 10 Tagen - Der Hessentag 2019 in Bad Hersfeld, Windloch - Neuentdeckung in Ennepetal, Internationales Jahr für Höhlen und Karst 2021, Höhlenschutz in Europa und so weiter. Ich beteiligte mich an den Vortragsprogramm mit zwei Beiträgen: "Über 100 Jahre Photographie in Höhlen der Bayerischen Alpen" und "Eine kurze Höhlengeschichte Bayerns". Es waren noch viele Plätze frei, aber es gab immerhin einige Zuhörer.
Abends gab es dann eine große Veranstaltung, wozu auch die Bevölkerung und die Gäste eingeladen waren. Thema: Lange Nacht der Unterwelt Allgäu". Viele Gäste kamen hinzu und füllten den Raum. Christoph Spöttl hielt einen sehr guten Vortrag über eine "Zeitreise in die Klimavergangenheit" und zeigte auf, was die Erforschung der Höhlen für einen wichtigen Beitrag zur Verständlichmachung dieser komplizierten Geschehnisse liefern kann. Dann erzählte Andreas Wolf von der mehr als 100 Jahre schon dauernden Erforschung der größten Höhle im Allgäu, dem Hölloch. Er ist ja besonders dafür qualifiziert, weil er bei den jüngeren Forschungen regelmäßig dabei gewesen ist. Nach einer Pause ging es weiter: Gerhard Baurs Film "Eine Seilfahrt in die Unterwelt" von 1977, "Abstieg in die Unterwelt" von Jürgen Schafroth von 2019, Das Gamsbockloch von Andreas Wolf und dann noch "UNTERWELTEN XXL" von Peter Hofmann.

Am Samstagmorgen war die große Halle belegt, um dort die Jahreshauptversammlung des VdHK abzuhalten. Diesmal keine Kämpfe, der Posten des Höhlenschutzreferenten mußte neu besetzt werden, eine Frau kam beim Redaktionsteam der Mitteilungen hinzu, business as usual.

Nachmittags war noch ein Vortragsblock vorgesehen, wo es um Höhlenforschung international ging: Indien, Kirgistan, Kambodscha, Südvietnam, Brasilien (Abele, Dreybrodt, Laumanns).

Abends noch einmal ein Großevent: Die Leute aus dem Ort kamen gestylt daher, dazwischen die Höfos in ihrer Alltagskleidung oder in den bunten T-shirts mit Höhlentieraufdrucken oder dem Emblem der Chiemgauer Höhlenbären. Bärbel begrüßte alle erst einmal ganz routiniert. Dann gab es die Verleihung des Benno-Wolf-Preises. Wer würde ihn dieses Jahr verliehen bekommen? Jochen Duckeck war es verdientermaßen, der sich die unendliche Arbeit mit seiner Webseite showcaves.com macht und seine Expertise immer wieder zur Verfügung stellt, z.B. als UIS-Delegierter oder als Referent auf Tagungen. An die Laudatio auf Jochen schloß sich das Großwort von momentan bayrischen Umweltminister Glauber an, in dem er die Höhlenforscher "über den grünen Klee" lobte und ihren Einsatz für den Höhlenschutz. 
Dann kam ein Programmpunkt, der selbst eine weite Anreise rechtfertigte. Aus Budapest war Csaba Egri angereist und zeigte als Mitglied des LaSalle-Team mehrere 3-D-Diaschauen über Höhlen. Jeder Besucher bekam eine Brille auf die Nase und konnte so den ausgeklügelten Stereoeffekten etwas angewinnen. Um die halbe Welt ging in 60 Minuten. Von Höhlen in Ungarn, insbesondere im Untergrund von Budapest, über die Italienischen Alpen, die österreichischen Eishöhlen, im Südwesten Frankreichs, Yorkshire, New Mexico bis zu neuesten Aufnahmen aus dem Mato Grosso in Brasilien ging die rauschhafte Bilderreise. "Die besten Bilder aus den besten Höhlen von einem der besten Höhlenphotographen...", ungefähr so faßte Bärbel zusammen, was da zu sehen gewesen war. Da gab es eine kurze Pause und dann ein weiteres echtes Highlight. Oliver Schöll zeigte seinen neuen Film "Abstieg in die Dunkelheit". Er zeigt auf höchstem Niveau was heute unter der Erde an Filmischem möglich ist. Die Kamera, GOPRO natürlich, folgte unaufgeregt einer kleinen Gruppe von Schweizer Höhlenforschern, die zu Fotoaufnahmen in die "Zone Profonde" des riesigen Siebenhengste-Höhlensystems einstiegen. Immer wieder wurden auch die Höhlenforscher ganz persönlich vorgestellt und befragt, und dann gleich wieder geschwenkt und die unterirdische Pracht gezeigt. Untermalt war das von einer paukigen Musik, ruhiges Zurückziehen in ein stilles Eckchen war das nicht angesagt. Ein Genuß. Es heißt, daß der Abend bei einigen Teilnehern erst um 4 Uhr früh zu Ende war.

Am Sonntag brachen die Gruppen zu ganz unterschiedlichen Zeiten auf, das Küchenteam stellte sich darauf ein und bot auch schon vor 6 Uhr, wer es haben wollte, ein Frühstück. Schnell leerte sich der Parkplatz, wurden die Bierbänke und -tische abgeräumt, in alle Himmelsrichtungen zerstreute sich der lose Haufen. Auf einen Teilnehmer richtete sich besonders die Aufmerksamkeit: René Scherrer. Er war am Abend zuvor krank geworden, der Notarzt kam und er wurde ins Krankenhaus nach Kempten gebracht. Ein T-Shirt wurde gebracht und viele unterschrieben darauf zusammen mit den besten Genesungswünschen. Ein Tragerl mit Höhlenbier wurde auch noch aufgetrieben und das wurde mit Namen personalisiert. Rainer Straub hat es ihm dann persönlich ins Krankenhaus gebracht. Wir wünschen ihm alle gute Besserung.

Es bleibt einfach nur zu danken, vor allem der Bärbel, aber auch all denen die mit äußerstem Engagement sich hier eingebracht haben. Es ist großartig, zu so einem "Haufen" zu gehören!

 Die Location

 

 

 
< Der Anstich des Freibierfasses durch Bärbel Vogel

> Der "Höhlenwanderweg" von Peter Hofmann in den Schaufenstern einiger Nesselwanger Geschäfte

< Frühstück

> Nach der Tour

< Eigens für die Tagung hergestellt!

> Beim SRT-Workshop

> Ein paar Münchner
Die Schlufbox - Spielzeug und Trainingsstrecke  für Klein und Groß
> Benno Wolf im Bild bei der Laudatio für Jochen Duckeck
Der neue Benno-Wolf-Preisträger
Jochen Duckeck
> https://www.showcaves.com/

bei der Verleihung und am Tage danach

> Rainer Straub mit dem Gesundungsgeschenk der Tagungsteilnehmer für René Scherrer

Text vor der Veranstaltung:

Wieder einmal eine Tagung im Allgäu der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Ich kann mich noch gut an Sonthofen erinnern, später einmal Oberstdorf. Diese Orte waren viel näher an den großen Karstgebieten, aber bei unseren modernen Verkehrsmitteln wird die geographische Nähe immer weniger bedeutend. Früher gab es enge, kurvige Straßen, schmale Ortsdurchfahrten, viele Verkehrsampeln. Heute moderne Verkehrssysteme und - organisation. Und Autos, deren Umweltverträglichkeit immer fragwürdiger wird. Ist ein SUV wirklich noch prestigefördernd? Oder ist nicht ein Besucher der Tagung, der mit Bahn und Bus kommt, viel "zukunftsgerechter"? Und jemand, der im teuren Hotel schläft, gesellschaftlich hochrangiger als jemand, der im Auto oder im Massenlager biwakiert? 

Als Tagungsort ist die Alpspitzhalle Von-Lingg-Straße 30, 87484 Nesselwang, auserkoren.

Die Zeit ist vom 15.-19. August 2019

Unterstützung kommt von den Chiemgauer Höhlenbären, vom Sonthofener Höhlenverein und vom Verein für Höhlenkunde in München.

Die neuesten Informationen gibt es auf der aktuellen Webseite.

 

   

Literatur:

Böck, Markus Dorthin, wo noch keiner war, Allgäuer Zeitung 17.8.2019
Simmert, Hartmut Zur 59. Verbandstagung 2019 nach Nesselwang im Allgäu, Mitteilung HKD e.V. 1-19, S.file:///C:/Users/Franz/Downloads/heft_0050_2019_01_web.pdf

Links:

Ein Streifzug durch die Höhlenwelt des Allgäus tml

https://cavelife.app/#/

https://www.vdhk.de/


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